Bundesrat stimmt zuDigitalpakt Schule: Datenschützer in Sorge
Bessere technische Ausstattung für Schulen und mehr digitale Lernmittel: Nachdem der Bundesrat dem "Digitalpakt Schule" zugestimmt hat ist der Weg frei für die nötige Grundgesetzänderung und Milliardenhilfen des Bundes. Doch die Vorstellungen, was konkret mit dem Geld geschehen soll, gehen bei Lehrern, Eltern und Schülern auseinander. Außerdem äußern sich Datenschützer in Sachsen-Anhalt und Thüringen besorgt.
Lange wurde diskutiert und um Kompromisse gerungen, jetzt ist es entschieden: Der deutsche Bundesrat hat den sogenannten "Digitalpakt Schule" einstimmig gebilligt. Das bedeutet, dass das Grundgesetz so geändert werden darf, dass der Bund die Schulen mit fünf Milliarden Euro unterstützen darf, obwohl Bildung eigentlich Ländersache ist. Ausgegeben werden soll das Geld vor allem für WLan-Anschlüsse, interaktive Tafeln, Laptops oder andere digitale Lernmittel. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Schüler davon profitieren. Der Plan des Digitalpakts stößt auch in Mitteldeutschland auf breite Zustimmung. Doch bei aller Euphorie über die geplanten Milliarden gibt es auch Kritik.
Technik allein ist nicht genug: Es fehlt an Medienkompetenz
Grundsätzlich begrüßen auch die Datenschutzbeauftragten in Mitteldeutschland, dass der Digitalpakt es ermöglicht, Schulen besser mit digitaler Technik auszustatten. Das sei längst überfällig. Doch die bereitgestellte Hardware sei nur eine Seite der Medaille, betont der Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten, Andreas Schneider:
Es geht auch darum, junge Menschen an den sachgerechten Umgang mit Informationstechnologie heranzuführen. Hierzu gehört nicht nur die Vermittlung eines Grundwissens, was Informationssicherheit anbelangt, also wie man sich zum Beispiel vor Schadsoftware oder unbefugten Zugriffen in sozialen Netzwerken schützt, sondern auch ein verfassungsrechtliches Verständnis, was die Persönlichkeitsrechte anbelangt.
Andras Schneider | Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten
Gerade in dieser Hinsicht gebe es noch große Defizite in der Fort- und Ausbildung der Lehrer, betont auch der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse. Auch wenn die Digitalpaktmilliarden nun ein wichtiger Schritt seien, "liegt noch ein langer Weg vor uns (...) den wir jetzt erst eingeschlagen haben - leider etwas spät für mein Empfinden." Bestürzt sei er vor allem darüber, dass die Politik die Digitalisierung der Schule bisher weitestgehend verschlafen habe.
Ähnliche Kritik kommt auch vom Datenschutzbeauftragten in Sachsen-Anhalt, Harald von Bose: "Ich frage mich, was hätte die Landesregierung gemacht, wenn die Mittel nicht so beschlossen worden wären. Würde es dann in Sachsen-Anhalt keine digitale Bildung geben?" In allen drei Ländern hält man die Entwicklung von Unterrichtskonzepten zur Medienbildung und Medienkompetenz in den Schulen für dringend und unabdingbar.
Digitalisierter Unterricht: ein Problem für den Datenschutz
Neben dem Wunsch nach klaren Konzepten und medialer Weiterbildung formulieren die Datenschützer noch weitere Bedenken. Denn bei der zunehmenden Digitalisierung der Schulen könnten auch ganz neue Probleme auftreten - Probleme, die den Datenschutz betreffen.
Der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse hält insbesondere den möglichen Einsatz eigener Geräte für problematisch:
In technischer Hinsicht ist es sehr kompliziert, zu verhindern, dass zum Beispiel auf dem Smartphone eines Schülers andere Apps auf eine neue Lern- und Lehrsoftware zugreifen und Dateninhalte absaugen können. Diese können ja einen durchaus sensiblen Charakter haben. Ich denke jetzt nicht nur an Vertretungspläne, sondern möglicherweise auch an Noten oder Aufsatzinhalte, also sehr persönliche Dinge.
Lutz Hasse | Thüringer Datenschutzbeauftragter
Außerdem sei die Frage zu klären, wo die Kommunikation in der Schule stattfinden würde: auf Schulservern, in Clouds oder auf einem landesweiten Server. In jedem Fall müssten entsprechende technische Voraussetzungen geschaffen werden, die die Sicherheit der persönlichen Daten gewährleisten können.
Harald von Bose sieht - auch auf Grund der Datenschutzproblematik - noch einen längeren Planungsprozess auf die Landesregierungen zukommen: "Ich empfehle, dass die Daten in der Schule bleiben, dass die Lehrer dienstliche E-Mails und entsprechende Accounts nutzen. Das sind Vorgaben aus dem europäischen Datenschutzrecht, daran kommt man im Grunde nicht vorbei. Man wird auch - das ist im Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt bekannt, noch mal das Landesschulrecht anfassen müssen. Denn dort ist bisher zu wenig ausgesagt zum Einsatz von digitalen Werkzeugen im Unterricht."
Wohin mit dem Geld? Verschiedene Prioritäten bei Lehrern, Eltern und Schülern
Dass das Geld aus dem Digitalpakt dringend nötig ist, darüber sind sich alle Beteiligten einig. Auch in Mitteldeutschland seien Schulen häufig noch immer schlecht ausgestattet, nach wie vor fehlt es vielerorts an den grundsätzlichen Voraussetzungen, um einen modernen Unterricht überhaupt anbieten zu können. Eine technische Aufrüstung sei da unerlässlich, findet Claudia Koch, die stellvertretende Landeselternsprecherin für Gymnasien in Thüringen: "Bei manchen Schulen scheitert es schon daran, dass nur eine Steckdose da ist. Ich brauche nicht von Digitalisierung zu sprechen, wenn in dem Moment, wenn ich zwei Geräte anschließen will, schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist." Trotz solcher Hürden sei es für Schulen wichtig, einen Blick in die Zukunft zu werfen, was die Digitalisierung angeht. "Jede Musiklehrerin, die jedes Mal losgeht, um einen VHS-Recorder irgendwoher zu besorgen, um ein Musikstück oder Video abspielen zu können, weiß, wovon ich rede, wenn ich sage: Es wird höchste Zeit, dass solche Archive digitalisiert werden."
Jens Nelle vom sächsischen Lehrerverband berichtet hingegen, dass ein Großteil der Schulen bereits mit digitalen Endgeräten ausgestattet sei. Das, woran es hapere, sei oft die Umsetzung: "Es reicht ja nicht, wenn das digitale Endgerät da ist und wir zum Beispiel beim Breitbandausbau hoffnungslos hinterher liegen. Ich kann ja zum Beispiel ein Whiteboard nur im vollen Umfang nutzen, wenn ich Übertragungsgeschwindigkeiten aus dem Internet habe, die es zulassen, dass das in zehn, fünfzehn Klassenräumen gleichzeitig genutzt werden kann." Das sei momentan gerade im ländlichen Bereich nur selten der Fall.
Nicht allzu lang auf konkrete Lösungen und die Umsetzung bestimmter Medienausbildungskonzepte warten zu müssen, wünscht sich Niklas Oliver Steinhoff, Vorsitzender des Landesschülerrats Sachsen-Anhalt:
Ich habe die Wunschvorstellung, dass jedes Schulkind bei Eintritt in die Sekundarstufe I ein Tablet oder Ebook bekommt, auf dem alle Schulbücher gespeichert sind. Es gibt Studien, die sagen: Zwei Drittel aller Schüler haben oder hatten schon mal Rückenschmerzen. Mein Großvater kann nicht mehr schwer heben und darf deshalb den Ranzen meines jüngeren Bruders nicht aus dem Auto heben. Das sind Sachen, die nicht gehen. In solche schnellen Hilfen muss man investieren.
Niklas Oliver Steinhoff | Landesschülerrat Sachsen-Anhalt
Ob das Geld aus dem Digitalpakt darüber hinaus eher in den Breitbandausbau oder in digitale Tafeln und die Ausstattung von Computerkabinetten fließen soll, das müsse seiner Meinung nach individuell mit den Schulleitungen besprochen werden. Jede Schule könne vermutlich für sich am besten einschätzen, wo das Geld am dringendsten gebraucht werde. Eine pauschale Regelung, die für alle Schulen die gleichen Anschaffungen, wie z.B. digitale Tafeln vorsieht, hält Steinhoff nicht für sinnvoll.