Interview mit Dr. Maya Götz "Wir haben hier Mechanismen, die Jugendlichen sagen: Du musst dich sexualisieren."

Die Wissenschaftlerin am Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen hat Musikvideos und Instagram-Profile analysiert und ist dabei auf immer wiederkehrende Muster gestoßen. Im Interview mit MEDIEN360G spricht sie über die Ergebnisse der Studie und was daran problematisch ist.

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MEDIEN360G: Was hat Sie an den Ergebnissen Ihrer Studie am meisten überrascht? Wie inszenieren sich junge Frauen auf Instagram?

Ganz unterschiedliche Frauen mit ganz unterschiedlichen Berufsbiografien haben im Prinzip ganz ähnliche Gesten. Die ganzen Bilder sehen sehr, sehr ähnlich aus. Das war das eine, sehr Überraschende, wie ähnlich sie sind. Und zum anderen dann, genau zu verstehen: Mädchen die selber Bilder von sich auf Instagram posten - was machen sie da eigentlich, was ist ihnen dabei wichtig. Und da ist es eben so, dass es darum geht, das perfekte Bild zu haben. Da wollen sie natürlich und fröhlich und gut gelaunt aussehen und möglichst schlank. Und an diesem perfekten Bild, das eben so "natürlich" entstanden ist, da arbeiten sie dann zum Teil zwanzigmal dran, machen immer wieder die gleiche Geste, bis es dann endlich so aussieht und vergleichen sich im Detail mit den Influencerinnen, bis in die Zehenspitzen herein und versuchen bestimmte Gesten nachzumachen und da ihr Körper eben zum großen Teil nicht reicht, fangen sie dann an mit Filtern nachzubessern und zwar die Haut vor allen Dingen aber eben auch am Körper sich schlanker zu machen, Beine länger, Bauch dünner und so weiter - was ja auch ganz leicht geht mit Filtern, was aber heißt, mein eigener Körper reicht nicht.

MEDIEN360G: Was glauben Sie, woran liegt das?

Es war für Frauen schon immer schwierig, ein positives Verhältnis zu ihrem eigenen Körper zu haben. Und wir haben schon seit Generationen nur Frauenbilder in den Medien, die eben sehr schlank sind, sehr groß sind und die eigentlich nicht so aussehen, wie Frau eigentlich aussieht. Das hat aber in den letzten Jahren nochmal deutlich zugenommen und auf den sozialen Medien insbesondere bei Instagram kommt es eben zu wirklich einer Verschlankung der Körper, zu einer Einengung des Schönheitsideals, was dann Mädchen noch mal mehr unter Druck setzt. Man muss sich klarmachen, das ist eine Generation, die fotografiert sich mehr und postet sich mehr als jede vor ihnen. Deswegen stehen sie noch mal mehr unter Druck mit diesen Schönheitsideal.

MEDIEN360G: Was könnte denn getan werden, um hier entgegen zu wirken?

Zum einen, den Profis selber mehr Mut zu machen, mehr Individualität, mehr Ecken und Kanten, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind. Denn ihre Follower, die folgen ihnen und die machen es wirklich im Detail nach. Gleichzeitig brauchen wir mehr Medienkompetenz, wir müssen also mehr Mädchen, vor allen Dingen aber auch Jungs zeigen: Ihr müsst nicht so aussehen, das sind auch zum Teil keine echten Bilder, auch die haben nachgearbeitet und Schönheit heißt was ganz anderes. Schönheit ist eigentlich so wie wir sind.

MEDIEN360G: Was ist Ihnen bei der Untersuchung der Musikvideos aufgefallen?

Musikvideos sind für Jugendliche ein ganz wichtiges Medium. Achtzig Prozent nutzen das Ganze regelmäßig übers Handy, also im Prinzip jenseits der Wahrnehmung von Erwachsenen. Und da finden wir eine Welt, die derartig sexistisch und männerdominiert ist, dass es wie aus der Zeit gefallen scheint. Es gibt einige Künstlerinnen, die sich anders inszenieren, die meisten aber werden zum Beispiel typischerweise im Video ohne Kopf gezeigt. In jedem dritten Video gibt es einen Fokus auf die Brust, in jedem vierten eins aufs Gesäß. Das heißt, wir haben hier sexistische Mechanismen die vor allen Dingen dann Mädchen auch sagen, das ist das wie du nur erfolgreich wirst. Du musst dich selber sexualisieren. Und das ist natürlich gerade für Jugendliche mit einer ersten Begegnung mit Erotik und Sexualität nicht ganz unproblematisch.

MEDIEN360G: Wie wirken sich die sozialen Medien auf die analoge Welt aus?

Die Social Media Welt ist eine komplett eigene Welt und sie wird größer werden und sie eröffnet neue Chancen, also neue Möglichkeiten, sich zu inszenieren, sich auch sehr viel breiter aufzustellen. Und sie trifft eben ein Stück weit sowohl von der Nutzung als auch von den Inhalten das, was Jugendliche heute suchen. Das bieten wir ihnen in den analogen Medien einfach auch nicht an. Also insofern, es wird eher größer werden und es wird hoffentlich breiter werden und hoffentlich eben auch gerade, was das Schönheitsideal angeht sich einfach wieder mehr vervielfältigen.