MEDIEN360G im Gespräch mit... Prof. Dr. Mario Voigt

09. Mai 2019, 16:31 Uhr

Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt ist Experte für Wahlkampf. Er ist auch Professor für Digitale Transformation und Politik an der Quadriga Hochschule Berlin.

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"Parteien dürfen keine kommerziellen Daten, die sie zum Beispiel über Einkaufsdaten hinterlassen, mit offiziellen Melderegisterdaten kombinieren", erklärt der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt.

MDR FERNSEHEN Fr 03.05.2019 08:18Uhr 05:25 min

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MEDIEN360G: Sie sind bei MEDIEN360G, dem Portal des Mitteldeutschen Rundfunks für Medienthemen. Dieses Jahr ist ein Wahljahr. Dreimal werden wir also sozusagen an die Urnen gerufen, und die datengestützte Wähleransprache wird immer wichtiger. Dazu bin ich jetzt im Gespräch mit dem stellvertretenden CDU Landesvorsitzenden Mario Voigt. Er ist auch Professor für Digitale Transformation und Politik an der Quadriga Hochschule Berlin. Was bringt das Jahr, in Bezug auf diese Art, Wähler anzusprechen?

Mario Voigt: Parteien werden versuchen, natürlich maßgeschneiderte Angebote für den Wähler zu formulieren. Gleichzeitig gibt es klare datenschutzrechtliche Regeln, die alle demokratischen Parteien auch bindet, sorgfältig mit Daten umzugehen. In Deutschland gibt es eine Regel, dass man individuelle Daten nur bis auf sechs Haushalte herunter analysiert bekommen kann. Das bedeutet, dass wir einen sehr grobkörnigen Ansatz haben. Aber Parteien werden versuchen, dort das Beste daraus zu machen.

MEDIEN360G: Parteien können, das ist laut Bundesmeldegesetz zugelassen, Daten von Einwohnermeldeämtern kaufen aber auch natürlich von privaten Datenhändlern. Wie ist die CDU beispielsweise im Fall der Bundestagswahl damit umgegangen?

Mario Voigt: Wie alle anderen Parteien auch ist die CDU natürlich daran interessiert, mit den Inhalten die Wähler für interessant halten, zu kommunizieren. Trotzdem ist es so gewesen dass die CDU wie die SPD und auch andere per Brief oder eben auch in der Tür-zu-Tür-Ansprache versucht haben, Wähler zu erreichen. Trotzdem war das datenschutzrechtlich alles konform und hat eigentlich auch keine individuellen Rückschlüsse auf den Wähler zugelassen. Dafür sind die Daten in Deutschland einfach zu sehr geschützt.

MEDIEN360G: Bei der Bundestagswahl kam auch eine App zur Anwendung erstmals. Wird sie weiter verwendet, ist sie weiterentwickelt worden?

Mario Voigt: Ja die Applikation, die besonders auch Freiwillige unterstützen soll im Tür-zu-Tür-Wahlkampf, hat bei der bayerischen Landtagswahl Anwendung gefunden und wird sicherlich auch eine Rolle in der nächsten Bundestagswahl spielen. Das ist einfach ein Weg der Dinge, das Parteiarbeit eben sich auch technologisch weiterentwickelt. Trotzdem muss da keiner nervös werden, weil datenschutzrechtlich sind wir in Deutschland sehr gut aufgestellt, auch was die digitale Kommunikation in Social Media angeht und selbst jetzt ziehen ja sogar die Plattformen mit.

MEDIEN360G: Trotzdem spielt ja die passgenaue Ansprache der Wähler eine ganz große Rolle. Neu dazugekommen sind ja soziale Medien, soziale Medienkanäle. Wie wird zum Beispiel die CDU damit umgehen?

Mario Voigt: Ja auch eine CDU wird im Europawahlkampf, in den Landtagswahlkämpfen natürlich in bestimmten regionalen Kriterien oder eben auch nach bestimmten soziodemografischen Kriterien, also Alter oder eben auch Interessengebiete, Wähler im Netz ansprechen. Gleichzeitig ist es so, dass wir seit der Bundestagswahl 2017 klare Weiterentwicklungen auch auf den Plattformen, was Transparenz und eben was auch Sichtbarkeit von politischer Werbung in sozialen Medien angeht, (haben). Dementsprechend wird es für alle auch nachvollziehbar sein, wer jetzt gerade von welcher Partei, zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Thema angesprochen wird.

MEDIEN360G: Sie forschen ja auch zu diesem Thema. Wenn beispielsweise eine Partei, mal ganz allgemein gesprochen, von einem solchen privaten Datenhändler Daten kauft, wie genau sind diese Daten? Wir hinterlassen mit jeder Aktion im Internet ja Spuren.

Mario Voigt: Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen kommerziellen Anbietern und Parteien im Umgang mit Daten. Parteien dürfen keine kommerziellen Daten, die sie zum Beispiel über Einkaufsdaten hinterlassen, mit offiziellen Melderegisterdaten kombinieren. Das bedeutet, das ist verboten. Dementsprechend fehlen Parteien da ganz wesentliche Informationen, die große Unternehmen oder eben auch Marketing-Büros um die Ecke, alle haben, nämlich ein sehr präzises Bild über Sie. Deswegen sind Parteien eher darauf zurückgeworfen, sehr grobkörnig über Alter, Geografie, über bestimmte Interessengebiete, die Sie hinterlassen, Sie anzusprechen. Damit kommt es nicht zu diesem Daten-Matching, was wir in den USA zum Beispiel kennen, wo sehr präzise mit teilweise bis zu 3500 Einzelinformationen von einem Wähler, man sehr genau weiß, wie Sie ticken und so wie Sie dann auch angesprochen werden - großer Unterschied zwischen Deutschland und den USA und das hat sich jetzt noch verschärft.

MEDIEN360G: Sie haben es ja selber auch mal ausprobiert, was man aus diesen Daten, die man kaufen kann, rausholen kann. Wie war das Ergebnis?

Mario Voigt: Ja ich hab mir das für einen Ort angeschaut. Es ist ein kleines Dorf gewesen und wo ich auch einen Großteil der  Bevölkerung dort kenne, zumindest die CDU-Mitglieder. Die wurden nach der Wählerpotenzial-Analyse eines bestimmten Anbieters nicht mal als potenzielle Wähler meiner Partei gezeigt. Das zeigt mir eigentlich, ja mit welcher Ruhe man eigentlich als Wähler rangehen kann, weil die Daten-Grundlage so schlecht ist, das Parteien daraus jetzt keinen datengetriebenen Wahlkampf im engeren Sinne machen können.

MEDIEN360G: Letzte Frage: Ein Blick in die Zukunft. Wie wird sich das Thema weiterentwickeln?

Mario Voigt: Ich glaube, dass die Erwartungshaltung der Menschen sich generell in der Frage „Welche Daten haben welche Unternehmen oder eben Organisationen über jemand?“ sehr genau entscheiden werden, was sie von sich preisgeben. Da wird es auch Bürger geben, die sagen, ich möchte zielgenau, passgenau mit den Themen angesprochen werden, die für mich relevant sind. Deswegen werden die mehr preisgeben. Dann gibt es welche, die sagen, ich will komplette Privatheit und die müssen dann auch damit leben, dass sie quasi von allen Parteien auch alle Broschüren bekommen.

Zur Person Mario Voigt

Mario Voigt ist seit 2009 Mitglied des Thüringer Landtags. Seit 2014 ist er einer von drei stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU Thüringen. An der Quadriga Hochschule Berlin forscht und lehrt er seit 2017 als Professor für Digitale Transformation und Politik. In einer Studie analysierte er die Wahlkampfkampagnen der Parteien im Bundestagswahlkampf 2017.