Journalismus in der DDR Die Hand der Partei

29. Oktober 2019, 13:22 Uhr

„Rotes Kloster“ – das ist kein Ort der inneren Einkehr, sondern Synonym für die Kaderschmiede des DDR-Journalismus. Wer dort ausgebildet wird, ist linientreu – ganz im Sinne der Einheitspartei. Die Biografie von Karl-Heinz Röhr zeigt, wie eng Presse und Parteipolitik in der DDR verbunden waren. Eine Karriere, die 1990 abrupt endet.

Schriftzug "Hand der Partei" und eine zertrümmerte DDR-Fahne. Außerdem Bild von Karl-Heinz Röhr. 12 min
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"Ein besseres Deutschland zu schaffen, dem wollten wir uns als junge Journalisten widmen", sagt Karl-Heinz Röhr mit Blick auf seine journalistische Ausbildung in der DDR.

MDR FERNSEHEN Di 24.09.2019 12:59Uhr 11:32 min

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Das Rote Kloster ist ein rotes Villengebäude in der Leipziger Tieckstraße. Der Name ist Programm – dort bildet die DDR ab Anfang der 1950er Jahre junge Studenten zu linientreuen Journalisten aus. Gegründet wird das Institut 1954, mit offiziellem Namen Fakultät für Journalistik. Der ehemalige Weltbühne-Chefredakteur Hermann Budzislawski übernimmt die Leitung des Instituts als Dekan.

Arbeiter und Bauern an die Universitäten

Karl-Heinz Röhr stammt aus einfachen Verhältnissen und tritt 1949 eine Lehre im Braunkohlewerk an. Er ist Mitglied in Gewerkschaft und Freier Deutscher Jugend (FDJ). Seine Artikel in der Betriebszeitung über das Leben von Jugendlichen machen die Genossen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) auf ihn aufmerksam.

Nach einem Lehrgang und einem Volontariat beim Neuen Deutschland wird er zum Abitur an eine Arbeiter- und Bauernfakultät delegiert. Dort können Kinder von Arbeitern und Bauern Abitur machen. Seine Eintrittskarte für die Universität.

Es waren Leute wie ich, also auch Leute, die aus relativ einfachen Verhältnissen kamen. Wir haben eigentlich niemand gehabt, der von besonders gut gestellten Eltern gekommen ist. Wir waren alle irgendwelche jungen Arbeiter, also Leute, die einen Beruf gelernt hatten in einem Betrieb. Es waren eigentlich alles Gleichgesinnte, wenn man so will.

1960 hat Röhr das Diplom in der Tasche und kehrt drei Jahre später als Lehrender an die Universität Leipzig zurück.

Die Partei hat immer Recht

Wer aufsteigen will, muss sich nicht nur fachlich beweisen, sondern auch als Parteiarbeiter glänzen. Denn wie und was in den Medien berichtet wird, entscheidet die Einheitspartei. Auch am Roten Kloster ist sie omnipräsent. Sowohl Lehrkräfte als auch Studierende sind in Parteigruppen organisiert. Der Parteisekretär sagt den Genossen und Genossinnen, was laut Parteibeschlüssen zu tun sei.

Die Aufgabe des Journalismus in der DDR war vorbestimmt durch die herrschende Politik in der DDR. Die Journalisten waren die Hand der Partei auf dem Gebiet der politischen Propaganda und Agitation.

1978 wird Röhr Parteisekretär und hält die politischen Fäden der Sektion Journalismus in der Hand. Auf der einen Seite gelten an der Fakultät die Regeln der Wissenschaft, auf der anderen Seite die Regeln der Partei. Die fachliche Journalistenausbildung hat ein hohes Niveau.

Eine sozialistische Karriere

Der Junge aus einfachen Verhältnissen arbeitet sich vom wissenschaftlichen Assistenten über den Fachbereichsleiter Journalistische Methodik zum Professor hoch. Den Titel bekommt er 1989. Kurz danach endet die Karriere, denn das Institut wird abgewickelt.

Ich bekam einen Brief, dass ich mich bei einem Herrn Professor aus Hamburg evaluieren lassen soll. Das sollte also überprüfen, ob ich als Hochschullehrer die richtige, demokratische und fachliche Eignung habe, Journalisten auszubilden.

Röhr verweigert sich und geht 1992 in den Ruhestand. Vom frisch gebackenen Professor zum Frühpensionär, das ist nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein sozialer Abstieg für den damals 57-Jährigen.

Nach der Wende engagiert er sich als Geschäftsführer eines Journalisten- und Presseclubs, später wird er Leiter der Seniorengruppe des Roten Klosters. Viele der Ehemaligen sind mittlerweile über 80 Jahre alt. Karl-Heinz Röhr, heute 84, ist einer der letzten Zeitzeugen: Er war Teil der DDR, vom ersten bis zum letzten Tag.

Autorinnen und Autoren:

Max Gilbert, Paula Lochte und Vanessa Materla wurden alle drei nach 1989 geboren. Sie besuchen die Deutsche Journalistenschule in München. Karl-Heinz Röhr trafen sie 2018 in Leipzig im Rahmen der Konferenz Bildkorrekturen, auf der junge Journalistinnen und Journalisten mit Gästen zu wechselnden Themen diskutierten.