Medientage Mitteldeutschland 2022 Haben Regionalzeitungen eine Zukunft?
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31. Mai 2022, 14:43 Uhr
"Kaum ein Medium ist so oft totgesagt worden wie die Tages- und Regionalzeitung", lautet eine kühne These bei den diesjährigen Medientagen Mitteldeutschland. Das ist jedoch stark übertrieben. Aktuell erscheinen in Deutschland immer noch 307 lokale und regionale Tageszeitungen mit einer Auflage von 9,67 Millionen Exemplaren pro Tag. Zum Vergleich: Die deutlich bekannteren überregionalen Titel wie Welt, Süddeutsche oder FAZ kommen alle zusammen auf gerade einmal 780.000 Exemplare täglich.
Vor zehn Jahren waren es allerdings noch gut 3,5 Millionen Exemplare mehr. Und vor allem im Lokalen leidet die Zeitungsbranche weiter unter den Folgen der Corona-Pandemie. Weil sich der Einzelhandel noch nicht wieder erholt habe, sei das Geschäft mit lokalen Anzeigen weiter rückläufig, berichtet der Verleger Valdo Lehari vom Reutlinger Generalanzeiger, der auch im Präsidium des Verlegerverbandes BDZV sitzt. Auch die seit 2020 drastisch gestiegenen Papier- und Energiepreise sowie die Erhöhung des Mindestlohns für die Zeitungs-Zustellung setzen die Verlage unter Druck.
Lokaler Journalismus ist wichtig für die Gesellschaft
Für die meisten Menschen sind gerade lokale Informationen - und als Folge lokale Zeitungen - dabei enorm wichtig. Das belegt die aktuelle Studie "Zeitungsqualitäten 2022" der Zeitungsmarktforschung Gesellschaft (ZMG), die zum BDZV gehört. 90 Prozent der Befragten stimmten bei der Befragung der Aussage zu, lokaler Journalismus sei nicht nur für die persönliche Orientierung, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt sehr wichtig. Für 76 Prozent der Bevölkerung ist die lokale Tageszeitung "unverzichtbar und sinnvoll", wenn es um Themen rund um den eigenen Wohnort geht. Das Netz ist dabei für die Mehrheit kein Ersatz: 56 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die kostenfreien Artikel im Internet nicht ausreichen, um angemessen informiert zu sein.
Das deckt sich mit den Ergebnissen der MDR MEDIEN360G-Umfrage vom Herbst 2021 im MDR-Sendegebiet. Damals sagte mehr als ein Drittel der Befragten (34 Prozent) bei der nicht repräsentativen Umfrage, dass sie sich nicht (mehr) ausreichend über ihren Ort oder ihre Region informiert fühlen. Und gut ein Viertel der Antwortenden gaben an, dass nach ihrer eigenen Einschätzung das Angebot an lokalen Informationen in ihrer Region in den letzten Jahren zurückgegangen sei.
Funke und Madsack bei den Medientagen 2022
Auf den Medientagen Mitteldeutschland, die am 1. und 2. Juni in Leipzig stattfinden, wird daher auch wieder über Zukunftsmodelle für klassische Regionalzeitungen diskutiert. Dabei sein werden unter anderem Julia Becker, Verlegerin und Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe (u.a. Thüringer Allgemeine, TLZ, OTZ) und Hannah Suppa, Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung. Beide kennen die Problem der Branche. Funke hat Ende 2021 seine Druckerei in Erfurt geschlossen. Die LVZ ist Teil der überregionalen Zeitungsgruppe Madsack aus Hannover und bezieht viele Inhalte von deren Zentralredaktion - nicht immer zur großen Begeisterung ihrer Leserinnen und Leser.
E-Paper sind stark im Aufwind
Viele Verlage schöpfen aktuell Hoffnung aus dem Anstieg von E-Paper-Abonnements, also der optisch wie gedruckt aussehenden Zeitung in digitaler Form. "Papier ist knapp und wird immer teurer, die frühmorgendliche Zustellung der gedruckten Zeitung zunehmend schwierig. Das digitale Pendant zur Printzeitung braucht dagegen weder Papier noch lange Lieferwege, ist in der Handhabung flexibel und ortsunabhängig zu nutzen. Gute Gründe, warum E-Paper immer beliebter werden", heißt es in der Einleitung zu einer aktuellen Studie des BDZV zur E-Paper-Nutzung. Im ersten Quartal 2022 hat die E-Paper-Auflage der Zeitungen insgesamt um 13,9 Prozent zugenommen.
Das macht immerhin 2,44 Millionen Exemplare pro Erscheinungstag - und damit über ein Viertel der Gesamtauflage von knapp zehn Millionen Zeitungsexemplaren pro Tag aus. Laut BDZV erreicht das E-Paper dabei ganz unterschiedliche Nutzergruppen: Es gibt "Umsteiger", die statt zur gedruckten Zeitung jetzt zur digitalen Ausgabe greifen, aber auch neue Kundschaft, die zuvor keine gedruckte Zeitung gelesen haben. Vergleichsweise groß, so der Verlegerverband, ist aber auch die Gruppe der Doppelnutzer, die das E-Paper zusätzlich zur gedruckten Ausgabe beziehen. Und das wiederum zeigt: Der Weg, sich den neuen Bedingungen der digitale Welt anzupassen, ist für die Lokalzeitungen noch längst nicht zu Ende.