Pressefreiheit in Polen Droht die Zensur?
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06. März 2019, 18:15 Uhr
Seit der Machtübernahme durch die nationalkonservative PiS wird die Pressefreiheit in Polen immer mehr eingeschränkt. Kritische Journalisten geraten unter Druck seitens der Regierung.
Dorota Nygren hat 15 Jahre lang Radiosendungen produziert. Die gestandene Nachrichtenredakteurin muss sich jetzt mit der einfachen Recherchetätigkeit abfinden. "Es ist meine Strafe fürs Ungehorsam", erklärt sie. Als inhaltlich verantwortliche Redakteurin weigerte sie sich, in einer Nachrichtensendung die Nationalität eines Mannes zu nennen, der in Italien einen katholischen Priester angegriffen hatte. Der Täter kam aus Marokko und die Geschichte hätte sich wunderbar in die Antiflüchtlingsrhetorik der PiS eingefügt. "Es hätte den Mann stigmatisiert", sagt Nygren. Sie ist eine der wenigen kritischen Journalisten, die bei den öffentlich-rechtlichen Medien überhaupt noch arbeiten dürfen. Diese Medien unter die Staatskontrolle zu bringen, war einer der ersten Schritte der PiS nach der Machtübernahme 2015.
Geldstrafen und Einschüchterungsversuche
Für die regierungskritische Gazeta Wyborcza ist der politische Druck zum Alltag geworden. Sie schreibt über Skandale und Korruption. 2018 sind die PiS und verschiedene Staatsorgane gegen mehr als 50 Artikel der Zeitung juristisch zu Felde gezogen. Sie klagten auf Entschuldigungen und auch auf Geldbußen - jeweils bis zu 12.000 Euro. Doch der Artikel über die Verwicklung des PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski in die lukrativen Bauvorhaben hat den Politiker erst richtig wütend gemacht und er fordert die Staatsanwaltschaft auf, gegen Gazeta Wyborcza zu ermitteln, weil die Enthüllungen "gegen das öffentliche Interesse" verstießen. Die gesetzlich vorgesehene Strafe dafür ist Geldbuße oder Freiheitsentzug.
Einen Einschüchterungsversuch erfuhr der Fernsehsender TVN, der vom Rundfunkrat mit einem Bußgeld in Höhe von 350.000 Euro für eine kritische Live-Berichterstattung aus dem Parlament belegt wurde. Da der Sender zum amerikanischen Medienunternehmen Scripps Networks gehört, hat das State Department eingegriffen und Polen zur Achtung der Pressefreiheit gemahnt. Der Drohfinger des wichtigsten politischen Verbündeten war den Regierenden in Warschau so wichtig, dass die Strafe für den unbotmäßigen Sender ausblieb.
Proteste zeigen Wirkung
Die internationalen Proteste haben auch vor knapp zwei Jahren ihre Wirkung gezeigt, als die Ermittlungen gegen den investigativen Reporter Tomasz Piatek eingestellt wurden. Der Innenminister ließ gegen Piatek ermitteln, als dieser die Zusammenarbeit des Politikers mit den ehemaligen kommunistischen Sicherheitsdiensten enthüllt hatte. Die unabhängigen Medien und Journalistenverbände in Polen haben Hunderte Fälle vom wachsenden politischen Druck auf kritische Journalisten dokumentiert.
Wie viele ihre Arbeit verloren haben, ist eine Dunkelziffer, weil es sich oft um freie Mitarbeiter handelte, die nicht festangestellt waren. Doch allein beim polnischen Fernseher TVP waren es mehr als 300. Viele haben den Beruf gewechselt, andere schließen sich zu neuen Netzwerken zusammen und bilden Internetportale. Das vor drei Jahren entstandene und derzeit eines der bekanntesten investigativen Internetportale OKO.press berichtet regelmäßig über die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, der Pressefreiheit und der Menschenrechte.