Frauenbeine auf einem spiegelnden Fußboden.
Die neue Pro-Quote Studie zeigt: Die Gleichstellung von Männern und Frauen in deutschen Medienhäusern lässt weiterhin zu wünschen übrig. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Internationaler Frauentag und Medien Die Mächtigen in den Redaktionen

08. März 2023, 10:10 Uhr

Die meisten deutschen Medienhäuser sind nach wie vor weit davon entfernt, Frauen zu 50 Prozent an der Macht in den Redaktionen zu beteiligen, stellte im Januar 2023 eine Studie von ProQuote Medien bei Tageszeitungen und Online-Medien fest. Der MDR steht nach Berechnungen von MDR MEDIEN360G dagegen mittlerweile deutlich besser da. Bei journalistischen Leitungspositionen in den Redaktionen herrscht nach dem aktuellen MDR-Organigram sogar Gleichstand.

Von den zwölf redaktionellen Hauptabteilungen des MDR sind jeweils sechs männlich und sechs weiblich besetzt. Und auch bei den Abteilungs- und Redaktionsleitungen ergibt sich mit 29 zu 29 ein Gleichstand. Ausgezählt wurde über alle Standorte hinweg - also die Programmdirektionen Leipzig und Halle sowie die drei Landesfunkhäuser in Erfurt, Halle und Dresden. Die Bereiche Direktionen, Herstellungsleitung und Lizenzen wurden dabei nicht mit gewertet, weil es dort nicht um "redaktionelle Macht" im Sinne des ProQuote Medien-Ansatzes geht. Auch den KiKA haben wir als Kooperationsprogramm von ARD und ZDF nicht mit eingerechnet.

MDR hat aufgeholt

Die "Zentralen" Leipzig und Halle liegen übrigens im Vergleich zu den Landesfunkhäusern leicht vorn - was auch an jüngsten Personalveränderungen liegt. So leitet in Leipzig seit August 2022 Julia Krittian als "medienübergreifende Chefredakteurin Information und Innovation des MDR" die Hauptabteilung Aktuelle Information. Als ProQuote 2018 zum ersten Mal die öffentlich-rechtlichen Sender unter die Gender-Lupe nahm, hieß der Chefredakteur noch Stefan Raue und der Frauenanteil bei den Redaktions- und Abteilungsleitungen beim MDR im journalistischen Bereich lag bei nur 26,3 Prozent. Allerdings machen Umstrukturierungen und andere Faktoren diese Zahlen nur bedingt mit der heutigen Situation vergleichbar. Damals lagen die Deutsche Welle (51,9 Prozent) und der RBB (51,0 Prozent) weit vorne, auch der WDR, NDR und das ZDF befanden sich mit Werten um die 40 Prozent "auf dem Weg zu einer ausgeglichenen Teilhabe der Geschlechter in Spitzenpositionen", wie ProQuote seinerzeit schrieb.

Überregionale Zeitungen liegen vorn

Die jüngste ProQuote-Studie zu Zeitungen und Online-Medien zeigt nun, dass sich überregionale Leitmedien bei der redaktionellen Gleichstellung offenbar leichter tun als regionale Zeitungen. Hier sind "die weiblichen Machtanteile in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen", bilanziert ProQuote - von 13,7 Prozent bei der ersten Zählung im Jahr 2012 auf aktuell 38,9 Prozent. Ganz vorn liegt die taz mit ihren drei Chefredakteurinnen und einem Anteil von 64,2 Prozent, der letzte Platz geht an die FAZ mit 23,9 Prozent. In ihrem aktuell vierköpfigen "Herausgebergremium", das der Chefredaktion entspricht, saß noch nie eine Frau.

Regionalpresse bleibt Männerdomäne

Bei den Regionalzeitungen dominieren dagegen weiterhin Männer die Chefetagen "in krassem Ausmaß", so ProQuote: Der Frauenmachtanteil ist zwar von 9,5 Prozent im Jahr 2016 auf 18,2 Prozent bei der Erhebung 2022 angestiegen. Doch nur neun der 97 ausgewerteten Regionalzeitungen leiten heute ausschließlich Chefredakteurinnen. 77 sind rein männlich geführt, bei den restlichen gibt es Führungsteams aus Chefredakteurinnen und Chefredakteuren. Immerhin, so ProQuote, hätten dieses Mal alle Redaktionen geantwortet - "das war bei den vorherigen Studien noch nicht so", so Edith Heitkämper vom ProQuote-Vorstand.

Frauen für Kulturwandel in Unternehmen

"Diese Daten sind nicht Selbstzweck. Sondern sie sind Grundlage für das, worum es wirklich geht: Nicht nur Frauen zu positionieren, sondern einen Kulturwandel herbeizuführen", appellierte bei der Präsentation der Zahlen im Januar Ekin Deligöz (B90/Grüne). Frauen hätten zwar nicht immer eine "komplett andere Meinung, aber eine andere Lebenserfahrung als Männer", sie gingen anders an viele Dinge heran und kommunizierten anders, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium: "Das muss sich auch in den Leitungsebenen der Medien niederschlagen." Denn schließlich gäbe es hier auch für kommerzielle Unternehmen wie Verlage ganz handfeste Anreize: "In der Wirtschaft ist schließlich längst nachgewiesen, dass Frauen an der Spitze Unternehmen erfolgreicher machen und gerade auch in Krisenzeiten gemischte Teams besser funktionieren", so Deligöz mit Blick auf die schwierige Lage bei vielen klassischen Zeitungsverlagen, die mit Auflagen- und Anzeigenrückgängen bei gleichzeitig steigenden Kosten für Technik und Papier zu kämpfen haben.

Transparenz erzeugt Druck

Manchmal sind es dann auch ganz handfeste Argumente, die zu besserem Arbeiten führen: "Wenn um 16 Uhr die Kita zumacht, verbitten sich sinnlose Diskussionen. So wird’s für alle effizienter", sagte Deligöz. Sie ist eine Verfechterin von Quoten, nicht nur in der Politik - und Erhebungen wie der zur redaktionellen Machtverteilung. "Durch Zahlen steigt der Blick auf das Thema und erzeugt damit einen natürlichen Druck. Transparenz ist hier ein größerer Hebel als ein Gesetz."

Online noch unter 30 Prozent

Bei den 100 reichweitenstärksten deutschen Onlinemedien sind 35 von 121 Führungspositionen weiblich besetzt, was 28,9 Prozent entspricht. Frauen bleiben so auch drei Jahre nach der ersten ProQuote-Erhebung bei Online-Medien deutlich in der Unterzahl. Warum das so ist, konnte auch das Expertinnenpanel bei der Studienpräsentation nicht klären. Für die Entwicklung bei den Regionalzeitungen äußerte Sabine Schicketanz, Chefredakteurin der Potsdamer Neuesten Nachrichten, die Hoffnung, dass sich hier der positive Trend bei den Leitmedien niederschlägt. "Noch gibt es einen großen Automatismus, dass frei werdende Leitungsposten in den Redaktionen mit Männern besetzt werden. Aber vielleicht bewegen die neuen Zahlen auch etwas bei den regionalen Verlagen", so Schicketanz.

Mensplaining und Satire

Wie sehr sich der Kommunikationsstil von Männern und Frauen unterscheidet, machte in Berlin Titanic-Chefredakteurin Julia Mateus deutlich. Sie ist seit Herbst 2022 erste Chefin des "endgültigen Satiremagazins" (Titanic-Eigenwerbung). "Wenn ein Mann einen Witz in privater Runde macht, werde ich extra drauf hingewiesen: Das war jetzt n Witz!", so Mateus: "Und wenn wir bei der Titanic Angebote von Männern kriegen und die nicht nehmen, kommen Nachfragen, ob wir’s nicht verstanden haben und der Witz wird nochmal erklärt."

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