Bild-Collage mit Teilnehmenden des Panels "Das Zukunftsmodell der klassischen Regionalverlage". Am oberen Rand das Logo der Medientage Mitteldeutschland.
Bildrechte: MDR MEDIEN360G / Foto: Daniel Reiche

Medientage Mitteldeutschland 2022 Selbstkritische Töne aus den Verlagen

02. Juni 2022, 17:19 Uhr

Bislang waren an der Krise der Zeitungen immer die anderen schuld. Der Mindestlohn für die Zustellung mache das ganze Geschäft unrentabel, hieß es da. Die Öffentlich-Rechtlichen sabotierten im Netz mit ihren kostenlosen Angeboten die Erlösmodelle der Verlage. Und Google sei sowieso ganz schlimm. Bei den Medientagen Mitteldeutschland gab es jetzt überraschend selbstkritische Töne.

"Wir kommen aus einer Zeit, wo Sparmaßnahmen fast immer nur in den Redaktionen stattgefunden haben", sagte beim Panel "Das Zukunftsmodell der klassischen Regionalverlage" die Verlegin Julia Becker, Miteigentümerin und Aufsichtsratsvorsitzende der Funke-Mediengruppe. Jetzt müsse endlich der Wert der Journalistinnen und Journalisten wieder "stärker herausgestellt werden".

Funke gibt Fehler zu

Funke ist eines der größten Unternehmen im Geschäft mit regionalen Zeitungen und beherrscht mit der Thüringer Allgemeinen, der Thüringer Landeszeitung und der Ostthüringer Zeitung den  Pressemarkt im Freistaat. Aus der Konzernzentrale in Essen werden darüber hinaus Zeitungen im Ruhrgebiet (WAZ), die Braunschweiger Zeitung, das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost gesteuert. Der Konzern hatte seinen Titeln in den letzten Jahren massive Sparrunden verordnet. "Da ist Funke ein schlechtes Beispiel", gab Becker dann auch in Leipzig zu, "aber ich möchte das ändern."

Außerdem müssten die Verlage mehr investieren. "Wir warten nicht mehr, sondern haben uns auf den Weg gemacht und in Tools investiert, mit denen wir auf die Plattformen im Netz kommen", so Becker. Dies sei teuer, es sei aber unrealistisch "zu warten, bis unsere Branche sagt 'so geht das'" und eigene technische Lösungen entwickle.

Journalistische Transformation gefordert

Doch es kommt nicht nur auf ausreichend Personal in den Redaktionen und bessere Technik an. Auch journalistisch müsse ganz neu gedacht werden, forderte Hannah Suppa, Chefredakteurin der zur Madsack-Gruppe gehörenden Leipziger Volkszeitung (LVZ): "Wir brauchen nicht nur eine digitale Transformation, sondern auch eine Inhalte-Transformation in den Redaktionen." Bisher hätten viele Zeitungen nach dem Motto gehandelt, "welchen neuen digitalen Kanal können wir noch bespielen", so Suppa. "Jetzt müssen wir uns eher daran orientieren, was erwarten die Menschen?" Dabei sei es wichtig, auf die unterschiedlichen Zielgruppen einzugehen. So laufe eine Debatte, wie der Verkehr der Zukunft aussehen könnte, in der Großstadt ganz anders als in ländlichen Regionen. "Wir müssen kritischer sein mit unserem Journalismus", schließlich zeige sich gerade eine gewisse Nachrichtenmüdigkeit bei vielen Menschen. "Was Journalisten wichtig finden, ist vielleicht gar nicht wichtig für ihr Publikum", so Suppa. Daher sollten Zeitungen nicht Probleme aufzeigen, sondern sollten auch überlegen, wo es vielleicht schon Lösungen gibt. "Das wird sehr stark nachgefragt, weil Menschen sagen: Damit kann ich was anfangen, das hilft mir weiter", so die LVZ-Chefin.

LVZ schafft klassische Ressorts ab

Daher werden in ihrer Redaktion gerade die klassischen Ressorts wie Politik, Wirtschaft oder Kultur abgeschafft. "Das war in der klassischen Zeitungsdenke zu sehr aufs 'die Seite füllen' orientiert", so Suppa. Die Grundüberlegung müsse aber immer sein: "Was wollen die Leute wirklich wissen?". Dies will die LVZ jetzt durch ressortübergreifende Thementeams, beispielsweise für "Infrastruktur und Stadtentwicklung" erreichen.

Wichtig sei auch dabei die Wertschätzung für die Mitarbeitenden, die in den letzten Jahren eine deutliche Arbeitsverdichtung schultern mussten. Hier dürfe nicht weiter abgebaut werden, unterstrich nochmal Julia Becker: "Ich werde meine Journalistinnen und Journalisten nicht vor die Tür setzen, die brauchen wir."

Kritik an Öffentlich-Rechtlichen bleibt

Bei ein paar Punkten blieb allerdings alles beim Alten: Beim Mindestlohn für die Zeitungszustellerinnen und -zusteller forderte Becker finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung. Und auch die Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien im Netz sind den Verlagen nach wie vor ein Dorn im Auge. "Hier werden wir auch weiter juristisch gegen vorgehen", kündigte Becker an.

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