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Telemediengesetz auf der ZielgeradenNeue Spielregeln für Mediatheken und Internetauftritte

von Steffen Grimberg (Text) / Dagmar Weitbrecht (Beitrag)

20. März 2019, 16:44 Uhr

Was dürfen ARD, ZDF und Co. neben ihren klassischen Programmen im Internet anbieten? Das soll künftig das neue Telemediengesetz regeln, das am 1. Mai an den Start geht. Damit das klappt, müssen alle 16 Landtage dem Gesetzesvorschlag vorher zustimmen. Denn Medienpolitik ist Ländersache.

Der sächsische Landtag hatte schon am 14. Januar als einziger Landtag zu einer öffentlichen Anhörung zum neuen Telemediengesetz eingeladen. Expertinnen und Experten sowie Vertreter von ARD und ZDF, den Privatsendern und den Produzentenverbänden trugen hier den Abgeordneten ihre Meinung zu dem neuen Gesetz vor und wiesen auf Schwachpunkte und weiteren Änderungsbedarf hin.

Die wesentlichen Änderungen im neuen Telemediengesetz

I. Verweildauern werden aufgehoben oder verlängert

Wesentliche Änderungen soll es ab 1. Mai in zwei ganz unterschiedlichen Bereichen geben: Einmal bei der so genannten "Verweildauer". Sie regelt, wie lange bestimmte Inhalte der öffentlich-rechtlichen Anstalten in den Sendermediatheken stehen dürfen. Bislang galt hier die Faustregel: Sieben Tage nach Ausstrahlung, bei großen Sportereignissen wie wichtigen Fußballspielen sogar nur 24 Stunden. Angekaufte Filme und Serien, die nicht von den Sendern selbst produziert wurden, durften gar nicht in der Mediathek stehen.

Diese Regelung hatte sich schon in den letzten Jahren als nicht mehr zeitgemäß erwiesen. So stehen schon heute viele Dokumentationen und Magazine bei vielen Sendern deutlich länger im Netz. Die Rundfunkräte konnten bislang in einem sogenannten Verweildauerkonzept auch Online-Verfügbarkeiten bis fünf Jahre, z. B. für Bildungsinhalte, genehmigen. Die ARD verlängerte 2015 auch die Verweildauer ihrer Krimi-Reihe "Tatort" auf 30 Tage. Allerdings wurde dies von Sender zu Sender und von Mediathek zu Mediathek bislang noch sehr unterschiedlich gehandhabt. Das neue Telemediengesetz schafft nun Klarheit.

30-Tage-Frist für Programm aus Europa

Danach dürfen die Sender ihre selbst produzierten Programme jetzt unbegrenzt in die Mediatheken nehmen. Angekaufte Filme und Serien, die aus Europa stammen (so genannte "europäische Werke"), die bislang gar nicht eingestellt werden durften, können jetzt bis zu dreißig Tage nach deren Ausstrahlung angeboten werden, wobei die Abrufmöglichkeit grundsätzlich auf Deutschland zu beschränken ist. Ein Abruf eines solchen Films in der ARD-Mediathek zum Beispiel aus dem Spanien- oder Frankreich-Urlaub bleibt weiterhin untersagt. Auch andere internationale Filme, z.B. aus Hollywood, dürfen weiterhin nicht in der Mediathek stehen.

Neue Regelung für Sport und Online-Only-Inhalte

Sendungen von Großereignissen wie beispielsweise beim Sport dürfen künftig bis zu sieben Tage angeboten werden. Zudem erlaubt der neue Staatsvertrag den Sendern auch, Inhalte ausschließlich für das Internet zu produzieren, ohne dass parallel eine Ausstrahlung im Radio oder Fernsehen geplant ist. Das war bisher nur innerhalb der von den Rundfunkräten genehmigten Telemedienkonzepte erlaubt. Auch funk, das junge Angebot von ARD und ZDF, durfte das bislang. Das ZDF nutzt diese neuen Spielregeln bereits bei seiner Plattform zdf.kultur.

II. "Presseähnlichkeit" bleibt untersagt

Die zweite wichtige Neuregelung betrifft die Internetseiten von ARD, ZDF und Deutschlandradio: Vor allem bei Websites - im Fachjargon: "Telemedienangebote" - der ARD gab es von Seiten der Zeitungsverleger oft Beschwerden, diese enthielten zu viel Text und seien daher "presseähnlich", was auch nach dem bisherigen Telemediengesetz nicht erlaubt ist. In der Neufassung des Gesetzes heißt es jetzt auch weiterhin: "Die Telemedienangebote dürfen nicht presseähnlich sein. Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten, wobei Text nicht im Vordergrund stehen darf." Ausgenommen davon sind Angebotsübersichten, Sendungstranskripte, Informationen über die jeweilige Rundfunkanstalt sowie Texte, die Barrierefreiheit herstellen sollen.

Kompromiss der Öffentlich-Rechtlichen und der Verleger

Hierauf hatten sich die Vertreter der Verleger und der öffentlich-rechtlichen Sender im Sommer 2018 verständigt. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Verlegern eine Schlichtungsstelle eingerichtet wird, die sich mit Konfliktfällen beschäftigt.

Meinungen und Reaktionen zum neuen Telemediengesetz

Kritik der Produzenten

Bei der Anhörung im Januar kritisierten vor allem die Vertreter der Produktionsbranche die Neuregelungen bei den Mediatheken. Zwar sei eine längere Abrufbarkeit an sich kein Problem, die Produzenten und andere an den Programmen beteiligte Kreative müssten dafür aber mehr Geld bekommen, so die Forderung. Was ARD und ZDF dafür bislang anböten, reiche aber nicht aus. Der Dokumentarfilm-Verband AG dok forderte, entsprechende faire Vertragsbedingungen müssten direkt in den Gesetzestext aufgenommen werden.

Privatsender sehen sich unter Druck

Hans Demmel, Vorstandschef des Verbands vau.net, der vor allem die privaten Radio- und Fernsehsender vertritt, kritisierte vor allem, dass die privaten Sender nicht an den Diskussionen der Öffentlich-Rechtlichen mit der Politik beteiligt waren. Im Interview mit MEDIEN360G sagt Demmel, der bis März auch Geschäftsführer des zur RTL-Gruppe gehörenden Nachrichtensenders n-tv war, dass sich die privaten Sender gleich doppelter Konkurrenz gegenüber sähen: Sie würden im Netz zwischen den neuen Playern wie Netflix, der Telekom und Amazon Prime auf der einen und den öffentlich-rechtlichen Angeboten auf der anderen Seite eingezwängt.

MDR findet neues Telemediengesetz gut

Für den MDR bezeichnete dessen juristischer Direktor Jens-Ole Schröder die Regelungen mit den Verlegern als guten Kompromiss. Auch mit den Produzenten sei man ständig im konstruktiven Dialog. Von der Idee, Regelung zu Vertragsbedingungen direkt im Telemedienstaatsvertrag aufzunehmen, rät Schröder ab, da hier in erster Linie Urheberrecht berührt sei.

Deutschlandradio begrüßt Ende des Dauerstreits

Auch Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue gab den neu gefassten Regelungen zur Frage von Textangeboten im Netz gute Noten, da so der Dauerstreit zwischen den Verlegern und Öffentlich-Rechtlichen beigelegt werden könnte.

Abgeordnete hatten Fragen zur Schlichtungsstelle

Die Abgeordneten begegneten diesem Thema allerdings mit Skepsis und hatten vor allem viele Fragen zur geplanten Schlichtungsstelle. Doch die mussten noch warten: Wie dieses Gremium genau aussehen und wie es arbeiten wird, ist im Gesetz nicht weiter geregelt. Hier sind ab dem 1. Mai Verleger und öffentlich-rechtliche Anstalten in der Verantwortung.

Politik sieht Vorteile für Öffentlich-Rechtliche

Die Politik ist mit ihrem neuen Telemediengesetz jedenfalls zufrieden. Schon bei der Vorstellung des Entwurfs 2018 hatte die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Rheinland-Pfalz' Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), gesagt: "ARD, ZDF und dem Deutschlandradio gibt der Staatsvertrag die Instrumente an die Hand, die sie benötigen, um auch angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung und veränderter Nutzungsgewohnheiten ihren Auftrag zu erfüllen und ein zeitgemäßes (Online-)Angebot zu bieten."