Neue Spielregeln für die Onlinewelt Künftig tagt das Schiedsgericht
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Ein Schiedsgericht soll künftig Konflikte zwischen Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen über zu viel Text im Internet schlichten. Sender sollen sich schwerpunktmäßig um Videos und Audios kümmern. Und die sogenannte 7-Tage-Regelung wird abgeschafft.
Die für die Medienpolitik zuständigen Länder haben sich auf neue Spielregeln für die Internetauftritte der Öffentlich-Rechtlichen verständigt. Mit den am 14. Juni auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin vorgestellten Rahmenbedingungen soll der seit Jahren ausgefochtene Streit um die so genannte Presseähnlichkeit bestimmter Textangebote besonders der ARD zu den Akten gelegt werden. Allerdings bleiben die Kriterien schwammig.
Schwerpunkt Bewegtbild und Ton
Die neuen Spielregeln für ARD, ZDF und Deutschlandradio schreiben fest, dass die Sender ihre Portale und Apps "im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton" gestalten sollen. Textbeiträge sollen dabei gerade "nicht im Vordergrund stehen". Grundlage für die Einigung war ein Kompromiss zwischen den Anstaltsintendanten und den Verlegerverbänden, von denen einige gegen ARD-Angebote vor Gericht geklagt hatten. Streitpunkt war das bereits heute geltende Verbot der Presseähnlichkeit bei Inhalten, die sich nicht ganz konkret auf einzelne Sendungen beziehen, wie beispielsweise die verschriftlichten Manuskripte von Radiobeiträgen im Deutschlandfunk.
Bei Konfliktfällen soll künftig eine noch einzurichtende Schiedsstelle, deren Vertreter von den Anstalten und den Verlegern besetzt werden, vermitteln. Damit hofft man, langwierige Prozesse wie den mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Streit um die Tagesschau-App der ARD zu vermeiden.
Inhalte länger im Netz
Ein weiterer Diskussionspunkt unter den Beteiligten war die Verweildauer von Angeboten in den Mediatheken. Zwar wird es hier auch künftig Beschränkungen geben, um privaten Sendern nicht zu viel Konkurrenz zu machen. Allerdings bekommen die öffentlich-rechtlichen Sender mit dem geplanten Telemedienauftrag die Aufgabe "zeit- und kulturgeschichtliche Archive mit informierenden, bildenden und kulturellen Inhalten" aufbauen, die dann auch dauerhaft im Netz bleiben dürfen. Die sogenannte "7-Tage-Regelung" soll aus dem Rundfunkstaatsvertrag gestrichen werden.
BDZV-Chef Mathias Döpfner sieht "nur Gewinner"
"Die jahrelange Debatte hat sich gelohnt. Mit der Einigung ist eine gute Voraussetzung geschaffen worden, um das duale Mediensystem in Deutschland zu stabilisieren. Es gibt heute nur Gewinner", sagte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. "Auf den ersten Blick unterscheidbar zu sein, ist gut für alle – und wenn es eine Breaking-News-Situation gibt, wird niemand etwas dagegen haben, wenn auch die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Online-Angeboten zunächst in Textform reagieren."
Alle ARD-Intendanten waren für den Kompromiss
Die ARD begrüßte die Einigung. Auf der Pressekonferenz in Berlin sagte der ARD-Vorsitzende, BR-Intendant Ulrich Wilhelm, man habe "es zunehmend belastend gefunden, dass die Handlungsfähigkeit unter uns allen nicht mehr gegeben war. Wenn in der digitalen Welt alles immer schneller wird, ist es störend, dass wir beim Problem Text nicht weiterkommen." Daher habe man in der ARD diskutiert, was "wir an Zugeständnissen machen und was wir durch den Kompromiss gewinnen". Nach Abwägung der Argumente seien am Ende alle neun ARD-Intendanten bereit gewesen, zuzustimmen, so Wilhelm.
Für den Durchbruch entscheidend waren laut Döpfner "die handelnden Personen und Vertrauensverhältnisse". Vor zwei Jahren war ein Kompromissvorschlag noch am Widerstand einzelner ARD-Intendanzen gescheitert.
Malu Dreyer: "Paradigmenwechsel"
Rheinland-Pfalz‘ Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), welche die für die Medienpolitik zuständige Rundfunkkommission der Länder leitet, begrüßte auf der PK den "Paradigmenwechsel mit Blick auf die Vergangenheit". Nun komme es auf darauf an, den Geist der Vereinbarung zu leben", so Dreyer: "Wenn wir so weitergemacht hätten, würde die Gefahr bestehen, dass uns das gesamte System um die Ohren fliegt". Nun werde der jahrelange Streit über das "Buchstabenzählen" auf den Websites der Sender "abgelöst durch konstruktive Diskussion miteinander", so Dreyer: "Es kommt nicht auf ein Wort mehr oder weniger an."
Das Online-Angebot des Deutschlandradios (DLR) muss wie ein Radioprogramm aussehen, in welcher Form auch immer, sagte DLR-Intendant Stefan Raue: "Ich kann diesen Kompromiss gut mittragen."
Umsetzung dauert in der ARD wohl ein Jahr
Wilhelm betonte auf Nachfragen, dass auch die Kompromissformel weitere "Unbestimmte Rechtsbegriffe" wie "Schwerpunkt" enthielten, die nun der Auslegung bedürften. "Das ist keine Sache, von der ich in jedem Fall versprechen kann, dass es sich von selbst ergibt, hier muss man sich immer den konkreten Einzelfall ansehen", so der ARD-Vorsitzende. Ob das noch zu bildende Schiedsgericht dann im konkreten Fall angerufen werde, sei Sache der Verleger. "Unser Ziel ist nun, diese Begriffe so auszulegen, dass sich ein möglichst einheitliches Bild der ARD ergibt", ohne deren regionale Vielfalt und Besonderheiten auszuhebeln, so Wilhelm: "Das wird nicht über Nacht gehen, das wird rund ein Jahr dauern".
Kritik von den Grünen
Kritik am nun erzielten Kompromiss gab es dagegen von Grünen: "Leider haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit diesem Vorschlag alles andere als eine Grundlage für ein zeitgemäßes und modernes Internetangebot vorgelegt", sagte die für Netzpolitik und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuständige Sprecherin, Tabea Rößner. Die Einigung sei bestenfalls ein "Kompromiss, "es ist aber leider nicht mehr, sondern eher weniger. Denn die Vorschläge für die Neugestaltung des Telemedienauftrags insbesondere bezüglich der Presseähnlichkeit sind rückwärtsgewandt, wenn nicht sogar verfassungswidrig", so Rößner.