Kritisch und kontroversWie führt man Interviews mit Politikern?
Interviews zu führen, ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Journalisten. Vor allem Interviews mit Politikern sind eine hohe Kunst. Denn um knallhart argumentieren zu können und Worthülsen zu entlarven, braucht es mehr als nur eine gute Vorbereitung. Doch was tun, wenn der Interviewpartner permanent ausweicht oder sich angegriffen fühlt? MEDIEN360G hat mit den gestandenen Journalisten Henriette Löwisch und Friedrich Küppersbusch über die Kunst der politischen Interviewführung gesprochen.
Mehr als ein Duell
Ein Interview sollte im Idealfall nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch etwas über den Interviewten aussagen. Dieser Meinung ist zumindest Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen Journalistenschule München. Ein gelungenes Interview gehe über die Sachebene hinaus und zeige auch: Was ist der Befragte für ein Mensch?
Gerade im politischen Interview sollte der Interviewer Souveränität ausstrahlen und nicht permanent lächeln oder nicken, findet sie. Das könne sonst bestätigend oder anbiedernd wirken. Sie zitiert dazu die italienische Journalistin Oriana Fallaci: „Das beste politische Interview ist wie ein Duell.“ Und trotzdem sei immer wichtig, respektvoll miteinander umzugehen. Ein Interview mit einem Politiker ist nach dieser Argumentation also immer eine Gratwanderung zwischen: Ich lasse den Anderen ausreden, und: Ich hake ein und frage kritisch nach.
Henriette Löwisch bedauert, dass es in der heutigen Fernsehlandschaft kaum noch längere politische Interviews gibt:
Gerade in einer Zeit, in der so aggressiv gestritten wird - unter anderem auch in den sozialen Medien und online - wäre es schön, zu verlangsamen und zu sagen: Wir nehmen uns Zeit für ein ausführliches Interview.
Wie in einem Duell seien auch in einem politischen Interview kleine Scheinangriffe und Finten erlaubt, um Aussagen mit einem Neuigkeitswert zu generieren. Diese dürften aber nie die Ebene des Respekts verlassen. "Man muss sich als Journalistin oder Journalist immer überlegen, dass der Mensch, der einem gegenüber sitzt, auch aufstehen und gehen könnte. Dazu hätte er auch jedes Recht. Deshalb muss der Umgang respektvoll bleiben, aber natürlich kann man in diesem Rahmen auch provozieren. Das ist eine Frage der Balance."
Der Journalist gibt die Richtung vor
Grundsätzlich sei entscheidend, dass der Interviewer das Thema vorgibt - gerade bei schwierigen Gesprächspartnern. Er muss sich also genau überlegen, wonach er fragen will und so das Themenspektrum definieren.
Der wichtigste Tipp von Henriette Löwisch: Neben aller Vorbereitung muss man zuhören können! "Ein Interview lebt davon, dass der Interviewer dem Interviewten auch tatsächlich zuhört und einhakt. Die Zuschauer merken schnell, wenn das nicht passiert."
Henriette LöwischDie Journalistin Henriette Löwisch ist seit 2017 Leiterin der Deutschen Journalistenschule München. Zuvor hat sie acht Jahre in den USA Umwelt- und Wissenschaftsjournalismus gelehrt. Außerdem war sie Auslandskorrespondentin und Chefredakteurin der Nachrichtenagentur AFP (Agence France-Presse).
Die journalistische Gratwanderung
Ein Interview sei eine "schief gegangene Begegnung" zwischen zwei Menschen, sagt Friedrich Küppersbusch. Normalerweise verlaufe ein Gespräch so: Beide fragen, beide antworten. Bei einem Interview aber frage nur einer, und der andere antwortet. So beschreibt es Küppersbusch, der seit vielen Jahren im politischen Journalismus aktiv ist - unter anderem als Moderator und Produzent einer politischen Talkshow.
Die Aufgabe eines politischen Interviews sieht Küppersbusch in erster Linie darin, Nachrichten zu produzieren. Es gehe also darum, Äußerungen einzuholen, die einen Neuigkeitswert haben. Darüber hinausgehend sei das Ziel aber immer auch, "die Authentizität, die Kredibilität, die Wahrhaftigkeit" des Gesprächspartners zu finden.
Eine gute Vorbereitung sei zentral. Trotzdem sollte man im Kopf behalten, dass ein Interview ein Gespräch zwischen zwei Menschen sei. Die Schwierigkeit liege darin, dass es in einem politischen Interview immer auch um Schärfe, um Nachhaken, um Investigation gehe - laut Küppersbusch mehr oder weniger aggressive Begriffe. Trotzdem gehe man auf der zwischenmenschlichen Ebene im Normalfall freundlich miteinander um. Das sei eine Gratwanderung, die der Interviewer bewältigen muss.
Ich muss dem Gesprächspartner glaubhaft rüber bringen: Ich finde es gut, dass du mit mir redest. Ich bin bereit, zuzuhören. Ich bin bereit, wahrzunehmen, was du zu sagen hast. Ich bin nicht gekommen, um in dich fünf Euro reinzuschmeißen, damit da unten anstatt einer Schachtel Kippen eine Schachtel O-Töne rauskommt.
Ein weiterer Zwiespalt, in dem sich Journalisten im politischen Interview befänden, sei, die Erwartung der Zuschauer zu befriedigen, ohne wichtige Gesprächspartner vor den Kopf zu stoßen. "Ich bin im Wettbewerb und möchte natürlich gern bestimmte Politiker in der Sendung haben, und die Zuschauer erwarten, dass ich 'draufhaue'."
Dazu käme die Professionalisierung der Politiker, die in der heutigen Zeit häufig genau geschult werden, wie sie sich vor der Kamera bewegen und wie sie auf Fragen antworten.
Ein Spitzenpolitiker gibt in der Woche zehn, 20, 30 Interviews. Wie viele machen wir? Eins, zwei? Das ist dann fast immer wie ein Pokalspiel: Ein Bundesligist hat Glück und kriegt einen Drittligisten zugelost. Das Publikum sieht das nicht so. Für das Publikum sind wir Journalisten immer die starke Seite.
Ein wichtiger Tipp gegen Worthülsen, Kampfbegriffe und Schlagworte ist für Küppersbusch immer die Konkretisierung. Wenn zum Beispiel ein Politiker eine "Überfremdung durch Asylanten" anspricht, sei es sinnvoll, direkt nachzufragen: "Was heißt das jetzt konkret? Wo sind Sie zu Hause in Ihrem Dorf von Asylanten überfremdet? Ist es im Vorgarten, ist es auf dem Bürgersteig? Wo stehen die da bei Ihnen?"
Das große Ziel im politischen Journalismus ist es für Friedrich Küppersbusch, Politik im Verlauf abzubilden - die ureigene Aufgabe eines Reporters.
Also ich glaube, dass auch 'Wir müssen diese politische Forderung stellen, aber es bricht mir das Herz' eine interessante Nachricht ist. Oder 'Ich beuge mich da dem Fraktionszwang', oder 'Ich habe meinen Gedanken da auch noch nicht fertig‘... Wenn wir da hin kämen: Wir dokumentieren keine fertigen Ergebnisse, sondern bilden ab, was geschieht.
Friedrich Küppersbusch......ist Journalist, Autor und Produzent. Nach seiner Laufbahn als Radio- und TV-Moderator (u.a. ZAK, WDR/ARD) gründete er die Produktionsfirma probono mit. Die produzierte beispielsweise die mit dem Deutschen und Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnete n-tv-Sendung maischberger (2000–2006).
2013 ist er wieder auf den Bildschirm zurückgekehrt. Bis zur Bundestagswahl moderierte er das tagesaktuelle Format „Tagesschaum“, das auf YouTube und im WDR ausgestrahlt wurde. Außerdem verfasst er eine wöchentliche Kolumne in der „taz“, Kommentare bei RadioEINS/RBB und NordWestradio/RB/NDR.