Entscheider im Verborgenen Algorithmen im Alltag
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23. April 2019, 09:20 Uhr
Unzählige Internetseiten, zu viele Facebook-Posts: In den Weiten des Internets muss jemand für Übersicht und Ordnung sorgen. Diesen Job übernehmen Algorithmen. Wie? Das steht (soweit man es weiß) hier.
Hallo und herzlich willkommen bei 360Google, der Suchmaschine des MDR! Tippen Sie einfach ein, was Sie wissen wollen, und wir bemühen uns, weiterzuhelfen!
*SUCHE*: Algorithmus was soll das
Ein Algorithmus ist laut Duden ein „Rechenvorgang, der nach einem bestimmten (sich wiederholenden) Schema abläuft“. Ein Algorithmus macht also immer das, was man ihm vorher gesagt hat - der Traum eines jeden Elternteils.
Was genau er wie errechnet, kann sehr viele Schritte miteinander kombinieren und entsprechend kompliziert werden. Dabei ist das Ziel eines Algorithmus total einfach, nämlich in komplexe Zahlenreihen Struktur zu bringen. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der Google-Algorithmus. Er bestimmt in Sekundenschnelle, welche Websites in welcher Reihenfolge als Ergebnis einer Google-Suche angezeigt werden.
*SUCHE*: Algorithmus Rhythmus
Stimmt, ein Algorithmus sorgt in unübersichtlichen Zahlenhaufen für Strukturen, ähnlich wie ein Rhythmus in der Musik. Verwandt sind die Begriffe dennoch nicht: Seinen Namen verdankt der Algorithmus dem arabischen Universalgelehrten Abu Dschaʿfar Muhammad ibn Musa al-Chwārizmī, der sich schon im 9. Jahrhundert mit Zahlen herumplagte. Al-Chwārizmī - Algorithmus. So kam das.
*SUCHE*: Google
Google ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das zum Konzern Alphabet gehört. Zudem ist es der Name einer Suchmaschine…
Oh, das wollten Sie gar nicht wissen? Damit ein Algorithmus gut funktioniert, muss man ihn mit exakten Informationen versorgen. Was genau war Ihre Frage?
*SUCHE*: Google Algorithmus wie funktioniert das
"Du suchst Antworten, nicht Milliarden von Webseiten. Deswegen durchsuchen die Ranking-Systeme von Google Milliarden von Webseiten in unserem Suchindex und präsentieren dir nützliche und relevante Ergebnisse im Bruchteil einer Sekunde."
So erklärt Google selbst seinen Algorithmus. Dieser ist sehr, sehr, sehr, sehr komplex, wird ständig angepasst und in all seinen Details als Geschäftsgeheimnis gut behütet. Ein paar allgemeinere Informationen sind aber bekannt. Berücksichtigt wird bei der Sortierung etwa, wie aktuell ein Beitrag und in welcher Sprache er verfasst ist, und wo die Person, die gerade „leckere Pizza“ googelt, sich befindet. Außerdem wird die Quelle berücksichtigt. Inhalte von Nachrichtenangeboten landen etwa bei einer Suche nach „Radfahren Leipzig“ weiter oben in der Ergebnisliste als die Website des örtlichen Fahrradladens.
Mehr zur Person Matthias Spielkamp
Matthias Spielkamp studierte Philosophie, Volkswirtschaftslehre und Politologie in Frankfurt/M., Hannover und Berlin sowie Journalismus an der University of Colorado at Boulder.
Er ist Mitgründer und Herausgeber des Online-Informationsangebots iRights.info, Mitgründer der Plattform AlgorithmWatch und Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen.
*SUCHE*: Google Algorithmus individualisiert
Ich sehe, Sie kennen sich aus. Denn es stimmt: Google berücksichtigt bei der Sortierung auch sehr individuelle Faktoren - zum Beispiel, auf welche Ergebnisse Sie bei der vorangegangenen Suche geklickt haben und auf welche nicht.
Wie bei allem, was Google mit seinem Algorithmus macht, weiß man auch hier nicht genau, was alles Berücksichtigung findet, und wie stark die Ergebnisse angepasst werden. Zur Bundestagswahl 2017 hat in Deutschland mit dem Projekt Datenspende ein Experiment stattgefunden, das den Einfluss eher gering ansieht. Über ein kleines Programm im Internetbrowser haben im Vorfeld der Wahl etwa 4400 Menschen Google-Suchen zu Begriffen wie „Angela Merkel“ oder „SPD“ angestellt. Danach wurden fast sechs Millionen Suchergebnisse ausgewertet und festgestellt: Egal, wer vor dem Rechner saß, so unterschiedlich waren die nicht.
*SUCHE*: Facebook Algorithmus
Auch die persönliche Timeline bei Facebook wird von einem Algorithmus sortiert. Ich sehe also nicht alles, was meine Freunde und Seiten, denen ich folge, posten, sondern nur einen Teil. Nach welchen Faktoren dabei vorgegangen wird, darum machen Facebook wie Google ein großes Geheimnis. Einiges ist aber öffentlich und damit bekannt.
So wird zum Beispiel berücksichtigt, wie eng die Verbindung zwischen zwei Nutzern ist. Wenn ich mit einer Freundin täglich private Nachrichten über den Facebook-Messenger austausche und alle ihre Fotos like, dann sehe ich ihre Inhalte eher als die des Ex-Kollegen, dessen Freundschaftsanfrage ich nur aus schlechtem Gewissen angenommen habe und den ich seitdem ignoriere.
Mehr zur Person Tobias Krafft
Tobias Krafft studierte Informatik und Sozioinformatik an der Technischen Universität Kaiserslautern. In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit algorithmischen Entscheidungssystemen. Er ist am Algorithm Accountability Lab der TU Kaiserslautern tätig.
Außerdem spielt es eine Rolle, wie oft ein Beitrag geteilt, geliked und kommentiert oder ein Link geklickt wird. Je mehr Interaktionen ein Post hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er in meiner Timeline auftaucht. Darüber hinaus sind auch die Aktualität und die Art des Inhalts wichtig. Fotos und Videos werden etwa öfter angezeigt als reine Texte.
Unter Medien sorgte im Januar 2018 die Ankündigung von Mark Zuckerberg für Panik, in Zukunft eher Posts von Freunden anzuzeigen als die von Seiten, denen man folgt. Falls Sie sich in der Vergangenheit gewundert haben sollten, warum sie bei Facebook mehr über die Urlaube ihrer Cousine, dafür weniger von den Facebook-Seiten von MEDIEN360G oder mdr Aktuell erfahren: daran liegt das.
Generell ist wichtig zu wissen, dass der Algorithmus bei Facebook zwei Ziele verfolgt: In der Masse an Posts den Überblick zu behalten und nur die anzuzeigen, die Sie als Nutzer am meisten interessieren. Und: Sie möglichst lange auf der Plattform zu halten. Denn nur wenn Sie Ihre Zeit bei Facebook und nicht etwa bei Twitter oder im Schwimmbad verbringen, kann Facebook ihnen auch Anzeigen anzeigen und damit Geld verdienen.
Ein besonders krasses Beispiel für dieses Ziel eines Algorithmus hat im vergangenen Jahr die New York Times bei Youtube aufgedeckt. In Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Chemnitz hat sie festgestellt, dass die Plattform immer extremere Beispiele als nächstes Video vorschlug. Vom Nachrichtenbeitrag über die Vorfälle landete man so schnell bei rechter Hetze und Verschwörungstheorien. Je emotionaler der Inhalt, desto schwerer ist es, wegzuklicken, so die Theorie dahinter.
*Suche*: Algorithmus soziale Netzwerke abschalten
So lange wir alle viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringen und viele Posts dort absetzen, wird es Algorithmen geben, die sortieren und für Übersicht sorgen. Und das sogar, wenn uns das gar nicht passt.
Das haben die Nutzer von Instagram erfahren, als dort 2016 ein Algorithmus eingeführt wurde. Vorher floss einfach alles chronologisch sortiert in die Timeline ein. Viele wollten, dass das so bleibt, doch die Proteste blieben unerhört. Seitdem wird nach ähnlichen Faktoren wie bei Facebook sortiert.
Ein ähnlicher Kampf läuft bis heute bei Twitter.
Du kannst wählen, ob du in deiner Timeline zuerst die besten Tweets oder die neuesten Tweets (nur Twitter für iOS und Android) anzeigen möchtest. Die besten Tweets sind Tweets, an denen du wahrscheinlich das größte Interesse hast. Wir wählen sie basierend auf den Accounts und Tweets aus, mit denen du am meisten interagierst, und berücksichtigen noch viele weitere Faktoren,
erklärt das Netzwerk selbst.
Wer gerne alles ohne Sortierung sieht und regelmäßig die App öffnet, muss aber damit leben, dass immer mal wieder automatisch auf die kuratierte Auswahl umgeschaltet wird.
*SUCHE*: Leben ohne Algorithmus
So negativ sollte das jetzt gar nicht klingen: Das Internet ist ein großer Ort, und Algorithmen helfen uns dort bei der Orientierung. Blöd ist nur, dass wir nicht genau wissen, nach welchen Kriterien die Sortierung läuft. Wer bei Facebook oder Google unterwegs ist, sollte daher im Hinterkopf behalten, dass es einen Algorithmus gibt, den ein privatwirtschaftliches Unternehmen programmieren ließ - und die verfolgen immer Ziele. Dazu gehört auch, dem Nutzer ein besonders gutes Ergebnis zu liefern, aber auch, ihn möglichst lange auf der eigenen Plattform zu halten.