Teasergrafik: Fünf stilisierte Influencer Typen durch eine Lupe betrachtet.
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Fünf Influencer-Typen, fünf Motive Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Geld

12. November 2021, 10:03 Uhr

Längst nicht alle Influencerinnen und Influencer treten heute an, um das große Geld zu machen. Viele gieren nach Aufmerksamkeit, andere wollen ihren Followerinnen und Followern helfen und Rat geben, wieder andere wollen die Welt durch ihr Handeln ein Stück besser machen. Der Influencer-Begriff wurde kompliziert in den letzten Jahren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Hochschule Macromedia haben mit einer Studie Licht in das Motivations-Dunkel gebracht und eine Typologie erstellt.

Influencerinnen und Influencer gibt es scheinbar überall. Auf YouTube, Instagram, zunehmend auch auf der Streaming-Plattform Twitch. Doch der Begriff ist nach wie vor schwammig. Was macht Influencerinnen und Influencer wirklich aus?

"Influencer handeln aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus", sagt Medienwissenschaftler Florian Haumer. Er ist Professor für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia. Haumer und sein Team haben letztes Jahr eine große Studie gestartet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten herausfinden, welche Werte Influencerinnen und Influencer vertreten. Im Rahmen der Studie wurden dafür Influencerinnen und Influencer aus Deutschland, England, Polen Frankreich, Spanien, Italien und den USA befragt - über 21.000 füllten den Fragebogen vollständig aus.

Influencer-Begriff ist veraltet

Porträt von Prof. Dr. Florian Haumer
Prof. Dr. Florian Haumer | Hochschule Macromedia Bildrechte: Macromedia / Wolfgang Riess

Der Influencer-Begriff wird in der Studie sehr weit gefasst. "Influencer sind für uns Menschen, die auf verschiedenen Social-Media-Kanälen mehr oder weniger professionell Content produzieren und veröffentlichen", sagt Haumer.

Den Begriff Influencer hält der Kommunikationswissenschaftler allerdings für veraltet. Denn längst nicht alle Online-Persönlichkeiten, die als Influencer bezeichnet werden, wollen auch wirklich jemanden beeinflussen, wie es der ursprüngliche Wortsinn suggeriert. "Man muss nicht irgendwelche Produkte verkaufen, um Influencer zu sein", so Haumer. Passender findet er den Begriff Content-Creator. Aber der Influencer-Begriff sei nun mal stärker etabliert.

Eine einheitliche Definition gibt es nicht

Auch Prominente und Stars aus den Bereichen Sport, Kunst und Kultur fallen für Haumer unter die Influencer-Definition, auch wenn ihre Social-Media-Aktivitäten nicht der Grund für ihre Berühmtheit sind. „Sobald Promis einen Instagram-Account aufmachen, sind sie Influencer“, sagt Haumer, „denn sie machen das ja nicht zum Spaß für ihre Freunde, sondern wollen aus ihrer Berühmtheit oft nochmal Profit schlagen. Und sobald sie irgendwas posten, haben sie ganz automatisch Einfluss auf ihre Follower“.

Nicht alle Forschenden gehen allerdings von einem so weiten Influencer-Begriff aus. Eine Studie im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zur Wirkung von Influencer-Werbung an Kinder aus diesem Jahr schließt beispielsweise Promis aus, wenn die ihre Bekanntheit ausschließlich außerhalb des Social-Webs erlangt haben. Auch Personen, die keinen Bezug zu Produkten oder Organisationen herstellen, sind für die KJM-Studie keine Influencerinnen oder Influencer. Es bleibt also kompliziert, denn eine allgemeingültige Definition gibt es bisher nicht.

Influencer-Motive fast immer emotional verankert

Für die Studie der Hochschule Macromedia haben Haumer und sein Team eine Influencer-Typologie erstellt. Sie haben die genannten Motivationen der befragten Influencerinnen und Influencer zusammengefasst und sind so auf fünf verschiedene Typen gekommen. Fast alle Motive sind psychologisch und emotional verankert.

1. "Die RationalistInnen": Profit an erster Stelle

"RationalistInnen" würden am ehesten der traditionellen Influencer-Definition entsprechen, wollen also andere Menschen beeinflussen – und damit Geld verdienen. Der eigene Anspruch an die Qualität des Contents sei bei "RationalistInnen" sehr hoch – und werde vom Publikum erwartet, so die Ergebnisse des Forschungsteams. Sie seien besonders auf Instagram, TikTok und YouTube unterwegs.

Influencer-Experte Florian Haumer warnt allerdings davor, "RationalistInnen" nur in die Werbeschublade zu stecken. "Grundsätzlich machen auch 'RationalistInnen' professionellen Content, das ist keine reine PR", so Haumer. "Die machen schon gute Tests von Produkten, sagen aber auch, was blöd an ihnen ist." Aber am Ende würden natürlich trotzdem fast immer Geld oder Waren fließen.

Beispiele:

Eine der bekanntesten Influencerinnen Deutschlands, macht Werbung für Beautyprodukte auf allen Kanälen.

Ist Fußballtorwart bei Eintracht Frankfurt, setzt sich, aber gern auch für Produkte wie Parfüm oder Hafermilch, in Szene und macht so seine Bekanntheit zusätzlich zu Geld.

2. "Die Extrovertierten": Aufmerksamkeit als Währung

"Extrovertierten" geht es nicht in erster Linie um Geld. Von Produktplatzierungen sind sie zwar nicht abgeneigt. Ihre eigentliche Währung sei allerdings Anerkennung. Sie würden ihre Community über Themen informieren wollen, die in ihrem Leben eine Rolle spielten. Im Gegenzug würden sie die aufrichtige Aufmerksamkeit ihrer Follower erwarten. "Die brauchen einfach Likes", erklärt Florian Haumer.

Vielen "Extrovertierten" sei es wichtig, sich bei ihren Followern zu beweisen. 9 von 10 "Extrovertierten" wollen laut der Macromedia-Studie bei den Abonnentinnen und Abonnenten ihre fachliche Kompetenz unter Beweis stellen. Ihr Handeln sei oft darauf ausgelegt, ihren eigenen Ruf zu verbessern. Besonders oft seien "Extrovertierte" auf Netzwerken mit visuellem Fokus wie Instagram, Snapchat und Pinterest anzutreffen.

Beispiele:

Jeden Tag das Outfit of the day – kurz OOTD. Das ist das Versprechen in der Instagram-Selbstvorstellung von Claudia Skop.

Rachel Serrano hat ihren Lebensmittelpunkt in Miami und bereist aus beruflichen Gründen – sie arbeitet als Model – die Welt. Typisch für diese Kategorie der Influencerinnen und Influencer: Sie ist auf nahezu jedem Foto selbst zu sehen und erweckt den Eindruck eines Traumlebens.  

3. "Die IdealistInnen": Die Weltverbesserer

Der Hauptantrieb von "IdealistInnen" sei weder Geld noch Selbstdarstellung, sondern Altruismus, also der Hang zur Selbstlosigkeit. "IdealistInnen" würden etwas Gutes bewirken wollen. Oft beschäftigten sie sich mit Dingen von gesellschaftlicher Relevanz. Am liebsten seien "IdealistInnen" auf Instagram unterwegs, viele auch auf Twitter.

Ihr zweitliebster Kanal sei allerdings die Livestreaming-Plattform Twitch. "Das hat mich an unserer Studie besonders verwundert", sagt Professor Haumer. Die erfolgreichste Kategorie auf Twitch sei mittlerweile "Just Chatting". Ein Mensch sitzt vor seiner Webcam, erzählt etwas und interagiert mit seinem Publikum. "Da gibt’s natürlich auch ganz viel Schmarrn", sagt Haumer, "aber es gibt auch echt viele Leute, die über sehr interessante Themen reden". Zwar hätten die Twitch-Streamerinnen und -Streamer für gewöhnlich keine so große Fangemeinde wie ihre Kolleginnen und Kollegen auf Instagram, "aber dafür hören die Leute auch stundenlang zu und schauen nicht nur ein Mini-Video in der Story an".

Beispiele:

Setzt sich für ein nachhaltigeres Leben ein, möchte mit ihren Posts aber „Inspirieren statt Missionieren“, gibt daher Tipps von Seife selbst herstellen über Plastikvermeidung bis zum Online-Bierbraukurs.

Macht regelmäßig Livestreams auf der Plattform Twitch. Spricht dort gern über Nachhaltigkeit, faire Mode und Politik. Die Aufrufzahlen der Streams schwanken sehr stark. Betreibt außerdem den Online-Shop Ferchandise, der nachhaltiges Merchandise für die Influencer-Branche verkauft.

4. "Die ExpertInnen": Glaubwürdigkeit an erster Stelle

Die Motive von "ExpertInnen" liegen laut Kommunikationsprofessor Haumer genau zwischen denen der "IdealistInnen" und denen der "Extrovertierten". Als ein typisches Beispiel für "ExpertInnen" nennt Haumer Fitness-Influencerinnen und -Influencer. Sie wären einerseits selbstlos wie "IdealistInnen", "die wollen den Leuten schon zeigen: Schaut mal, das ist eine gute Übung für deine Bauchmuskeln. Aber die wollen eben auch ihre Bauchmuskeln zeigen." Der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung sei also auch gegeben.

Besonders wichtig sei den "ExpertInnen", als sehr glaubwürdig in ihrer Community angesehen zu werden. Oft hätten sie ein Kernthema, das ihnen viel bedeutet und in dem sie sich besonders gut auskennen würden.

Beispiele:

Präsentiert Workouts für alle möglichen Muskelpartien, ist fast immer mit freiem Oberkörper vor der Kamera, schreit gern, um sein Publikum zu motivieren.

Posiert in allen möglichen Yoga-Posen auf Instagram und präsentiert Yoga-Übungen auf YouTube. Hat es zu Bekanntheit in der Szene gebracht, war beispielsweise Covergirl für Women’s Health.

5. "Die StorytellerInnen": Großes Mitteilungsbedürfnis

Für "StorytellerInnen" sei das wichtigste psychologische Motiv die "Selbstoffenlegung". Sie hätten ein großes Mitteilungsbedürfnis. Wenn sie Produkte präsentieren, würden sie die Berichte intensiv mit ihren eigenen Erfahrungen und Geschichten spicken, so die Ergebnisse des Forschungsteams. Außerdem müssten Produkte gut in Storys integriert werden können. Die beliebtesten Plattformen für "StorytellerInnen" seien Instagram, TikTok und der eigene Blog.

"Insgesamt sind 'StorytellerInnen' sehr auf sich bezogen", erklärt Medienmanagement-Professor Haumer. Sie haben das große Bedürfnis, sich der Welt mitzuteilen. "Daher handeln sie auch nicht hauptsächlich aus ökonomischen Gründen, sondern eher aus einem emotionalen Bedürfnis heraus", so Haumer.

Beispiele:

Hat kaum "Standard-Fotos", setzt sich, seine Motive oder die Produkte, für die er wirbt, sehr kreativ in Szene.

Machen unterhaltsame Videos zu gesellschaftlich relevanten Themen, sind dabei oft selbst im Vordergrund und stellen Bezug zu ihrem Leben her.

Geld ist nicht das einzige Motiv

Die Motive von Influencerinnen und Influencern sind also ganz unterschiedlich – und sie variieren von Land zu Land. Längst nicht alle, die sich in den sozialen Netzwerken präsentieren, suchen das große Geld. Trotzdem: Laut der Studie ist die profitorientierte Gruppe der Rationalistinnen und Rationalisten weltweit die größte – rund 28 Prozent der Influencerinnen und Influencer zählen dazu.

Deutschland dagegen nennen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zugespitzt "das Land der 'IdealistInnen'". Die Influencerinnen und Influencer, die die Welt verbessern wollen, bilden hier mit über 35 Prozent die größte Gruppe.


Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, Claudia Skop leite im realen Leben die Brautmoden-Marke Brautblüte mit Filialen in Köln, Düsseldorf und Krefeld. Das ist nicht korrekt. Die Gründerin und Inhaberin der Brautblüte ist Jenna Walter.