Von Watergate bis Panama-Papers Enthüllungsjournalisten - Freund und Feind zugleich

In den Siebzigerjahren deckten zwei Lokalreporter der Washington Post, Carl Bernstein und Bob Woodward, die Verstrickungen der Regierung beim Watergate-Skandal auf. Nixon legte im Zuge der Ermittlungen sein Amt nieder – einmalig in der Geschichte der US-Präsidenten. Aus den beiden amerikanischen Journalisten wurden lebende Reporter-Legenden. Am 14. Februar feiert Carl Bernstein nun seinen 75. Geburtstag.

Mann sitzt an Schreibmaschine. Jemand flüstert ihm was ins Ohr. Schriftzug Watergate. 7 min
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Es liest sich wie ein Krimi und ist doch Realität: Am frühen Morgen des 17. Juni 1972 brechen fünf Männer in das Watergate-Gebäude in Washington ein. Sie führen Wanzen und Fotoapparate mit sich. Der US-Präsidentschaftswahlkampf ist bereits in vollem Gange und die Demokratische Partei nutzt die 29 Büros im 6. Stock als Hauptquartier. Das Ziel der Einbrecher ist, belastbares Material zu finden, das die Demokraten in Misskredit bringt. Amtierender Präsident zu der Zeit ist der Republikaner Richard Nixon. Das FBI vermutet Verstrickungen bis in die höchste Regierungsebene und startet seine Ermittlungen. Zwei bis dato noch unbekannte Lokalreporter werden hellhörig.

Carl Bernstein beschrieb seinen Coup von damals wie folgt:

Eine Story als liege man in einer warmen Badewanne und dann wird es heißer und heißer und heißer.

Er war damals erst Ende 20, als er die Geschichte über die Hintergründe des Einbruchs in der Washington Post veröffentlichte. Zusammen mit seinem Reporter-Kollegen Bob Woodward hatte er zu den Auftraggebern im Umfeld Nixons recherchiert.

Treffen in der Tiefgarage

Die amerikanischen Journalisten trafen ihre Informanten heimlich in einer Tiefgarage. Die Quelle agierte unter dem Decknamen „Deep Throat“. Die Hinweise, die er den beiden Männern zuspielte, waren entscheidend für die Aufdeckung des Skandals um den Einbruch in der Parteizentrale. Über drei Jahrzehnte blieb die Quelle anonym bis sich Deep Throat 2005 entschied, seine Identität preiszugeben. Hinter dem Informanten steckte Mark Felt, damals stellvertretender FBI-Direktor.

„Ich habe nichts falsch gemacht,“, sagte Mark Felt dem Fernsehsender CNN. „Jemand aus dem inneren Machtzirkel hatte die Wahrheit sagen müssen. Jemand, der ehrlich und glaubwürdig ist. Ich habe mein Möglichstes getan, das FBI auf dem richtigen Kurs zu halten. Ich fühle mich deswegen nicht schlecht.“

Die Arbeit der beiden Reporter gilt auch heute noch als Meilenstein des investigativen Journalismus. „Was Woodward und Bernstein geschafft haben, war ja einen Skandal aufzudecken, über den schon viel rumort ist im politischen Washington. Es gab Gerüchte, es gab Informationen, die sich verifizieren ließen, manche aber auch nicht. Und die beiden blieben dran, sie haben sich eine Quelle nach der anderen erschlossen.“, sagt Federik Obermaier, Investigativ-Reporter der Süddeutschen Zeitung.

Zwischen Geheimhaltung und Überwachung

Opener zur Serie "Meilensteine der Mediengeschichte" 4 min
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In den Siebzigerjahren deckten zwei Lokalreporter der Washington Post, Carl Bernstein und Bob Woodward, die Verstrickungen der US-Regierung beim Watergate-Skandal auf. Präsident Nixon legte daraufhin sein Amt nieder.

Mi 13.02.2019 15:37Uhr 03:55 min

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Laut Carl Bernstein braucht die heutige Politik mehr Männer vom Schlage eines Mark Felt. Obermaier hält den Schutz einer hochrangigen Quelle heute allerdings für schwer umsetzbar: „Ich glaube nicht, dass es heute so leicht möglich wäre, eine Quelle, die so hochrangig ist wie Mark Felt, über so einen langen Zeitraum hinweg zu kontaktieren, zu treffen und damit Informationen zu verifizieren.“ Er kritisiert die permanente Überwachung durch mobile Endgeräte. „Wir leben in einer Zeit, in der alles überwacht wird. In der wir alle das beste Überwachungsgerät in unseren Taschen haben - unser iPhone. Wo es auf den Straßen sehr, sehr viele Kameras gibt, wo alles getrackt und nachverfolgt wird. Da müsste man heute viel mehr Zeit und Mühe reinstecken, um solche Treffen geheim zu halten.“, so Obermaier.

Ein neues Watergate

Seine bisher größte Enthüllungsgeschichte geht ebenfalls auf einen Informanten zurück. Eine anonyme Quelle hatte ihm und seinem Kollegen Bastian Obermayer 2,6 Terabyte Daten zugespielt. Sie enthielten Informationen zu mehr als 200 000 Briefkastenfirmen. Gemeinsam mit internationalen Medienunternehmen hatte die Süddeutsche Zeitung aufgedeckt, wie die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca ihre Kunden beriet, Geld über Briefkastenfirmen im Ausland zu verbergen – darunter auch Fußballspieler Lionel Messi, der saudi-arabische König, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Vertraute Wladimir Putins. Sie deckten die Steuer- und Geldwäschedelikte von zahlreichen Unternehmen und Privatpersonen auf – die sogenannten Panama-Papers. Frederik Obermaier sagt, er wisse bis heute nicht, wer sich hinter der anonymen Quelle verbirgt.

Kein Informantenschutz

Doch ohne den Whistleblower wären die Machenschaften nicht ans Licht gekommen. Die derzeitige Situation von Whistleblowern bereitet ihm Sorgen: „Es gibt – auch Jahrzehnte nach Deep Throat – immer noch keinen vernünftigen Whistleblower-Schutz in Deutschland und in Europa.“

Ganz pauschal, muss man leider sagen, ist die Situation beschissen.

Frederik Obermaier

Die EU-Kommission will Whistleblowern künftig besser vor Verfolgung schützen. Sie soll unter anderem Firmen oder Behörden ab einer bestimmten Größe verpflichten, ein internes Meldesystem aufzubauen. Obermaiers Blick richtet sich aber auch nach Amerika: Er kritisiert, dass hier Informanten, die Betriebsgeheimnisse der Öffentlichkeit zuspielen, nur im Bereich von Unternehmen und Banken geschützt werden, nicht jedoch bei Sicherheitsbehörden. „Das sieht man an Edward Snowden, der einen der größten Überwachungsskandale weltweit aufgedeckt hat und nun im Zwangsexil in Russland ist. Oder an Chelsea Manning, die aufgedeckt hat, wie amerikanische Soldaten unter anderem Journalisten getötet haben und ebenfalls ins Gefängnis musste.“

Von Watergate bis heute

Im Zuge der Recherche von Carl Bernstein und Bob Woodward wurden damals rund 40 Menschen festgenommen. Der amtierende Präsident Richard Nixon selbst will damals zwar nichts von dem Einbruch gewusst haben, aber da er die Ermittlungen von Justiz und Polizei behinderte, leitete der Kongress ein Amtsenthebungsverfahren ein. Bevor es jedoch zur finalen Enthebung kam, trat Nixon als Präsident zurück – bis dato einmalig in der amerikanischen Geschichte. Am 8. August 1974 – knapp zwei Jahre nach dem Einbruch in das Watergate-Gebäude – beendete er seine politische Karriere.

Für Obermaier gelten Carl Bernstein und Bob Woodward nach wie vor als Vorbilder und sagt: „Diese Hartnäckigkeit versucht jeder in seinem Arbeitsalltag sich so ein bisschen abzuschauen und beizubehalten.“