Begriffsgeschichte Was sind Fake News?
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Falschmeldungen über aktuelle Ereignisse führen in den Medien immer wieder zu Debatten über Fake News. Was aber ist mit dem Begriff "Fake News" genau gemeint, und wie gelangte der Begriff in den deutschen Sprachgebrauch? Hier ein kurzer Überblick:

Eine Meldung aus dem Südwesten Deutschlands erregte am 24. März 2018 die Gemüter: Der für engagierten Regionaljournalismus bekannte rheinneckarblog meldete einen schweren Terroranschlag mit Hunderten Toten und Verletzten in Mannheim. Exklusiv und gegen ein umgehend erfolgtes Dementi der Polizei. Dass, suggerierte Autor Hardy Prothmann, liege an einer von der Polizei verfügten Nachrichtensperre, um den Ball möglichst flach zu halten. Die Auflösung, dass es sich um eine frei erfundene Geschichte handelt, erfolgte erst hinter der Paywall des rheinneckarblogs. Prothmann rechtfertigte sich später im Blog, er habe mit der Inszenierung Aufmerksamkeit für "mögliche Bedrohungslagen, aber auch für Fake News" schaffen wollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch das Vortäuschen schwerer Straftaten.
Ursprung und frühe Verwendung des Begriffes "Fake News"
Was aber sind Fake News eigentlich? Zunächst einmal handelt es sich, wie die direkte Übersetzung schon sagt, um nichts anderes als "falsche Nachrichten". Falschmeldungen sind unter vielen Begriffen – wie zum Beispiel "Zeitungsente" – schon seit dem Aufkommen der ersten Massenmedien im 19. Jahrhundert in Gebrauch und bezogen sich vor allem auf irrtümliche Falschmeldungen. Allerdings sind auch frühe "Fake News" immer wieder mit politischer Intention eingesetzt worden – von der Urkundenfälschung bei der "Konstantinischen Schenkung" bis zu den Flugblättern der Reformationszeit.
Der erste aktenkundige Verweis für den Begriff findet sich laut dem US-amerikanischen Wörterbuch Webster’s Dictionary um 1890 in Zeitungsartikeln, als ein Minister der US-Regierung Berichte über seine Politik als "Fake News" bezeichnete und Zeitungen dies aufgriffen. Zum feststehenden Ausdruck wurde der Begriff im englischen Sprachraum aber erst ab der Jahrtausendwende, als Late-Night-Shows wie "The Daily Show" oder "The Onion" Fake News als Mittel der Satire einsetzten. Ein deutsches Beispiel ist "Der Postillon", der dies mit dem Untertitel "Ehrliche Nachrichten – unabhängig, schnell, seit 1845 Satire" auch unmissverständlich deutlich macht.
Fake News in sozialen Medien und im deutschen Sprachgebrauch
Mit solchen satirischen Ansätzen oder der Bedienung von Schlüsselreizen für bestimmte Zielgruppen und Communities ging es zunächst auch im Netz los, vor allem in den sozialen Medien. Ziel war dabei zunächst weniger politische Meinungsmache oder direkte Manipulation, sondern möglichst viele Nutzer auf die entsprechenden Seiten zu locken – vorwiegend aus kommerziellem Interesse. Als Bezeichnung für dieses Phänomen gelangte der Begriff "Fake News" auch in den deutschen Sprachraum, konnte sich aber zunächst nicht gegen etablierte Begriffe wie Hoax (Streich) durchsetzen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch (omni)präsent wurde der Begriff "Fake News" im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über den Brexit in Großbritannien und vor allem mit den US-Präsidentschaftswahlen im November 2016. Bei beiden politischen Entscheidungen operierte vor allem eines der beteiligten Lager mit gezielten Falschmeldungen und unrichtigen Behauptungen – wie zum Beispiel Angaben über Gelder, welche nach einem EU-Austritt in das britische Gesundheitssystem zurückfließen würden oder diverse Anschuldigungen des US-Präsidenten Donald Trump gegen seine Gegenkandidatin Hillary Clinton.
Spätestens seit 2016 gehört zur Fake News also eine bewusste Täuschungsabsicht dazu. Anders als eine bloße Falschmeldung, die auch zufällig passieren oder den Umständen geschuldet sein kann, geht es immer um Vorsatz und ein konkretes, meist politisches, Ziel. Der Begriff, 2016 auch zum "Anglizismus des Jahres" gekürt, besetzt so auch eine Lücke in der deutschen Sprache: Der klassische Begriff "Falschmeldung" ist neutral und verrät nichts über die dahinter liegende Absicht – "Hoax" bezieht sich sehr viel enger auf den satirisch-spielerischen Bereich des "Hereinlegens".
Bedeutungswandel unter Donald Trump
Unter US-Präsident Donald Trump erhielt der Begriff "Fake News" nochmals eine Erweiterung: Auf einer Pressekonferenz am 11. Januar 2017 "beantwortete" er kritische Nachfragen von Journalisten der "New York Times" oder CNN mit dem Vorwurf: "You're Fake News!" Damit sind für Trump alle Nachrichten Fake News, die ihm nicht passen – und gleichzeitig Kampfbegriff für ungeliebte, ihm kritisch begegnende Medien. Trump sprach über CNN immer wieder als "Fake News Network" und bezeichnete das US-weite Network NBC als "Fake NBC", während ausgerechnet Trump-treue Medien wie Fox News und der einflussreiche konservative Lokalsenderverbund Sinclair Broadcast Group ihre Nutzer warnten: "Manche Medien nutzen ihre Macht, den Leuten exakt vorzuschreiben, was sie denken sollen". Damit hat Trump die bisher gültigen Spielregeln im Journalismus/Mediengeschäft einseitig aufgekündigt.
Fake News – Desinformation
David Mikkelson, Gründer und Chefredakteur des ältesten US-Factchecking-Dienstes "Snopes" hält den Begriff Fake News wegen dieses Bedeutungswandels und der Instrumentalisierung durch Trump mittlerweile für nutzlos: "Der Begriff hat seine Bedeutung verloren als der Präsident die Bezeichnung für alles verwendete, was ihm nicht gefiel. Wir sollten uns eine neue Begrifflichkeit ausdenken." Auch der frühere MDR-Social-Media-Redakteur Marc Biskup sagt: "'Fake News' ist einfach zu schwammig, er [Anm. d. Red.: der Begriff] kann nicht sauber abgegrenzt werden."
Eine allgemein gültige oder gar juristische Definition des Begriffs "Fake News" gibt es derzeit nicht. In der seit dem Sommer 2016 verbreiteten Verwendung bezeichnet er nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes beim Deutschen Bundestag absichtlich falsche Nachrichten, die eigens zum Zweck der viralen Verbreitung über das Internet und die sozialen Netzwerke produziert wurden.
Auch ARD aktuell, die Redaktion hinter "tagessschau" und "tagesthemen" hat angekündigt, künftig auf den Begriff "Fake News" zu verzichten. Hier soll nun lieber von "Desinformation" die Rede sein, schrieb Kai Gniffke als damaliger Erster Chefredakteur bei ARD aktuell, in seinem Blog.
Gniffke war mit anderen Medienmachern, Vertretern der Netzwelt und Wissenschaftlern seit Januar 2018 Teil einer so genannten High-Level-Expertengruppe der EU-Kommission zum Thema, die Ende März ihre Ergebnisse vorgelegt hat. Nach der EU-Definition umfasst Desinformation alle Arten von falschen, irreführenden Informationen, mit denen die Öffentlichkeit getäuscht und/oder Geld im Netz verdient werden soll. Parodien und Satire sind dabei ausdrücklich ausgenommen.
Der Bericht schlägt auch Maßnahmen vor, um langfristig Desinformation vorzubeugen und die Drahtzieher dahinter zu entlarven. Dazu gehört mehr Transparenz bei Online-Medien – z.B. wer sind die Betreiber und Gesellschafter einer Online-Plattform –, einfache Selbstchecks für Nutzerinnen und Nutzer, wie man Desinformation erkennt und generell einen Ausbau der "Media and Information Literacy" – zu Deutsch: Medienkompetenz.