Wenn Algorithmen Texte schreiben Kollege Roboter – Journalist der Zukunft?
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Eine Maschine gewinnt den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Was zunächst ziemlich absurd klingt, zeigt zugleich, worin Experten die großen Chancen von Textautomatisierung sehen. Die Stuttgarter Zeitung hat mit ihrem „Feinstaubradar“ die Auszeichnung in diesem Jahr abgeräumt. Sind solche maschinengenerierten Texte der Anfang vom Ende journalistischer Arbeit? Was steckt dahinter und welche Zukunft haben sie?
„Wenn sie einen Text mehr als zweimal schreiben müssen, dann ist er eigentlich ein Automatisierungskandidat“, sagt Frank Feulner, Strategievorstand bei AX Semantics. Die Softwaretüftler aus Stuttgart haben einen Webservice für Textautomatisierung entwickelt. Ihre Kunden haben sie nicht mehr nur im E-Commerce-Bereich, sondern inzwischen auch bei Verlagen.
Rund ein Fünftel der Verlage in Deutschland gibt Umfragen zufolge an, Roboterjournalismus einzusetzen, zu testen oder zu planen. Textautomatisierungsprogramme schreiben inzwischen Fußballberichte, Börsenmeldungen und Wettervorhersagen.
Ich kenne keinen Kollegen, der gern 80 Mal einen ähnlichen Text verfassen möchte.
Die Stuttgarter Zeitung lässt täglich Feinstaubberichte vom Kollegen Roboter verfassen. Die Maschine verarbeitet dabei eine Flut an Daten. Hunderte Messstationen im Großraum Stuttgart liefern ständig neue Feinstaubwerte, jeder kann damit die aktuelle Luftverschmutzung in seinem Viertel mit ein paar Klicks abrufen. Ein Service, der ankomme, sagt Redakteur Jan Georg Plavec. Dass Textroboter irgendwann Journalisten ersetzen könnten, widerspricht Plavec. „Es geht nicht darum, Arbeitsplätze einzusparen, sondern Sachen zu machen, die man mit Menschen nicht machen würde.“
Die Journalisten hätten so außerdem mehr Zeit für die eigentliche journalistische Arbeit, so Plavec. Interviews führen oder recherchieren könne die Maschine schließlich noch nicht.
Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung halten Leser maschinengenerierte Texte sogar für glaubwürdiger als vom Menschen geschriebene Artikel. Professor Andreas Gräfe von der Macromedia Hochschule in München sieht den Grund dafür bei den Daten. „Dadurch, dass diese Texte sehr datenbasiert sind, kommen auch viele Zahlen in diesen Texten vor und vielleicht vermittelt das den Eindruck von Glaubwürdigkeit“, so Gräfe.
Großes Potenzial im Lokaljournalismus
Das Potenzial sogenannter Textroboter sieht Andreas Gräfe vor allem im Lokaljournalismus. Hier gebe es viele Datenmengen, über die aktuell niemand berichtet. Ein prominentes Beispiel seien Fußballspiele in unteren Ligen und im Jugendbereich, über die Journalisten kaum berichten.
Trotz aller Chancen, auch Maschinen sind vor Fehlern nicht sicher, angefangen von Rechtsschreibproblemen bis hin zu inhaltlichen Fehlern. Andreas Gräfe nennt als Beispiel die Berichterstattung über den Aktienkurs des US-Unternehmens Netflix. „Eine Nachrichtenagentur hatte einen maschinengenerierten Text veröffentlicht, dass der Kurs um 70 Prozent gefallen ist, in Wahrheit hatte sich der Kurs verdoppelt. Das lag daran, dass die Aktie gesplittet wurde und der Algorithmus das nicht erkannt hat“, erklärt Gräfe.
Am Ende sind sich Hersteller, Anwender und Experten einig, dass die automatisierte Textgenerierung eines von vielen Tools im Newsroom sein wird und es in einigen Jahren normal sein wird, dass bestimmte Texte von Algorithmen vorgeschrieben und am Ende von Journalisten verfeinert werden.