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Corona und die MedienEinstieg in die direkte Presseförderung

16. November 2020, 09:06 Uhr

Klickzahlen und Kurzarbeit: In der Corona-Pandemie befinden sich viele Medienunternehmen auf einer Achterbahnfahrt. Während die Zugriffe auf ihre Online-Angebote und ihre Reichweiten steigen, müssen sie gleichzeitig Personal nach Hause schicken. Und hiermit ist ausnahmsweise mal nicht das aktuell im Lockdown light wieder fast überall gängige Homeoffice gemeint.

von Steffen Grimberg

Vor allem freie Journalistinnen und Journalisten trifft es besonders hart. Sie leiden unter dem Sparkurs bei vielen Verlagen und vor allem privaten Sendern, die wegen ausbleibender Anzeigen-Einnahmen deutlich weniger Aufträge vergeben als in den Vorjahren.

1,5 Milliarden Euro weniger Werbeeinnahmen

Der Zentralausschuss der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) schätzt, dass wegen Corona 2020 die für private Medien so wichtigen Netto-Werbeumsätze um rund sechs Prozent niedriger als im Vorjahr ausfallen. 2019 klingelten über alle Mediengattungen hier fast genau 25 Milliarden Euro in den Kassen. 2020 dürften die Einnahmen um rund 1,5 Milliarden geringer ausfallen. Dieser Rückgang ist zudem nicht gleichmäßig verteilt.

Die Online-Werbung konnte im Vergleich zu 2019 noch einmal zulegen und macht laut ZAW mittlerweile 40 Prozent der gesamten Werbeumsätze aus. Damit klettert die Werbung im Netz 2020 auf den zweiten Platz hinter dem Hauptwerbemedium Fernsehen. Bei den Tageszeitungen setzt sich dagegen die Talfahrt beschleunigt fort. Das setzt die durch Auflagenrückgänge ohnehin gebeutelte Branche nochmal erheblich stärker unter Druck.

Online-Werbung - deutsche Medien profitieren kaum

Von der guten Werbekonjunktur im Online-Geschäft, die auch dadurch zulegt, dass während der Pandemie immer mehr Menschen ihre Einkäufe im Netz erledigen, profitieren dabei nur wenige. “Die digitale Werbung kommt insgesamt vergleichsweise sehr gut durch die Krise“, sagt ZAW-Präsident Andreas F. Schubert. Damit einher gehe aber auch “eine nochmals signifikant gesteigerte Verschiebung in Richtung der digitalen Megaplattformen“ wie Google. Der ZAW ruft die Politik daher dazu auf “Ausschluss- und Ausnutzungsstrategien der bereits vielfach dominanten Akteure besonders in den Blick zu nehmen“. Auch Philipp Welte vom Vorstand der Hubert Burda Media - hier erscheint unter anderem der Focus - warnt. Die Corona-Krise wirke wie ein mächtiger Katalysator und zementiere die Monopolstrukturen im digitalen Segment des Werbemarktes. “Dieser Markt wird auch in Europa dominiert von US-amerikanischen Digitalplattformen, die in den Ausprägungen ihrer ökonomischen Macht und Möglichkeiten längst die Größe von Staaten haben“, so Welte, der auch Vizepräsident des ZAW ist.

Bei den massiv unter Druck stehenden Tageszeitungen und Anzeigenblättern kommt vom Online-Segen dagegen kaum etwas an. Hier sind die Zuwächse marginal und können in keiner Weise ausgleichen, was an klassischer Werbung aus der gedruckten Zeitung verschwindet.

Finanzierungsmodell der Tageszeitungen in Schieflage

mit Video

Studie über Wirtschaftlichkeit der ZeitungWenn sich das Abo nicht mehr rechnet

Die Zustellung der gedruckten Zeitung wird für die Verlage immer öfter zum Verlustgeschäft. Durch die Corona-Pandemie geraten viele Titel noch mehr in Schieflage. Die Beratungsfirma Schickler schlägt Alarm.

Weil gleichzeitig die Auflagen sinken, gerät auch das über Jahrzehnte bewährte deutsche System, Zeitungen hauptsächlich per Abonnement zu verkaufen, in Schieflage. Da die Zustellung der Zeitung für alle Abonnentinnen und Abonnenten meist in den frühen Morgenstunden dazu gehört, wird das einzelne Zeitungsexemplar für die Verlage sogar immer teurer. Weil es immer weniger Abonnements gibt, wird die Lieferung der Zeitung gerade in ländlichen Regionen für die Verlage zum Zuschussgeschäft. Die Corona-Krise hat diesen Trend noch beschleunigt. Laut einer Studie im Auftrag des Zeitungsverlegerverbandes BDZV könnte das dazu führen, dass bis 2025 in rund 40 Prozent der deutschen Kreise und Gemeinden die Zeitungszustellung nicht mehr wirtschaftlich ist.

Bundesregierung gibt 220 Millionen Euro für direkte Presseförderung

Dieses Szenario und die Anzeigenausfälle haben dazu geführt, dass die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erstmals eine direkte Presseförderung beschlossen hat. 220 Millionen Euro stehen in den nächsten fünf Jahren für “Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern“ zur Verfügung.

180 Millionen Euro davon sollen nach Berichten des Deutschlandfunks bereits 2021 fließen. Unter anderem für den Aufbau von Online-Shops, Rubrikenportalen und Apps sowie den Aufbau eigener oder verlagsübergreifender Plattformen zum Vertrieb der Inhalte.

Programm soll die “digitale Transformation“ der Verlage unterstützen

“Eine unabhängige und vielfältige journalistische Berichterstattung ist essentiell für den demokratischen Willensbildungsprozess auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene“, heißt es zur Begründung in dem Ende Oktober vorgestellten Förderkonzept des Bundeswirtschaftsministeriums.

“Der Rückgang von Printabonnements und das Schrumpfen des Marktes für bezahlte Anzeigen erfordern zunehmend einen Wandel etablierter und bewährter Geschäftsmodelle.“ Gleichzeitig fehle den Verlagen das Geld für nötige Investitionen in Sachen Digitalisierung, so die Argumentation. Daher soll mit dem neuen Förderprogramm “die erforderliche digitale Transformation des Verlagswesens unterstützt werden“, so das Papier.

Skepsis auf Seiten der Verleger und Gewerkschaften

Die Verlegerverbände sowie Journalisten- und Mediengewerkschaften sind von dem auch Dank Corona hereinbrechenden Geldsegen noch nicht völlig überzeugt. Was auch daran liegt, dass bislang höchstens in Umrissen zu erkennen ist, nach welchen Kriterien die Mittel bewilligt werden sollen. Denn an der entsprechenden Förderrichtlinie wird im Bundeswirtschaftsministerium noch gearbeitet. Auch die EU-Kommission muss die Presseförderung noch genehmigen.

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