Kinde mit Mund-Nasenschutz. Außerdem der Schriftzug: Medien im Krisenmodus #Pressestelle
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Kinder und Corona Studie: Kinder, Medien und COVID-19

27. Mai 2020, 12:23 Uhr

Für eine Studie wurden 4322 Kinder aus 42 Ländern weltweit zu ihrem Umgang mit der Corona-Pandemie befragt. Beeinflusst das Wissen über Corona die Ängste? Welche Medien konsumieren Kinder zwischen 9 und 13 Jahren, um an Informationen zu kommen? Wie hat sich die Mediennutzung verändert?

Die Corona-Pandemie hat das Leben von Kindern massiv verändert. Selbstverständlichkeiten wie Schule, Hobbys, Begegnungen mit Freundinnen und Freunden oder ein Besuch bei den Großeltern fanden plötzlich nicht mehr statt. Die Perspektive von Kindern spielt jedoch im öffentlichen Diskurs kaum eine Rolle. Dr. Maya Götz, Autorin der Studie "Kinder Medien und Covid-19" sagt: "Kinder haben bei uns eine sehr geringe Lobby. Wir müssen sie aus der Schule raus nehmen. Wir müssen sie auch sichern. …Aber wie es ihnen eigentlich geht, wie wir sie unterstützen können, dafür wurde einfach relativ wenig geforscht und auch wenig Tipps gegeben, zum Beispiel was Eltern tun können."      

Details zur Studie: In einer World-Vision-Studie vom Internationalen Zentralinstitut für Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk zusammen mit der Stiftung PRIX JEUNESSE nahmen 4322 Kinder zwischen 9 und 13 Jahren in 42 Ländern teil, davon 100 aus Deutschland. Sie wurden durch soziale Netzwerke oder durch Schneeballsysteme akquiriert. In Südafrika gab es eine Zusammenarbeit mit Schulen. Die Eltern der Kinder gaben ihr Einverständnis. Die Stichprobe von 4322 Kindern wurde statistisch nach Geschlecht und Land gewichtet. Damit geht jedes Land gleichwertig in die Ergebnisse ein. Die Studie ist im internationalen Rahmen repräsentativ. Der 19 Komplexe umfassende Fragebogen wurde durch ein internationales Team erarbeitet. Der Online-Fragebogen wurde in der Phase des verstärkten Lockdowns, zwischen dem 31. März und 26. April 2020, ausgefüllt.

Wie ist der Lebensalltag von Kindern im Lockdown?

Zum Zeitpunkt der Befragung können die meisten Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Sechs von zehn Kindern weltweit geben an, dass sie Schule über das Internet machen. Ausnahmen sind Taiwan, wo die Schulen nicht geschlossen haben, sowie Kuba und die Republik Kongo, wo es kein flächendeckendes Internet gibt.

93 Prozent der Jungen und 74 Prozent der Mädchen vermissen die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Die Hälfte der Kinder gibt an, dass die Eltern nicht mehr arbeiten gehen. Sie berichten aber auch vom Gefühl, eingesperrt zu sein oder ständigen Streitereien mit Geschwistern bzw. in der Familie.

Dreiviertel der Teilnehmer aus der ganzen Welt sind besorgt, dass ein Familienmitglied an Covid-19 erkranken könnte. Genauso viele vermissen Besuche bei Großeltern und Verwandten.

Welche Medien nutzen Kinder?

Grafik: Medienmehrnutzung von Kindern während der Corona-Pandemie
Bildrechte: MDR/MEDIEN360G / Internationales Zentralinstitut für Jugend- und Bildungsfernsehen

Die Medien dienen hauptsächlich zur Ablenkung, gegen Langeweile oder für den Kontakt zu Freundinnen und Freunden. Erst danach sind Medien für Kinder in Bezug mit der Schule wichtig.

Um herauszufinden, welche Medien bzw. Medienangebote in der Corona-Zeit mehr genutzt werden, standen den Studienteilnehmern 21 relevante Medien und soziale Netzwerke zur Auswahl. Aus ihnen sollten die drei für sie wichtigsten angekreuzt werden.

International ist bei der Mediennutzung das Fernsehen der Spitzenreiter gefolgt vom Handy. YouTube wird fast doppelt so häufig verwendet wie Netflix, TikTok oder Musik-Streaming-Angebote.

Regional unterscheiden sich die Ergebnisse: In Japan nutzen 69 Prozent der Kinder häufiger YouTube. In Deutschland steht in der Mediennutzung das Handy (34 Prozent) an Nummer 1 gefolgt von Tablet (30 Prozent) und YouTube (27 Prozent), das Fernsehen wird hier nur von 19 Prozent der Kinder genutzt.

Was wissen Kinder über Corona?

Fast alle Studienteilnehmer wissen, wo das Corona-Virus erstmals nachgewiesen wurde. Sie kennen die Risikogruppen und die häufigsten Krankheitssymptome. Die bekannteste Präventionsmaßnahme, das Händewaschen, ist 90 Prozent der Kinder geläufig, gefolgt vom Zu-Hause-bleiben. Die Kenntnisse der Kinder aus Deutschland liegen dabei über dem weltweiten Durchschnitt.

Medien werden von den Kindern auch zur Informationssuche über die Pandemie genutzt. Hier zeichnet die Studie erkennbare Unterschiede zwischen den Weltregionen auf. Der Bedarf, sich über die aktuelle Situation zu informieren, ist in Südostasien (90 Prozent) und Subsahara-Afrika (88 Prozent) sehr hoch, in Nordamerika mit 54 Prozent vergleichsweise niedrig.

Porträt von Dr. Maya Götz 7 min
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Sind Kinder, die mehr wissen, weniger besorgt?

Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Je weniger Fakten die befragten Kinder über das Virus oder zu den Schutzmaßnahmen kennen, desto größer sind die Sorgen. Auch in Kinderdiskursen spielen Fake News, die in den sozialen Medien kursieren, eine Rolle. Der Fragebogen enthielt sechs Thesen, die die Kinder als richtig oder falsch einordnen sollten.
So identifizierten beispielsweise 79 Prozent der Teilnehmer die Meldung: "Es (Covid-19) wird von einer ausländischen Regierung als Waffe benutzt.", als falsch. Die Aussage: "Einige Corona-Viren sind seit mehreren Jahren bekannt, aber dieses spezielle ist neu." konnte von 70 Prozent als richtig eingeordnet werden.

Als Ergebnis sieht Dr. Maya Götz: "Kinder in Deutschland haben sie (Fake News) sehr deutlich identifizieren können. Da gab es relativ wenige, die das nicht konnten, die zum Beispiel nicht wussten oder die dachten, wenn man Knoblauch isst, dann hilft das gegen Corona." In anderen Regionen gebe es einen großen Anteil von Kindern, die an diese Fake News glauben. Das habe große Auswirkungen auf das Gefühl der Sicherheit, so Götz.

Was kann Kindern in Krisensituationen helfen?

Ein Fazit der Studie ist es, bei künftigen Krisensituationen am Anfang genauer auf die Kinder, deren Lebensumstände und Gefühle zu schauen. Eine weitere Schlussfolgerung lässt sich für deutsche Kinder ziehen. Dr. Maya Götz: "Sie haben relativ wenig Kompetenzen, mit dem eigenen Stress umzugehen. Also um den Stress zu regulieren, nutzen sie die Medien. Dann haben sie das Gefühl, ich gucke Fernsehen, dann hilft mir das. Oder die Jungs haben das Gefühl: Ich mache Videospiele, dann beruhigt mich das. Wir wissen wiederum aus verschiedenen Studien, dass Videospiele nicht wirklich das Gehirn beruhigen, sondern eher anregen. Es ist ein angenehmes Gefühl, Fernsehen oder Serien zu gucken, aber es beruhigt nicht wirklich. Es ist nicht entspannend."

In Deutschland haben 80 Prozent der Kinder Methoden wie Meditation oder Yoga zum Stressabbau noch nicht kennengelernt, so Götz. Weltweit verfügen 59 Prozent der Kinder über solche Fähigkeiten. Götz fordert, Kindern mehr Kompetenzen zu vermitteln, damit sie lernen, sich selbst zu strukturieren und Stress richtig auszugleichen.

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