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Arbeit trotz AnsteckungsgefahrWie sich Journalisten vor Corona schützen

27. März 2020, 21:04 Uhr

Verlässliche Nachrichten und Hintergrundinformationen haben in der Corona-Krise Konjunktur. Die Redaktionen des MDR arbeiten mit Hochdruck für ihre Nutzerinnen und Nutzer. Doch wie können sie unter den Bedingungen der Pandemie arbeiten und sich gleichzeitig vor Ansteckungen schützen?

von Steffen Grimberg

Das Zauberwort heißt „Separierung“, also Trennung. Auch in den Redaktionen gilt: Wer mit möglichst wenig anderen Menschen in Kontakt kommt, kann sich nicht so schnell anstecken. Doch gerade die Redaktionen beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) sehen normalerweise ganz anders aus. Hier wird seit 2017 „crossmedial“ gearbeitet. Die früher getrennten Bereiche Radio, Fernsehen und Online gestalten gemeinsam das multimediale MDR-Programm. Deshalb sitzen viele Journalistinnen und Journalisten in Großraumbüros zusammen.

Wenig Kontakt und Abstand in Redaktionsbüros

Damit ist jetzt wegen der Ansteckungsgefahr erstmal wieder Schluss. Das heißt aber nicht, dass mit der crossmedialen Arbeit aufgehört wird. „Das Entzerren der bisherigen räumlichen Strukturen ist aber die entscheidende Maßnahme“, sagt Jens Christof, stellvertretender Hörfunkchef bei MDR Thüringen.

Es geht darum, Abstand zu halten. Da sind unsere Großraumbüros, wo Radio, Fernsehen und Online zusammen sitzen, natürlich ein ganz neuralgischer Punkt.

Jens Christof, stellvertretender Hörfunkchef bei MDR Thüringen

Zwei Teams arbeiten beim MDR Thüringen getrennt voneinander

Ganz entzerrt und ohne Kontakt zueinander arbeiten geht nicht. Vor allem die Kolleginnen und Kollegen vom Radio sind im Landesfunkhaus in Erfurt auf das Großraumbüro angewiesen, weil gleich daneben ihre Sendestudios liegen. Die im MDR entwickelte Strategie sorgt aber für größtmöglichen Abstand bei möglichst wenig Kontakten.

Im Funkhaus Erfurt wird jetzt in zwei jeweils 15 bis 20 Personen starken Teams gearbeitet. Team A startet frühmorgens und arbeitet bis 12 Uhr. Ab 12:30 Uhr übernimmt Team B. Es trifft erst am Arbeitsplatz ein, wenn Team A schon gegangen ist. Die Kolleginnen und Kollegen begegnen sich also nicht.

„Außerdem sind die Plätze der beiden Teams weit voneinander in jeweils unterschiedlichen Bereichen des Newsrooms“, beschreibt Jens Christof die Szenerie. Platz genug ist da, weil viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Fernseh- und Online-Bereich vorübergehend wieder woanders in Einzelbüros arbeiten. Konferenzen und andere Besprechungen finden nach Möglichkeit ohnehin als Telefonschalten oder per Videokonferenz statt.

„Eiserne Reserve“ für die Redaktionen sitzt im Home-Office

Daneben gibt es noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit nur aus dem Home-Office arbeiten und gar nicht mehr ins Funkhaus kommen.„Das ist unsere eiserne Reserve“, sagt Jens Christof. „Wenn sich nun beispielsweise jemand aus Team A anstecken sollte und andere Team-Mitglieder in Quarantäne müssten, können wir Team B aktivieren“.

Auch außerhalb der Redaktionsräume sieht das MDR-Leben derzeit anders aus. Die Kantinen, sonst beliebte Treffpunkte in der Pause, sind nur sehr eingeschränkt geöffnet. Auch hier wird möglichst allein und mit großem Abstand zu anderen Kolleginnen und Kollegen gegessen.

Anregungen von Medien aus Südtirol

Anregungen für diese Konzept haben Jens Christof und sein Team von Radio-Kolleginnen und Kollegen aus dem italienischen Südtirol bekommen. „Wir hatten mit denen ein Interview gemacht, wie sie unter diesen Bedingungen arbeiten und sich bestmöglich schützen. Dabei haben wir relativ schnell erkannt, dass das auch für uns der richtige Weg ist“.

Keine Studiogäste und kaum Außentermine mehr

Externe Studiogäste, beim Fernsehen oder Radio eigentlich die Regel, gibt es beim MDR seit vergangener Woche nicht mehr. Sie werden jetzt aus anderen Studios oder per Telefon oder Skype zugeschaltet.  Auch die Zahl der Außentermine für die MDR-Journalistinnen und -Journalisten wurde wo immer möglich zurückgefahren. Hier gibt es allerdings klare Unterschiede zwischen Radio und Fernsehen.

Das Fernsehen muss raus, die brauchen ja auch die Bilder

, sagt Jens Christof. Beim Hörfunk werde jetzt sehr genau darauf geachtet, ob man bei einem Termin wirklich vor Ort sein muss, um darüber berichten zu können.

MDR-Radios schafft Möglichkeiten zur Interaktion

Der Hörfunk erlebe in der Corona-Krise ohnehin eine Sternstunde, in der er zeigen kann, was Radio alles bewegt, meint Jens Christof: „Bei uns geht es ja nicht nur um Informationen und Berichte. Es geht auch ganz viel um Interaktion mit den Hörerinnen und Hörer. Wir fragen sie ganz direkt: ‚Wie organisiert ihr euer Leben im Angesicht von Corona?’. Und zugeschaltete Expertinnen und Experten geben dann live direkten Rat.“

Quarantäne-Ort Neustadt am Rennsteig: Berichte aus dem Auto

Neue Wege beschritt auch ein MDR-Kollege mit seiner Berichterstattung aus Neustadt am Rennsteig. Die Thüringer Gemeinde, in der rund 900 Menschen leben, steht wegen der hohen Zahl an Corona-Infizierten seit dem Abend des 22. März für zwei Wochen unter Quarantäne. „Unser Kollege ist mit dem Auto hingefahren und nicht ausgestiegen, sondern die ganze Zeit im Wagen geblieben. So konnte er sich trotzdem ein Bild machen und seine Beobachtungen wiedergeben“, berichtet Jens Christof. Und auch das MDR-Fernsehen kommt trotz Quarantäne an Informationen: Der Ortsbürgermeister der Gemeinde wurde - ebenfalls riskiolos - per Skype ins MDR-Programm zugeschaltet.

Mehr zum Thema: Wie arbeiten Journalisten in der Krise?

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