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Hohe Einschaltquoten, wenig UmsätzePrivate Radiosender unter Druck

01. April 2020, 19:02 Uhr

Für die privaten Radiostationen in Mitteldeutschland bedeutet das Corona-Virus eine Berg- und Talfahrt. Einerseits schalten aktuell viel mehr Menschen ein oder nutzen die Angebote der Sender im Netz. Andererseits bricht gerade der Werbemarkt ein, aus dem sich die Privatsender ganz überwiegend finanzieren.

von Peter Stawowy

Wie bei allen Medien hat die Corona-Krise auch die Kreativität der Programmgestaltenden bei den privaten Radios beflügelt: In Halle hat Radio Brocken die geschlossene Facebook-Gruppe „Team Sachsen-Anhalt“ gegründet, in der Hilfsangebote vorgestellt und Hilfsgesuche gepostet werden können. Die Gruppe hat inzwischen fast 3000 Mitglieder und wird von den Radio-Leuten moderiert, damit kein Unfug und keine Störer dort ihren Platz finden. Die Inhalte finden sich dann nicht selten im Programm wieder, womit die Wirkung der Angebote von Hörerinnen und Hörern gleich noch mal verstärkt wird.

Moderator wird Hausaufgabenhelfer

Bei Radio PSR in Sachsen ist Nachmittagsmoderator Tino Rockenberg kurzerhand zum „Hausaufgabenhelfer“ geworden. Jeden Nachmittag löst er gemeinsam mit Kindern Schulaufgaben. Die Redaktion von PSR hat außerdem die Empfehlung, möglichst nicht rauszugehen, gleich mal in einen Sachsensong umgesetzt: Jedes PSR-„Band“-Mitglied, Moderatorinnen und Moderatoren, Social-Media-Verantwortliche und Wetterfeen, hat dafür einen kleinen Clip aus dem heimischen Arbeitsumfeld beigesteuert. „Wir bleib’n daheim! Daheim, Daheim“ singt Moderator Steffen Lucas im heimischen Wohnzimmer zur Melodie des Hits „Allein, allein“. Und weiter: „Und wenn einer hamstert, stell’ ihm ein Bein!“

Verdoppelte Live-Stream-Zugriffe

Nicht nur wegen solcher Angebote ist das Interesse der Hörerinnen und Hörer am Programm drastisch angestiegen. „Wir liefern ein 24-Stunden-Programm“, sagt André Gierke, Chef der Unternehmenskommunikation im Funkhaus Halle. Das lasse sich nicht mal eben so einfach reduzieren. Dafür sei aber auch gar kein Bedarf, betont Gierke: „Sonst profitieren in Krisen ja oft die öffentlich-rechtlichen Medien.“ Jetzt aber sei ein deutlicher Anstieg in den Zugriffszahlen etwa auf der Website von Radio Brocken zu beobachten. „Auch in den Live-Streams haben wir doppelt so viele Hörerinnen und Hörer wie sonst. Und auf den Feedback-Kanälen wie WhatsApp oder E-Mail kommt viel positive Rückmeldung“, sagt Gierke.

Werbeeinnahmen werden massiv zurückgehen

Doch trotz des Aufwinds im Programm stehen die Privatradios vor einem Dilemma, zumal die Sender anders als der öffentlich-rechtliche Rundfunk keinerlei Beitragsgelder bekommen. Weil mit der Krise das Werbegeschäft eingebrochen ist, rechnen einzelne private Radiostationen in Mitteldeutschland mit bis zu 80 Prozent weniger Einnahmen im April als sonst. Andere sind nicht ganz so negativ, sprechen von erwarteten Einbußen zwischen 40 und 70 Prozent. „Wir leben nahezu vollständig von den Werbeeinnahmen“, beschreibt Gierke vom Funkhaus Halle das Problem der privaten Radioanbieter.

Normalerweise wimmelt es im Funkhaus nur so vor Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Programme von Radio 89.0 RTL und Radio Brocken und das ganze Drumherum wie Veranstaltungen und Werbeclip-Produktionen erstellen. Jetzt haben die Abstandsregeln zur Vermeidung von Corona-Ansteckungen auch diese Büros entvölkert. „Werbekunden, die nicht stornieren, satteln um und bewerben jetzt etwa ihren Lieferservice“, erzählt Gierke. Doch deutlich mehr Kunden stornieren vorsorglich die vorher geplante Werbung. Weil sie selbst nicht wissen, wie es bei ihnen weitergeht.

Umsatzeinbruch für April absehbar

Im März dürften viele der privaten Radiostationen in Thüringen noch mit einem blauen Auge davonkommen, schätzt Jochen Fasco. Er ist Direktor der für die privaten Radio- und TV-Stationen im Freistaat zuständigen Landesmedienanstalt TLM. „Aber der April wird heftig. Erst später werden wir sehen, wie sich der Markt entwickelt“, sagt er. Als Chef der Medienanstalt hat er gleich zu Beginn der Krise Kontakt mit den Geschäftsführerinnen und -führern der verschiedenen Radio- und Lokal-TV-Stationen aufgenommen, für die er zuständig ist. Dabei ging es auch um die Frage, was die Landesmedienanstalt für die Programmmacher tun könnte.

Die privaten Radiostationen in Sachsen haben der für sie zuständigen Landesmedienanstalt SLM in Leipzig gleich mal eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt: Etwa Zuschüsse bei technischen Kosten, wie sie die SLM für eine Reihe von lokalen Fernsehstationen ja schon länger übernimmt. Dass es kurzfristig Hilfe von der öffentlichen Hand für die Radiostationen geben wird, da sind sich alle einig. Allerdings ist gerade noch sehr offen, wie die Unterstützung genau aussehen wird.

Kurz- und Heimarbeit

Bis dahin müssen die Sender schauen, wie sie über die Runden kommen. In Sachsen hat die Sendergruppe Regiocast (PSR und R.SA) gleich mal Kurzarbeit angemeldet. Allerdings nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht unmittelbar an der Sendeabwicklung beteiligt sind.

Das Programm selbst läuft weiter wie bisher, wenn auch einzelne Kolleginnen oder Kollegen gezwungenermaßen von Zuhause arbeiten müssen. So wurde R.SA-Moderator Marcus Poschlod positiv auf das Corona-Virus getestet. Poschlod hatte schon vorher im Homeoffice gearbeitet – jetzt ist er in Quarantäne. „Ihm geht es glücklicherweise den Umständen entsprechend gut und er muss aktuell nicht ärztlich behandelt werden“, sagt Sender-Sprecherin Sissy Neumann. „Unsere Morningshow-Moderatoren Katja Möckel und Uwe Fischer telefonieren jetzt seit dem 30. März 2020 im R.SA Frühstücksradio jeden Morgen mit ihm.“

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