Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
MedienwissenMedienkulturMedienpolitikSuche
Bildrechte: MDR/MEDIEN360G / panthermedia

Auslandsberichterstattung im Zeichen von CoronaIn Madrid ist Kreativität gefragt

02. April 2020, 21:06 Uhr

„Nein“, sagt Natalia Bachmayer und lacht. Im Studio habe sich gar nicht so viel verändert. Außer, dass sie und ihre Cutterin jetzt durch eine Plexiglasscheibe getrennt voneinander säßen. „Aber was tatsächlich anders ist, ist die Außenwelt. Die gibt es nicht mehr“.

von Steffen Grimberg

Natalia Bachmayer kommt vom Hessischen Rundfunk und ist ARD-Fernsehkorrespondentin in Madrid. Sie berichtet seit Wochen über die Corona-Krise. Das Virus hat die spanische Hauptstadt fest im Griff. Spanien gehört wie Italien zu den am stärksten betroffenen Ländern in Europa. Die Zahl der Menschen, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben, ist in Madrid und im industrialisierten Norden dabei deutlich höher als im eher landwirtschaftlich geprägten Süden.

Ausgangssperre in Spanien nochmal verschärft

Am Morgen des Gesprächs von Natalia Bachmayer mit MDR MEDIEN360G ist noch einmal die Ausgangssperre im ganzen Land verschärft worden. Jetzt müssen auch Baustellen dicht gemacht werden, in allen nicht lebenswichtigen Betrieben steht die Arbeit still. Die Straßen sind leer. Das verändert auch den Job einer Korrespondentin. „Straßenumfragen gehen nicht mehr. Sonst sprechen wir ja gerne mit ganz normalen Menschen, was sie zu bestimmten Entwicklungen meinen, wie sie die Lage einschätzen“, sagt Natalia Bachmayer:

Jetzt kriegt man niemanden mehr zu fassen.

Fernsehkorrespondentin Natalia Bachmayer gemeinsam mit ihrer Cutterin im ARD-Studio Madrid. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G / Natalia Bachmayer

Das Land habe sich in Rekordzeit verändert. „Vor zwei Wochen konnten wir noch einen Tag lang eine Familie begleiten, bei denen Zuhause drehen und zeigen, wie sich ihr Alltag durch Corona verändert hat.“ Jetzt kann von solchen Besuchen keine Rede mehr sein: „Wir überlegen gerade, ob sie wenigsten auf den Balkon kommen können und wir von unten filmen und mit ihnen sprechen, wie es ihnen geht“.

Der Regierungschef kommt nur noch per Video

Fernsehen braucht nunmal bewegte Bilder, doch „was man noch machen kann, ist endlich“, so Bachmayer. Auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hält Pressekonferenzen nur noch per Videoschalte ab. Viele Regierungsmitglieder sind bereits mit dem Virus infiziert und arbeiten aus der Selbst-Isolation heraus.

In Krankenhäusern oder anderen Gesundheitseinrichtungen zu drehen, sei ausgeschlossen berichtet Bachmayer. „In Italien haben die Kollegen vom ARD-Studio Rom anfangs sogar noch in der Notaufnahme eines Krankenhauses drehen dürfen, das wäre hier total unmöglich.“ Da die volle Wucht der Pandemie Spanien später als Italien erreichte, hätten sich die Behörden die Entwicklung in Italien ein paar Wochen angucken können und sofort die Konsequenzen gezogen und alle Krankenhäuser komplett gesperrt. Medizinisches Personal und Expertinnen und Experten interviewen Bachmayer und ihre Kolleginnen und Kollegen nur noch per Skype oder anderen Video-Chat-Programmen.

Virtuelle Tapas-Runden und Diskussionen über Statistik

„Ich bin überrascht, wie gut das funktioniert, wenn man sich da erst einmal eingearbeitet und reingefuchst hat“, so Bachmayer. Zwar dürften sich in Spanien Journalistinnen und Journalisten noch „halbwegs frei bewegen“, doch zur Risikominimierung machen die Korrespondentinnen und Korrespondenten des ARD-Studios Madrid keine Dienstreisen mehr. Zum Ausgleich braucht es kreative Ideen: „Ich habe gerade über eine virtuelle Tapas-Runde von fünf jungen Frauen berichtet, die ihre After-Work-Drinks jetzt eben jeweils im Homeoffice am Computer genießen und sich per Videochat zusammenschalten. Weil wir auch die natürlich nicht zu Hause besuchen konnten, hat  der Partner von einer der Frauen ein paar Aufnahmen mit seinem Handy für uns gedreht“, erzählt Bachmayer.

Auch der Austausch mit anderen Journalistinnen und Journalisten sei nochmal intensiver geworden: „Wir tauschen uns vor allem aus, wenn es Unklarheiten gibt - zum Beispiel, wie wir jetzt in der Corona-Krise bestimmte Zahlen und Statistiken verstehen und interpretieren“. Auch das laufe natürlich „alles online. Wie im Roman mit Cocktails an der Hotelbar darf man sich das nicht vorstellen“, sagt Bachmayer und lacht.

Plexiglas und Teamstruktur - neue Arbeitsweisen im Studio

Fürs Studio ist es ihnen gelungen, ein paar der letzten Plexiglasscheiben zu ergattern, die es noch in Madrid zu kaufen gab. Denn am Schnittplatz kommen sich Reporterin und Cutterin an den Geräten nun einmal näher, als der Corona-Mindestabstand eigentlich erlaubt. „Deswegen sind wir jetzt mit Plexiglas voneinander getrennt“. Anders als die beiden Madrider Radiokorrespondenten der ARD könne sie als TV-Berichterstatterin wegen der nötigen Produktionstechnik nicht so einfach von zu Hause arbeiten, so Bachmayer. Deshalb gibt es im Studio jetzt eine besondere Teamstruktur: „Wir haben zwei TV-Korrespondentenplätze und zwei Kamerateams, dazu kommt noch der Schnitt. Seit Corona arbeiten wir im Wochenwechsel immer von Donnerstag bis Donnerstag. Dann werden alle Bereiche gründlich desinfiziert und das neue Team übernimmt.“

Das ARD-Studio Madrid ist auch für die Maghreb-Staaten zuständig

Insgesamt arbeiten knapp zehn Festangestellte im ARD-Studio Madrid, das auch für die Berichterstattung aus Marokko, Tunesien und Algerien zuständig ist. „Als es dort die Luftbrücke gab, mit der deutsche Urlauberinnen und Urlauber ausgeflogen wurden, konnten wir schon nicht mehr dorthin und berichten“, so Bachmayer. Zum Glück hatte sich eine WhatsApp-Gruppe gestrandeter Deutscher gegründet. „Die haben wir kontaktiert, und die haben dann die ein oder andere Einstellung für uns mit dem Handy gedreht - so helfen uns auch unsere Zuschauerinnen und Zuschauer.“

Korrespondentin sein lebt vom Dabeisein, vom Riechen, Fühlen, Schmecken.

Natalia Bachmayer | Fernsehkorrespondentin ARD-Studio Madrid

So gut vieles trotz aller Beschränkung Dank moderner digitaler Technik aber auch klappt - für Natalia Bachmayer ist klar, dass sie sofort wieder „rausgeht“, wenn es möglich ist. „Korrespondentin sein lebt vom Dabeisein, vom Riechen, Fühlen, Schmecken. Das nehme ich liebend gerne wieder auf, wenn das Schlimmste vorbei ist“.

Mehr zu den Auswirkungen der Corona-Krise in den Medien

Fundstücke in Corona-"Auszeit"Webradio für Covid-19-Patienten

Zwang fördert die Kreativität - die Einschränkungen durch die Corona-Krise bringen Woche für Woche spannende Ergebnisse im Netz hervor. Wieder haben wir unterhaltsame Klick-Hinweise für Sie gesammelt.

MusikjournalismusKreative Ideen trotz Corona

Probleme hatten Musikmagazine schon vor Corona. Die Krise hat die Lage aber nochmal verschärft. Von einer „existenzgefährdenden Bedrohung“ ist die Rede. Doch es gibt auch kreative Reaktionen.

Corona-MythenWas Verschwörungsglauben attraktiv macht – und wie Journalisten ihm begegnen

In Krisen gedeihen Verschwörungsmythen. Wenn Journalisten sie widerlegen, tun sie ihren Job. Dass Medien selbst als dubiose Kräfte in den Erzählungen auftauchen, erschwert die Aufgabe – aber es ändert nichts an ihr.

Studie zur GeschlechterverteilungIn der Corona-Krise sind in den Medien kaum Frauen als Expertinnen gefragt

Die MaLisa-Stiftung hat analysiert, wie oft Frauen als Expertinnen in Sachen Corona in den Medien präsent sind. Die Ergebnisse sind ernüchternd: In den Zeitungen wie im TV kommen auf eine Frau zwei Männer.

mit Audio

Kinder und CoronaStudie: Kinder, Medien und COVID-19

Einen Studie in 42 Ländern ergibt: Kinder, die über ein Grundwissen zur Corona-Pandemie verfügen, haben weniger Angst. Erkennen sie auch Fake-News?