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Bildrechte: MDR/MEDIEN360G / panthermedia

Zeitungen im KrisenmodusNotfallpläne und Kinderseiten

24. März 2020, 00:00 Uhr

Das Corona-Virus hat auch Auswirkungen auf die mitteldeutschen Zeitungen. Die Redaktionen sind verwaist. Krisenpläne regeln, was passiert, wenn die Druckerei ausfallen sollte. Dazu kommt die Diskussion über Bezahlpflicht im Netz - die so genannte Paywall. Gleichzeitig ist das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach verlässlichen Informationen so groß wie nie.

von Peter Stawowy

„Die gesamte inhaltliche Produktion unserer Zeitungen findet außerhalb der Redaktionsräume statt“, heißt es etwa von den drei Titeln Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung und Thüringische Landeszeitung gegenüber MEDIEN360G. Homeoffice ist flächendeckend auch bei den Zeitungshäusern in Sachsen und Sachsen-Anhalt angesagt. Zum Zeitpunkt unserer Abfrage (20.3.2020) meldete noch keine der Zeitungen einen Infektionsfall. Allerdings gab es bei mehreren Titeln Verdachtsfälle, wie etwa bei der Magdeburger Volksstimme, wo man – ganz praktisch journalistisch – die Reporterin gleich mal verpflichtet hat, die eigenen Erfahrungen aufzuschreiben.

Konferenzen und öffentliche Termine reduziert

Die Notproduktion der Zeitung sei im Vorfeld regelmäßig durchgespielt worden, berichtet die Freie Presse aus Chemnitz über den eigenen Umgang mit der Krise (). Gleichzeitig sei die Zahl der öffentlichen Termine für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Nötigste reduziert worden. Ziel: Die Gefahr der Ansteckung gering zu halten.

Druckereien als Achillesferse

„Wir haben auch durchgespielt, was passiert, wenn die Druckerei ausfällt“, sagt Alois Kösters, Chefredakteur der Volksstimme in Magdeburg zu MEDIEN360G. Das würde zunächst die Produktion von Notausgaben zur Folge haben, die in Druckereien in der Umgebung produziert werden könnten. Die Planungen der Volksstimme sehen beim vollständigen Ausfall von Druckmöglichkeiten aber auch vor, die Online-Variante des ePapers kostenfrei zu schalten, so Kösters weiter.

Die Druckerei ist unsere Achillesferse

, bestätigt auch Carsten Dietmann, Geschäftsführer der DDV-Mediengruppe in Dresden. Dort entstehen die Sächsische Zeitung und die Morgenpost Sachsen. Deswegen habe man die Schichten der Drucker strikt getrennt, um den Betrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Jede Schicht sei dafür zuständig, die eigene Arbeitsumgebung konsequent am Ende der Arbeit zu desinfizieren. Sollten dagegen Probleme in der Verteilung der Zeitung auftauchen, so Dietmann, würde man zunächst auf den Postversand umstellen – dann käme die Zeitung halt etwas später in die Briefkästen.

Gestiegene Zugriffszahlen

Alle Zeitungsmacher berichten, dass die Zugriffszahlen auf die eigenen Online-Angebote stark gestiegen seien. „Wir haben sogar höhere Zugriffszahlen als bei den Jahrhundertfluten 2002 und 2013“, sagt Kai Gauselmann, stellvertretender Chefredakteur der Mitteldeutsche Zeitung in Halle. Gleichzeitig schließen bei allen Zeitungen auch mehr und mehr Menschen kostenpflichtige Digitalabos ab.

Das ist gut für die Zeitungsmacher, weil es höhere Einnahmen bei den Online-Angeboten bedeutet. Es sorgt allerdings auch für Kritik in den sozialen Netzwerken – zuletzt etwa durch den Satiriker Jan Böhmermann oder den Virologen Christian Drosten. Beide forderten bei Twitter, sämtliche Informationen über das Corona-Virus online frei zugänglich zu machen. Eine Haltung, die von den Zeitungshäusern in Mitteldeutschland abgelehnt wird, jedenfalls bei denen, die eine Bezahlschranke („Paywall“) haben. Vielmehr verfolgt man die Strategie, wichtige Informationen frei anzubieten, während tiefergehende Berichte, Analysen und Reportagen kostenpflichtig bleiben.

Ohne ein wirtschaftliches Fundament können wir diese Arbeit sonst künftig nicht mehr leisten

, schreibt dazu Jan Emendörfer, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, in eigener Sache. „Die Produkte im Supermarkt oder in der Apotheke müssen ja ebenso weiter bezahlt werden – auch in der Corona-Krise“, argumentiert er weiter.

Anzeigen brechen ein

Die aktuelle Entwicklung hat aber schon jetzt wirtschaftliche Folgen für die Zeitungen: Das Werbe- und Anzeigengeschäft bricht in vielen Branchen weiter ein oder sogar ganz weg. Veranstaltungen, Reiseanbieter und große Handelsketten hätten in großem Umfang Anzeigen storniert, heißt es unisono. Schon in absehbarer Zeit dürften die Blätter deswegen auch sichtbar dünner werden.

Freie Presse und Sächsische Zeitung haben schon jetzt Lokalseiten reduziert und produzieren Regionalteile, in denen die Arbeit mehrerer Lokalredaktionen zusammenfließt. Ein erster Schritt, die Arbeit der Redaktionen zu entzerren und Kosten zu sparen. In Thüringen und Sachsen-Anhalt haben die Zeitungen bislang auf diese Maßnahme verzichtet.

Tipps für Zeit der Ausgangssperre

Die Krise fordert von den Zeitungsmachern aber auch Kreativität: Weil man nun deutlich weniger über Sport und Veranstaltungen berichten könne, liefert beispielsweise die Freie Presse jetzt statt einer Seite mit Veranstaltungshinweisen „Tipps für Zuhause“. Gleichzeitig fordert das Blatt seine Leserinnen und Leser dazu auf, die Redaktion über kreative Ideen und Initiativen zu informieren, damit sie darüber berichten kann. Außerdem hat die Zeitung mal eben ein neues Online-Video-Format ins Leben gerufen: Im "Corona-Call - Journalismus im Ausnahmezustand“ berichten die Zeitungsmacher über ihren Alltag. In der ersten Folge steht Chefredakteur Torsten Kleditzsch Rede und Antwort über den neuen Redaktionsalltag.

Auch der drohenden Langeweile des Nachwuchses begegnen die Zeitungsmacher kreativ: Die Magdeburger Volksstimme hat die tägliche Terminseite durch die Kinderseite ersetzt, die bislang nur einmal pro Woche am Samstag erschien. Und die Mitteldeutsche Zeitung will alle Kinderseiten, die bislang nur im bezahlpflichtigen ePaper zu erhalten waren, kostenlos online stellen.

Mehr zum Thema: Wie arbeiten Journalisten in der Krise?

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