Eine stilisierte Szene in einer Schule. Eine Lehrkraft steht an einer beschriebenen Tafel. Ein Schüler meldet sich.
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Digitale Schule Medienbildung an Schulen

16. März 2022, 14:46 Uhr

Früher lernten wir das "ABC", heute lernen unsere Kinder das "Internet ABC". Schon die Kleinsten sollen spielerisch auf die Chancen und Gefahren der neuen Medien aufmerksam gemacht werden. Doch wie steht es um die Medienbildung der Schülerinnen und Schüler im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks? Das größte Problem: Personalmangel auf allen Ebenen. Ob ein Schulfach die Lösung sein könnte, darüber gibt es eine breite Debatte.

Die Corona-Krise hat eindrücklich gezeigt, dass Medienbildung im Unterricht noch am Anfang steht. Das Resultat: mangelhaft. Drei Faktoren unterscheiden sich in der Medienbildung: Die Ausstattung aller Schulen mit schnellem Internet und technischen Geräten, die Eingliederung der Medienbildung in die Unterrichtsfächer sowie der Einsatz technischer Geräte im Unterricht. Hierzu zählen hauptsächlich Tablets, Whiteboards, und Laptops. Ohne technische Ausstattung und einen Internetzugang ist Medienbildung an Schulen kaum möglich. Die im vergangenen Jahr erschienene Studie "Digitale Schule - Der Länderindikator 2021" der Deutschen Telekom Stiftung belegt, dass diese technischen Medien viel zu selten eingesetzt werden. Während Sachsen und Sachsen-Anhalt bei der Nutzung dieser Technik jeweils einen der vorderen Plätze belegen, reiht sich Thüringen hinten ein.

Der Bund fördert mit 6,5 Mrd. Euro

Bund und Länder haben die Digitalisierung mit der Initiative "DigitalPakt Schule" massiv vorangetrieben. Insgesamt werden deutschlandweit 6,5 Mrd. Euro Fördermittel bereitgestellt und auf die Bundesländer verteilt. Die drei Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erhalten insgesamt 519 Mio. Euro aus dem Fördertopf. Grundlage zum Erhalt der Gelder ist ein umfassendes Medienkonzept jeder Schule. Sie müssen ein Konzept zur Verwendung der Geräte im Unterricht vorlegen. Dementsprechend zahlt das Land die Beträge aus.

Collage aus Bundesadler, Münzstapel, Hand, Paragrafenzeichen, Person am Schreibtisch und Deutschland mit eingezeichneten Ländergrenzen. Dazu der Schriftzug "Was ist der Digitalpakt?" 1 min
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Wie war das nochmal mit dem Digitalpakt? Wer steckt hier wieviel Geld hinein? Wer bekommt dieses Geld am Ende und wofür darf es ausgegeben werden? Unsere Animation klärt die wichtigsten Punkte.

Di 28.04.2020 10:52Uhr 01:17 min

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Ein komplexes System

Ein großes Problem, die Medienbildung an Schulen voranzubringen, liegt in der Komplexität des Bildungssystems. Im Grunde gibt es drei Säulen: Die Bildungsministerien der Länder bilden die größte Säule, sie verwalten die Gelder. Ihnen unterstellt sind die Schulträger, meist Stadt, Kommune oder privater Träger. Die Landesmedienanstalten bilden die zweite Säule. Ihre Medienpädagoginnen und Medienpädagogen geben Schulungen zu bestimmten Themen vor Ort. Daneben gibt es die Medienkompetenzzentren. Sie organisieren u.a. Tagungen zum Austausch von Schulen, Wissenschaftlern und anderen Beteiligten. Alle drei Säulen greifen ineinander und fördern im Idealfall die Digitalisierung und Medienbildung an Schulen - beginnend mit Lerninhalten rund um Medien bis hin zur technischen Ausstattung von Schulklassen.

Blaues Drei-Säulen-Modell mit dem Titel "Digitalisierung und Medienbildung an Schulen" vor gelbem Hintergrund: Fundament mit der Aufschrift "Bund - Digitalpakt: 6,5 Mrd.", drei Säulen mit den Aufschriften "Bildungsministerien", "Landesmedienanstalten" und "Kompetenzzentren". Neben dem Drei-Säulen-Modell ist eine stilisierte Figur mit einem Helm, einem Speer und einer Eule auf dem ausgestreckten Arm zu sehen.
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Thüringen setzt zukünftig auf das neue Fach "Informatik und Medien". Es soll in den fünften Klassen umgesetzt werden - zunächst an 23 digitalen Pilotschulen. Die Inhalte sind angelehnt an das bereits existierende Fach Medienkunde. In Zukunft sollen alle Schülerinnen und Schüler mindestens eine Wochenstunde Medienkompetenz erhalten. Das Fach vermittelt die technische Seite und beantwortet Fragen zum Umgang mit persönlichen Daten im Internet. Die Medienpädagogin von der Initiative "Schau Hin", Iren Schulz, betont: "Ein eigenständiges Fach ist wichtig, aber andere Schulfächer dürfen sich nicht aus der Verantwortung ziehen." In Thüringen gibt es zahlreiche Schulprojekte mit Pilotcharakter. So auch das Projekt "Programmieren in der Grundschule". Kathrin Wagner von der Thüringer Landesmedienanstalt zieht Bilanz aus dem letzten Jahr: "Die Themen Hass und Hetze oder auch Fake News und Falschinformationen müssen im Bildungsbereich Thüringen intensiver behandelt werden." Wichtig sei, dass die Schulen ein eigenes Leitbild entwickeln und ihre Erfahrungen austauschen.

Man hätte sich gewünscht, dass dafür schon früher Konzepte vorliegen. Unser Alltag und die Arbeitswelt sind längst digital und da müssen wir auch mit unseren Schülerinnen und Schülern hin.

Dr. Iren Schulz | Initiative SCHAU HIN!

Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) kümmert sich im Freistaat um die Fortbildung von Lehrkräften. Besonders gefragt sind Seminare zur Bedienung technischer Geräte im Unterricht. Auch die "Thüringer Schulcloud" wird vom ThILLM betreut. Die Online-Lernplattform bietet aufbereitete Materialien für Lehrkräfte. Für Kinder ist die Technik nichts Neues, doch die Ausbildung der Lehrkräfte hinkt. "Hauptsache man fängt mal an", moniert Iren Schulz.

Vielerorts gilt auch die Frage: Wer soll sich um die Wartung und Pflege der Geräte kümmern? "Diesen Mehraufwand sehen viele Lehrerinnen und Lehrer nicht ein", sagt Rigobert Möllers, Pressesprecher und Referatsleiter für Lehrplanentwicklung in Thüringen. Auch hier besteht noch Klärungsbedarf. In Thüringen gibt es zehn Medienpädagoginnen und Medienpädagogen – zehn Fachkräfte zuständig für etwa 900 Thüringer Schulen. Erwartungsgemäß sind sie schon Monate im Voraus ausgebucht. Es mangelt also nicht nur am Kenntnisstand, sondern vor allem auch am Personal.

Porträt von Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt. 19 min
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Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt, sprach mit MEDIEN360G über Medienkompetenz als Alltagskompetenz und wie bestimmend diese für das Miteinander in unserer Gesellschaft ist.

Di 08.03.2022 14:07Uhr 19:02 min

https://www.mdr.de/medien360g/medienwissen/interview-medienkompetenz-jochen-fasco-100.html

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Das Bildungsministerium in Sachsen spricht von einer "zeitgemäßen Ausstattung" und einem "fächerübergreifenden Einsatz der Medien". Auch hier hat die Medienbildung noch nicht den Stellenwert erreicht, den sich das Bildungsministerium wünscht. Es gibt genügend schulische Konzepte und Ideen, doch Papier ist bekanntlich geduldig. "Die sächsischen Medienkonzepte der Schulen müssen noch stärker mit Leben erfüllt werden", stellt Roman Schulz vom Landesamt für Schule und Bildung fest. Inzwischen sind zwar alle Schulen an die Schulcloud "LernSax" angeschlossen, doch noch nicht alle besitzen einen Internetanschluss. Hier liegt das Problem. "Die Konzepte seien zwar vorhanden, aber ohne Internet treten wir weiter auf der Stelle", so Roman Schulz.

Der Plan des Bildungsministeriums sieht sechs Stufen der Medienbildung vor. Diese sind jedoch nur an Schulen mit Internetanschluss umsetzbar. Bereits im Grundschulalter sollen sie eingeführt werden. Konkret enthalten sind zielführende Suchanfragen im Internet und der sichere Umgang mit den eigenen Daten. Im Laufe des Werdegangs einer Schülerin oder eines Schülers wird das Erlernte vertieft und um praxisbezogene Medienprojekte ergänzt. Doch das ist Zukunftsmusik. Vor allem die Landesmedienanstalten sehen Förderbedarf. Eine Lösung können lokale Netzwerke sein, an denen sich Schulen beteiligen. Alle Beteiligten sollten sich besser austauschen und an einem Strang ziehen, betont Roman Schulz vom Landesamt für Schule und Bildung.

In Sachsen-Anhalt setzt man nicht auf ein Unterrichtsfach. Dies sei "aufgrund des Lehrermangels schwierig umzusetzen", gesteht Alexander Karpilowski vom Medienkompetenznetzwerk Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt kommen verschiedene Software-Systeme zum Einsatz: Ein Bildungsserver bietet technische Unterstützung für Lehrende und auch für Schülerinnen und Schüler. Mit "emuTube" können Dateien sicher abgelegt werden. Zusätzlich wird die Lernplattform "Moodle" verwendet. Inzwischen haben alle Schulen ihren eigenen Zugang zu den Servern. Doch die Installation der technischen Geräte lässt auch hier zu wünschen übrig. Ein Videokonferenzsystem sei in Planung.

"Zum Teil sind unsere Lehrkräfte überfordert mit den Geräten oder können den zeitlichen Mehraufwand nicht leisten", so Alexander Karpilowski. Um hier Unterstützung zu bieten, gibt es das Medienkompetenznetzwerk Sachsen-Anhalt. Alexander Karpilowski ist einer der fünf beteiligten Medienpädagogen. Mit drei Medienmobilen besuchen sie täglich mehrere Schulen, um bei IT-Fragen zu helfen. Auch hier liegt ein massiver Fachkräftemangel auf der Hand: "Es gibt Lehrkräfte, die zusätzlich als Medienberater tätig werden, insgesamt 15 für alle Kreise, aber die machen das nur nebenbei", erklärt Karpilowski. Fazit: Es mangelt nicht nur an Lehrkräften, sondern auch an Medienfachkräften.

Baustellen der digitalen Schule

Es fehlt sowohl an Lehrerinnen und Lehrern als auch an Medienpädagoginnen und Medienpädagogen. "Ideal wäre eine Fachkraft pro Schule oder zumindest ein Ansprechpartner, der wöchentlich vor Ort ist", so Iren Schulz. Um die Ziele des DigitalPaktes zu erreichen, empfiehlt sie ein Belohnungssystem für Lehrkräfte zur Teilnahme an Seminaren. Aus der Sicht von Karpilowski seien private und freie Schulen schon einen Schritt weiter, "sie ersparen sich zeitraubende Umwege, um Gelder zu beantragen". Während sie schon vermehrt Medienpädagoginnen und -pädagogen beschäftigen, sind kommunale und städtische Schulen noch nicht so weit. Daraus könne man lernen und sich mit den freien Schulen austauschen.