Messengerdienste WhatsApp - Kommunizieren ohne Limit?

Die SMS ist tot, lang lebe die SMS? Die nackten Zahlen sprechen Bände: Zu besten Zeiten gingen 60 Milliarden SMS pro Jahr über das deutsche Mobilfunknetz. 2017 tippten Handynutzer nur noch rund 10 Milliarden Kurznachrichten. Ein Grund für den enormen Einbruch ist das Aufkommen der Messengerdienste. Darunter der erfolgreichste Messenger weltweit – WhatsApp. Zeit, einen Blick zurück und einen voraus zu werfen.

Ein Mensch mit Emoji-Gesicht rennt rasend schnell einem traurigen Smilie davon. Der Titel "Siegeszug der Messenger" ist im Hintergrund zu sehen. 1 min
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Zeichenbegrenzung? Nur ein Empfänger? Keine bunten Bilder? So sahen die Zeiten mit SMS vor Messengerdiensten aus. WhatsApp ist einer der erfolgreichsten – und wird am 24. Februar 2019 zehn Jahre alt.

Fr 22.02.2019 10:07Uhr 00:58 min

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Es waren 14 Buchstaben, die am Beginn einer medialen Revolution standen. "Merry Christmas" tippte Neil Papworth Anfang Dezember 1992 in seinen Computer. Diese Nachricht landete schließlich bei einem Manager des britischen Telekomkonzerns Vodafone. Die erste SMS war geboren. "Keiner konnte sich überhaupt ausmalen, wie gigantisch das SMS-Phänomen einmal werden würde", so Papworth. Eine SMS sollte im Sinne des Entwicklerteams vor allen Dingen eines sein: kurz. Beim Short Message Service (zu Deutsch: Kurznachrichtendienst) hörte deshalb die Nachricht bereits bei 160 Zeichen auf.

Kurze Nachricht mit großer Wirkung

Der Weihnachtsgruß war nur der Anfang. Es dauerte nicht lange und der erste Text wurde von einem Handy an ein anderes versandt. Im Schnitt kostete eine SMS 39 Pfennig, später rund 20 Cent pro Kurznachricht. Die alljährlichen Bilanzen der Mobilfunkanbieter rangierten im Milliardenbereich. Die Kurznachrichten-Ära erreichte ihren Höhepunkt laut Bundesnetzagentur 2012, als fast 60 Milliarden SMS über das deutsche Mobilfunknetz gingen. Die Zahlen fielen anschließend ins Bodenlose. Grund dafür war ein anderes Pionierprojekt, das Nachrichten länger, multifunktionaler und günstiger werden ließ – der Messengerdienst.

Als die Alternative zur Ablöse wurde

 "WhatsApp startete als Alternative zur SMS", so sieht es das amerikanische Unternehmen selbst. Längst scheint aus der Alternative eine Konvention geworden zu sein. Während immer seltener Kurznachrichten versendet werden, steigen gleichzeitig die Nutzerzahlen des Messengerdienstes. In Deutschland kommunizieren laut einer Statista-Umfrage Jugendliche am häufigsten über WhatsApp. Besonders in der Altersgruppe 14 bis 19 Jahre ist WhatsApp sehr beliebt: Rund 98 Prozent nutzen diesen Messenger. In der Altersgruppe 30 bis 49 ist jeder Dritte auf WhatsApp aktiv.

Früher war alles kürzer

Ein Kurznachrichtendienst, der auf schnell und kompakt übermittelte Textnachrichten setzt, ist schwer mit einem Messengerdienst zu vergleichen, der kaum ein Zeichenlimit kennt. Der Sprung von SMS zur Textnachricht bei Messengerdiensten zeigt die Absurdität: Während sich Handynutzer in den Anfangsjahren bei einer SMS auf 160 Zeichen beschränken mussten, lassen sich bei WhatsApp Nachrichten bis zur 400-fachen Länge verschicken – ausgedruckt ergibt das ein Buch von drei Dutzend Seiten.

Monika Taddicken, Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Technischen Universität Braunschweig, sieht den Erfolg von Messengerdiensten zweierlei begründet: "In einer Nachricht können viele verschiedene Personen erreicht werden mit unterschiedlichen Zusatzinformationen wie Kontaktdaten, Standorten und Links. WhatsApp ist ein multimediales Tool und deutlich reichhaltiger als die frühe Chatkommunikation.", sagt Taddicken im Interview mit BR 2.

Was sind Messengerdienste?

Nachrichten von Instant Messenger-Diensten werden über Server verschickt. Da die Anbieter der Messengerdienste private Unternehmen sind, landen die Daten oftmals auf Servern in anderen Staaten wie in der USA. Zu den sechs erfolgreichsten Messengerdiensten in Deutschland zählen WhatsApp, Facebook Messenger, Skype, Snapchat, imessage und Telegram. Bei Messengerdiensten lassen sich neben Kontaktdaten, Standorten und Links auch Bilder, Videos, Sprachnachrichten, Gifs, Sticker und Emojis versenden. Um diese Inhalte zu verschicken, muss nicht nur beim Sender sondern auch beim Empfänger die Messenger-App installiert und der Nutzer angemeldet sein. Das Telefonbuch des Nutzers wird anschließend abgeglichen und zeigt die bei der App aktiven Kontakte an. Bei der SMS reicht lediglich die Mobilfunknummer, um Inhalte zu verschicken. Die Technik der SMS hat sich seit der Einführung 1992 nicht viel verändert. Als Kurznachricht verschickte Texte können nicht formatiert werden, und auch das Zeichenlimit bleibt erhalten. Bei Bilder- oder Videoversand greift die MMS (zu deutsch: Multimedia Messaging Service). Bei Mobilfunkanbietern kostet der Versand einheitlich 39 Cent.

Von Astronauten und lachenden Hundehaufen

Emojis haben als versendbare Piktogramme die Smilies aus SMS-Zeiten längst abgelöst. Die bunten Chatsymbole sind mit Einhorn-Kissen, Astronauten-Wandaufklebern und Hundehaufen-Hüten in der Popkultur angekommen. Messengerdienste bieten mittlerweile eine Vielzahl eigener Chatsymbole an. "Emojis helfen, Missverständnisse auszuräumen. Was sonst über die Modulation der Stimme erreicht wurde, um Emotionen wie beispielsweise Ironie auszudrücken, war in reinen Texten damals nicht möglich.", so Monika Taddicken.

Doch sieht sie den Aufstieg der Messengerdienste durchaus kritisch. Befördert durch das beinah unlimitierte Versenden von Textnachrichten werden getroffene Entscheidungen unverbindlicher. "Dieses 'Ich überlege es mir noch mal' und 'Ich melde mich später' ist heute leichter möglich als früher", so Taddicken.

Quo vadis WhatsApp?

Die Gründungsväter von WhatsApp, Brian Acton und Jan Koum, haben ihr Baby längst in andere Hände gegeben. Facebook kaufte den Messengerdienst 2014 für 19 Milliarden Dollar. Geschadet hat es nicht, denn im Januar 2018 vermeldete WhatsApp rund 1,5 Milliarden aktive Nutzer weltweit. Doch das amerikanische Unternehmen geriet seitdem mehrfach in das Kreuzfeuer der Kritik.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sicherte den beiden Männern zu, der Messenger bleibe unabhängig und werbefrei. Aktuell plant Facebook jedoch eine Mega-Chat-Plattform, die seinen eigenen Messenger, Instagram und WhatsApp miteinander vernetzt. Hier kollidieren die unterschiedlichen Funktionsweisen der Online-Giganten: Während WhatsApp seit Gründung vergleichsweise wenig Nutzerdaten wie die Telefonnummer auf dem Smartphone einfordert, basiert Facebooks Geschäftsmodell auf den Daten der Nutzer-Accounts, die dem Unternehmen ermöglichen, personalisierte Werbung zu schalten. Die WhatsApp-Gründer saßen zwar nach der Übernahme noch einige Jahre im Vorstand von Facebook, doch verließen sie am Ende beide den Tech-Konzern. Brian Acton wendete darüber hinaus 50 Millionen Dollar für eine gemeinnützige Stiftung auf, die sich mit verschlüsselter Kommunikation und Datenschutz befasst und Technologien dafür entwickeln will. Sein Appell auf Twitter "It is time. #deletefacebook" (zu deutsch: Es ist Zeit #löschtfacebook) vor einem Jahr verdeutlicht sein Zerwürfnis mit Facebook.

Obwohl das Gründungsdatum von WhatsApp bereits zehn Jahre zurückliegt, steckt das globale Unternehmen unter der Obhut Facebooks in einer neuen Findungsphase. In welche Richtung sich der Chatdienst entwickelt, zeigen bereits die nächsten Monate. Der Mutterkonzern kündigte an, dass künftig auch bei WhatsApp Werbung geschaltet wird.