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Außenministerin Annalena Baerbock stellte am Mittwoch die Leitilien für eine feministische Außenpolitik vor. Bildrechte: IMAGO / Christian Spicker

Feministische AußenpolitikBaerbock: Keine Revolution, sondern eine Selbstverständlichkeit

01. März 2023, 18:10 Uhr

In den zehn Leitlinien, die Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin vorgestellt hat, geht es um die Arbeit des Ministeriums nach außen, aber auch um die innere Struktur. Die Grünenpolitikerin stellte klar, Feminismus werde nicht alle Probleme lösen. In dem Papier heißt es aber auch, dass Frauenrechte ein Gradmesser für Gesellschaften sind. Zudem stellte Entwicklungsministerin Svenja Schulze ein Konzept für eine feministische Entwicklungspolitik vor.

Das Außen- und das Entwicklungsministerium wollen in ihrer Arbeit künftig Frauen stärker fördern. Das kündigten Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze am Mittwoch in Berlin an. Das Bundeskabinett hatte zuvor ihre beiden neuen Strategien für eine feministische Außen- und Sicherheitspolitik zur Kenntnis genommen. "Wir rufen heute keine Revolution aus, sondern eine Selbstverständlichkeit", sagte Baerbock.

30 Staaten für feministische Außenpolitik

Rund 30 Staaten hätten sich offiziell feministischer Außenpolitik verschrieben, betonte die Außenministerin. Es gelte dabei auch, von anderen Staaten zu lernen, die eine solche Politik bereits berücksichtigten. Baerbock und Schulze gaben Beispiele für konkrete Projekte. So seien in Sambia Frauen bei der Planung eines Wassersystems einbezogen worden. In Kolumbien spielten Frauen eine große Rolle beim Friedensprozess. Bei der humanitären Hilfe sei es etwa beim Aufbau eines Dorfes wichtig, die Interessen aller dort lebenden Menschen zu berücksichtigen. Dazu gehörten Schulen, aber auch die medizinische Versorgung von Kleinkindern und der Zugang zu Hygieneartikel für Frauen.

Es gehe darum, Frauen in drei Bereichen zu stärken – bei Rechten, mit Ressourcen und bei der Repräsentanz. Baerbocks Ministerium führte das Konzept auf 88 Seiten aus. Es formuliert zehn Leitlinien, die sowohl das Wirken des Ministeriums nach außen als auch die innere Struktur betreffen. Die Leitlinien gelten jedoch nur für die Arbeit des Auswärtigen Amts, nicht für die der gesamten Bundesregierung. Zudem stellte auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze Leitlinien für eine feministische Entwicklungspolitik vor. 

Projekte fördern, von denen Frauen profitieren

Konkrete Auswirkungen könnten die Leitlinien auf die Verwendung der finanziellen Mittel des Ministeriums haben. Bis 2025 sollten 85 Prozent der Projektmittel "gendersensibel" ausgegeben werden – das bedeutet, vor Verwendung der Mittel muss ausdrücklich ein Augenmerk darauf gelegt werden, wie Frauen davon profitieren. Weitere acht Prozent sollten "gendertransformativ" ausgegeben werden und damit aktiv zur Gleichstellung beitragen. Ziel sei es, ein Bewusstsein in der Gesellschaft für Stereotype und schädliche Normen zu schaffen und zu verändern.

Weitere Leitlinien des Konzepts betreffen etwa die Integration der Perspektiven von Frauen und marginalisierten Gruppen in der weltweiten Arbeit des Amts für Frieden und Sicherheit, das Engagement für eine größere Teilhabe von Frauen und marginalisierten Gruppen in Friedensprozessen und der Kampf gegen sexualisierte und geschlechtsspezifsche Gewalt in bewaffneten Konflikten. 

Zudem sollen im Auswärtigen Amt mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Derzeit sind laut Baerbock nur 26 Prozent der Botschafterposten mit Frauen besetzt. Es sollen Chancengleichheit, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld, flexibles Arbeiten und Vielfalt gefördert werden.

Baerbock: "Frauenrechte sind ein Gradmesser für den Zustand der Gesellschaften"

Die feministische Ausrichtung werde sich "durch alle Bereiche der Außenpolitik ziehen", sagte Baerbock und nannte als Beispiele Friedensmissionen, Krisendiplomatie, humanitäre Hilfe und auswärtige Kulturpolitik. In dem Konzept heißt es: "Frauenrechte sind ein Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaften".

Alle Menschen würden profitieren, wenn jeder und jede die gleichen Chancen und Rechte habe, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das Papier betont: "Gesellschaften, in denen Gleichstellung verwirklicht oder zumindest angestrebt ist, sind friedlicher, gerechter, nachhaltiger und wirtschaftlich erfolgreicher als solche, die Frauen und andere von der Teilhabe ausschließen."

Die Idee der feministischen Außenpolitik wird bereits seit mehr als 100 Jahren diskutiert. Als wichtiger Meilenstein gilt der Internationale Frauenkongress in Den Haag 1915. Schweden bekannte sich 2014 offiziell als erstes Land zu einer feministischen Außenpolitik. Es folgten andere Länder wie Kanada, Mexiko und Spanien. Allerdings kündigte die neue rechtsgerichtete Regierung in Schweden bereits an, das Konzept zu kippen.

KNA,dpa,reuters (kar)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 01. März 2023 | 09:00 Uhr