Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Corona-Newsletter | Mittwoch, 15. Juni 2022Immer mit dabei: Corona

16. Juni 2022, 07:09 Uhr

Zwei Jahre Corona-Warn-App. Was bringt eine rote Warnung derzeit und was haben wir aus zwei Jahren mit dieser App gelernt? Außerdem: Der Expertenrat der Bundesregierung, eine Sommer- und eine Herbstwelle. Und die Erkenntnis: Erkältungszeit ist das wohl ganze Jahr über.

Einen schönen guten Abend! 

In den vergangenen 24 Stunden wurden 112 Menschen gezählt, die an Corona gestorben sind. Daran muss man sich immer mal wieder an sonnigen und unbeschwerten Tagen erinnern. Denn die Infizierten-Zahlen sind hoch. Aber sie interessieren vermutlich nicht mehr so viele Menschen wie noch Anfang des Jahres.

Und auch eine rote Warnmeldung in der Corona-Warn-App, die gerade zwei Jahre alt wird, schreckt wohl nicht mehr viele auf. Corona-Warn-App und unser derzeitiger Umgang mit Corona – darüber möchte ich Ihnen heute schreiben.

Kekulé glaubt, dass Impfungen die Sommerwelle nicht mehr verhindern können. Er vermutet, dass eine vierte Impfung vor dem Herbst besser sei. Und gefühlt seit Jahren sagt er, Impfungen reduzieren das Ansteckungsrisiko, aber man wisse nicht, wie lang: "Wir sollten uns nicht nur auf Impfungen verlassen, sondern wir müssen Infektionen vermeiden." Vor allem bei den Risikogruppen. Das seien vor allem alte und übergewichtige Menschen.

Ein Gedanke, den ich so noch nicht gehört hatte: Wir müssen uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass Atemwegserkrankungen (Corona, Grippe etc.) nicht nur im Herbst und Winter auftreten, sondern immer Saison haben.

Und dieser Gedanke hat Folgen: Sind CO2-Messgeräte in Schulen sinnvoll? Kekulé hält sie für Geldverschwendung und plädiert eher für ordentlich installierte Luftreinigungsgeräte.

"Wir müssen uns um die Luftreinhaltung kümmern."

Kekulé vergleicht die Situation mit der Toleranz, die wir beim Rauchen in Kneipen und Discos hatten und haben: früher akzeptiert, heute nicht mehr.

Er fordert deshalb, jetzt eine offene Diskussion in der Gesellschaft zu führen: Nehmen wir in den Schulen hin, dass sich alle Kinder im Herbst dort anstecken?

Corona hat nicht fertig: Weder im Sommer...

Vor einer Sommerwelle hatte Charité-Virologe Christian Drosten Anfang März gewarnt (PDF), genauso wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Sie steht jetzt bevor. Seit den Pfingstfeiertagen steigen die Coronazahlen wieder.

Drosten hatte im Frühling gesagt, es wird wohl keinen infektionsfreien Sommer geben. Das sei aber nicht bedrohlich – jedenfalls nicht für uns als Gesamtgesellschaft – weil die Corona-Variante weniger schwere Verläufe verursache.

Und so weist das RKI auf seiner Internet-Startseite auch im dritten Corona-Sommer auf die Regeln hin:

  • Abstand halten,
  • Hygieneregeln beachten,
  • Maske im Alltag tragen,
  • Corona-Warn-App nutzen,
  • Lüften,
  • bei Atemwegssymptomen zu Hause zu bleiben und sich testen zu lassen und auf vollständigen Impfschutz achten

...noch im Herbst

Im Herbst allerdings erwartet Drosten eine bis März anhaltende Welle mit vielen Arbeitsausfällen. Ein Grund: Viele Menschen verlieren den Übertragungsschutz. Deshalb werde es ab Oktober sehr viele Ansteckungen geben, nimmt Drosten an: "Es wird schwierig sein, dies allein über eine Impfkampagne abzumildern."

Für den Herbst hat der Expertenrat der Bundesregierung in seiner Stellungnahme (PDF) drei Szenarien durchgespielt: ein günstiges, ein Basisszenario und ein ungünstiges Szenario.

Grundsätzlich geben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eine klare und für viele kaum überraschende Empfehlung:

sich auf den Herbst vorbereiten

(Nur einige Politiker oder Politikerinnen wirken mitunter überrascht, wie wichtig eine Vorbereitung ist.)


Denn das Gesundheitssystem und weitere kritische Infrastruktur "könnten wahrscheinlich erheblich belastet werden". Auch wenn "wahrscheinlich" und "könnten" in einem Satz eine merkwürdige Formulierung ist, nennen die Wissenschaftler einige Gründe für ihre Einschätzung:

  • verbleibende Immunitätslücke bei Ungeimpften
  • abnehmende Immunität bei Geimpften oder Genesenen
  • ein sich weiter entwickelndes Virus
  • weitere Atemwegserkrankungen (Influenza und RSV, das Respiratorische Synzytial-Virus)

"Darüber hinaus können auch Co-Infektionen von SARS-CoV-2 und Influenzaviren zu schwereren Krankheitsverläufen führen", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Stellungnahme. Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder könnten betroffen sein und die Kinderkliniken be- und überlasten. So sagt es auch Virologe Kekulé in der aktuellen Ausgabe seines MDR-Podcasts.

Der Expertenrat wünscht sich,

  • dass schwere Krankheits- und Todesfälle vermieden werden,
  • dass weder das Gesundheitssystem noch weitere kritische Infrastrukturen überlastet werden und
  • dass gesundheitliche Spätfolgen von Corona (Long/Post-COVID) vermieden werden.

Außerdem schreibt der Expertenrat, dass die Menschen Corona derzeit wohl nicht mehr als riskant für ihre eigene Gesundheit und das Gesundheitssystem ansehen – wegen der geringeren Krankheitsschwere der Omikron-Variante und der Impfquote.

"Dadurch nimmt auch die Bereitschaft für freiwilliges Schutzverhalten (wie zum Beispiel das Tragen von medizinischem Mund-/Nasenschutz) deutlich ab. Zudem sind Impfungen – wie zum Beispiel die wichtige Booster-Impfung – aktuell wenig nachgefragt."

Ich habe gerade einmal im aktuellsten Wochenbericht des RKI (PDF) nachgeschaut und war erneut erschreckt: Seit Beginn der Pandemie sind 85 Prozent der Toten älter als 70 Jahre. Dabei sind unter den Erkrankten nur etwa sieben Prozent älter als 70 Jahre. 

Auf einen Blick: die aktuellen Zahlen

Dem Robert Koch-Institut (RKI) sind heute, Mittwoch, 15. Juni 2022, bundesweit 92.344 neu positiv Getestete gemeldet worden (Stand 7:20 Uhr). Im Vergleich zum Mittwoch vor einer Woche ist die Zahl der gemeldeten Neuinfizierten um rund 12.000 höher.

Die meisten Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag melden Nordrhein-Westfalen (+22.598) und Niedersachsen (+15.100). Die niedrigsten Werte wurden aus Hamburg (+811) und Thüringen (+704) gemeldet.

Die höchsten 7-Tage-Inzidenzen laut RKI verzeichnen Niedersachsen (721,7) und Hessen (669,4).

Bundesweit sind 112 Menschen im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben.

Sachsen

  • Aktive Fälle ~ 25.200 (~+1.300)
  • Hospitalisierungsrate*: 1,33 (+0,52)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 29 (+2), davon 10 beatmet, 68 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 64,6 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 43,5 Prozent
  • 18-59 Jahre: 66,7 Prozent
  • 60+ Jahre: 84,0 Prozent
  • 1. Auffrischungsimpfung: 49,1 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 15.564 (+0 zum Vortag)

Thüringen

  • Aktive Fälle ~ 6.000 (~+300)
  • Hospitalisierungsrate*: 3,54 (+0,85)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 9 (-2), davon 1 beatmet, 49 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 69,4 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 51,5 Prozent
  • 18-59 Jahre: 71,3 Prozent
  • 60+ Jahre: 87,8 Prozent
  • 1. Auffrischungsimpfung: 52,4 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 7.336 (+5 zum Vortag)

Sachsen-Anhalt

  • Aktive Fälle ~ 11.200 (+500)
  • Hospitalisierungsrate*: 2,93 (+0,78)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 12 (-4), davon 6 beatmet, 43 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 73,4 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 51,0 Prozent
  • 18-59 Jahre: 76,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 91,2 Prozent
  • 1. Auffrischungsimpfung: 55,6 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 5.383 (+4 zum Vortag)

* Die Hospitalisierungsrate beschreibt die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten COVID-19-Fälle. Durch Übermittlungsverzug wird die Rate in gewissem Maß unterschätzt, schreibt das RKI. Ein deutschlandweit gültiger Grenzwert dafür, welche Maßnahmen eine bestimmte Hospitalisierungsrate nach sich ziehen, wurde nicht festgelegt. Warum die Hospitalisierungsrate in der jetzigen Form als neue Corona-Kennzahl untauglich ist, erklärt MDR-Datenjournalist Manuel Mohr in diesem Artikel.

(Quellen: Hospitalisierungsrate, aktive Fälle: RKI | Intensivpatienten: Divi | Impfquote: RKI | Todesfälle: RKI)

Alle Grafiken und weiteren Zahlen finden Sie hier in den Übersichten der Kolleginnen und Kollegen.

Jajaja: Wir müssen mit Corona leben

Die Krankheit geht nicht wieder weg und wir müssen mit ihr leben – diese Art Mantra hören wir schon seit Jahren.

Erst jetzt sehen wir vermutlich, was das bedeutet: 92.344 neu Infizierte heute – und es sind sicher noch mehr.

Nicht nur, weil Gesundheitsämter es nicht schaffen, Kontakte nachzuverfolgen und Daten zu melden – sondern wohl auch, weil sich zum Beispiel nicht alle Mitglieder einer Familie offiziell testen lassen.

Wenn zum Beispiel eine Mutter infiziert ist und nach und nach der Mann im Home-Office und die Kinder einen positiven Selbsttest haben. Wozu sollten diese positiven (Schnell)Getesteten durch die Gegend zu einer Teststelle fahren? Oder die Großeltern, die zu Besuch waren, die sich zu Hause positiv getestet haben und denen der Arzt rät, sich zu schonen?

Solche Fälle tauchen dann nicht in der offiziellen Statistik auf.

Das ist dann diese Eigenverantwortung. Sie kommt derzeit auch ins Spiel, wenn die Corona-Warn-App eine rote Warnmeldung zeigt.

Zwei Jahre Corona-Warn-App: Was bringt sie noch?

Und eine rote Warnmeldung in der App fängt man sich derzeit leicht ein: Es gibt wieder viele Veranstaltungen, Messen, Konferenzen und dank des Neun-Euro-Tickets auch volle Züge.

Bei einer roten Warnmeldung steht dann in der Corona-Warn-App das Datum der Begegnung und Verhaltenshinweise.

All das finde ich mittlerweile leichter zu verstehen als zu Beginn:

  • "Sie werden gewarnt, wenn Sie sich zur selben Zeit oder bis 30 Minuten nach der positiv getesteten Person im selben Raum aufgehalten haben".
  • Verhalten: Hygiene beachten, nach Hause gehen, Begegnungen vermeiden, auf Krankheitssymptome achten und einen Test machen.

Auch wer sich nicht an all das halten mag: Ich finde es gut, dass die App uns quasi daran erinnert, dass es Corona weiterhin gibt und dass man selbst auch weiterhin andere Menschen anstecken kann. 

Thomas Renner, der im Bundesgesundheitsministerium die Unterabteilung "Digitalisierung und Innovation" leitet, hat den Kollegen von MDR SACHSEN gesagt, dass eine solche Warnung die Nutzer ermuntert: "Dass man hinterfragt, welche Situation könnte es an dem Tag gewesen sein? Hat man eine Maske getragen? War es draußen oder in einem geschlossenen Raum?"

Auch Bianca Kastl, die ein Gesundheitsamt in Süddeutschland berät und IT-Expertin für das öffentliche Gesundheitswesen ist, sagt: "Die Reaktion auf eine rote Warnung ist hochgradig individuell und sie ist auch stark von der jeweiligen pandemischen Gesamtsituation abhängig. Inzwischen fürchte ich, dass wir leider etwas abstumpfen." Aber wer sich nach der roten App-Warnmeldung testen lasse und sich vielleicht mit persönlichen Treffen zurückhalte, würde etwas bewirken.

"Die Menge der kleinen Verhaltensänderungen macht hier den Unterschied", sagt Kastl.

Corona-Warn-App: Was wir gelernt haben

Das Bundesgesundheitsministerium sagt, dass die Corona-Warn-App mehr als 30 Prozent des Infektionsgeschehens abbildet. Das sei erstaunlich. Und die Statistik der App ist schon beeindruckend:

  • 45,7 Millionen Downloads
  • 197,5 Millionen empfangene Testergebnisse: von 48,8 Millionen PCR-Tests, 148,7 Millionen Schnelltests
  • 8,5 Millionen geteilte positive Testergebnisse

Auch lassen sich anhand der Nutzung die Corona-Wellen nachzeichnen: Am 9. Februar wurden zum Beispiel so viele Testergebnisse über die App-Infrastruktur verteilt wie nie – fast 1,5 Millionen. Das geht nur digital.

Die App wurde mit IT-Expertise aus der Zivilgesellschaft entwickelt und ist ein Erfolg, sagen alle Menschen, die wir dazu gefragt haben:

Bianca Kastl, IT-Expertin für das öffentliche Gesundheitswesen

  • "Eine gute App für die Gemeinschaft braucht Menschen, die sie nutzen, und Menschen, die sie kritisch begleiten. Apps einer bestimmten Größe und Relevanz brauchen Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Das geht gar nicht anders als mit einem Open Source Projekt wie bei der Corona-Warn-App. Ein Digitalprodukt bedarf außerdem der konstanten Betreuung und Weiterentwicklung. Allerdings fürchte ich, dass diese Erkenntnis bei Politik und Verwaltung nicht sehr lang anhält."

Thomas Renner, Bundesgesundheitsministerium

"Die Corona-Warn-App ist das größte je in Deutschland umgesetzte Open-Source-Projekt im Auftrag der Bundesregierung und zeichnet sich durch seine hohe Transparenz aus. Sie konnte in 50 Tagen realisiert werden, in einer konstruktiven, vertrauensvollen Zusammenarbeit und im Austausch von Bundesgesundheitsministerium, RKI, dem Bundesdatenschutzbeauftragten, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Zivilbevölkerung – vertreten durch den Chaos Computer Club."

Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken

  • "Wir haben gelernt, dass es funktioniert, etwas open source und in Kooperation mit der Zivilgesellschaft zu entwickeln. Der gesamte Prozess lief offen, transparent und im ständigen Austausch mit Fachleuten. Die Softwareentwicklung der Corona-Warn-App entspricht zudem dem Grundsatz "public money, public code". Als öffentlich finanzierte Software gehört sie der Allgemeinheit. Die generierten Daten liegen nicht bei einem Unternehmen, sondern in öffentlicher Hand. Diesen Prozessgrundsatz würde ich mir auch für Entwicklungen in der öffentlichen Verwaltung wünschen."

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion

  • "Die App hat geholfen, zahlreiche Infektionsketten schnell zu unterbrechen. Die Gesamtbetrachtung ergibt mehr Licht als Schatten. Positiv hervorzuheben ist, dass es gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit ein international angesehenes Tool zu entwickeln, das einfach in der Anwendung ist und für eine große Zahl von Nutzerinnen und Nutzern bereitgestellt werden konnte. Wir werden uns auch in Zukunft immer wieder fragen müssen, wie sich Datenschutz und Gesundheitsschutz miteinander vereinbaren lassen."

Zum Schluss zwei Tipps aus der ARD-Mediathek.

Puhdys

Bereits am vergangenen Freitag ist Klaus Scharfschwerdt gestorben, der Schlagzeuger der Puhdys. Man muss kein Puhdys-Fan sein, um die Musik zu kennen. Das letzte Konzert der Band von 2016 können Sie jedenfalls in der ARD-Audiothek schauen.

How to Dad

Man muss auch kein Vater sein, um über diese kurze Serie zu lachen: Vier Väter, die in der Ballettschule auf ihre Kinder warten. Das ist schräg und auch manchmal lustig. Und es zeigt, welche Klischees es gibt und welche Erwartungen an Väter gestellt werden. Auch in der ARD Mediathek.

Ihnen einen schönen Abend.
Alles Gute!

Marcel Roth

Mehr zum Thema

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Mai 2022 | 11:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen