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Corona-Newsletter | Mittwoch, 28. September 2022Die Corona-Pandemie: Ein globales Versagen

28. September 2022, 19:04 Uhr

Der dritte Corona-Herbst beginnt mit neuen Schutzmaßnahmen. Dafür, dass die Welt die Pandemie noch nicht in den Griff bekommen hat, nennt eine Expertengruppe zahlreiche Gründe. Allen voran: Schlechte internationale Zusammenarbeit. Die Wissenschaftler sprechen von "globalem Versagen" und geben Empfehlungen, wie die Kooperation in Zukunft besser gelingt.

von Maren Wilczek, MDR

Guten Abend liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

der Herbst ist da und mit ihm neue Corona-Regeln. Was Sie ab Oktober beachten müssen, erfahren Sie am Ende dieser E-Mail. Einen Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen gibt es selbstverständlich auch.

Vorab geht es um ein anderes Thema: Kritik am Umgang mit der Pandemie. Mein Kollege Marcel Roth schrieb Anfang des Monats in seiner Corona-Vorhersage, "Wir werden auch in diesem Herbst wieder den Kopf schütteln über die Chefs und Chefinnen der deutschen Bundesländer."

Gut eine Woche nach Herbstbeginn kann ich sagen: Ja, stimmt. Sei es im Gespräch mit Freundinnen und Freunden, in sozialen Netzwerken oder im Postfach dieses Newsletters, so richtig zufrieden wirkt niemand mit den Regeln und Gesetzen. Einigen sind sie zu streng, anderen zu lasch, viele sind schlichtweg verwirrt von den vielen Änderungen.

Sehen Sie das anders? Schreiben Sie gerne an corona-newsletter@mdr.de, womit Sie zufrieden sind.

Ein sehr großes Kopfschütteln kam Mitte September von der Covid-19-Kommission der renommierten Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet". Der Umgang mit der Pandemie sei ein massives globales Versagen, schreiben die Expertinnen und Experten – und erklären auf fast 60 Seiten, warum.

In der Kommission beschäftigen sich nach eigenen Angaben 28 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten mit Themen rund um Corona. Das machen sie seit gut zwei Jahren und mit Unterstützung von mehr als 170 weiteren Forschenden.

Im aktuellen Bericht geht es darum, was man aus Corona gelernt hat. Zunächst stellt die Kommission den Ist-Zustand dar. Und da fallen harte Worte:

"[…] a profound tragedy and a massive global failure at multiple levels",

"Eine abgrundtiefe Tragödie und ein massives globales Versagen auf mehreren Ebenen"

So bezeichnet die Lancet-Kommission die Tatsache, dass weltweit Millionen Menschen an Covid-19 oder den Folgen der Pandemie gestorben sind. Zu viele Staaten haben es demnach nicht geschafft, angemessen auf Corona zu reagieren und international zusammenzuarbeiten.

Konkret nennt die Kommission zehn Punkte des globalen Versagens:

  1. Der Ausbruch der Pandemie sei zu spät bekannt gegeben worden.
  2. Man habe zu spät anerkannt, dass das Coronavirus über die Luft übertragen wird. So seien wichtige Schutzmaßnahmen zu spät umgesetzt worden.
  3. Die Staaten haben sich bei der Eindämmung der Pandemie schlecht koordiniert.
  4. Regierungen haben pandemische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen aus anderen Ländern in ihrer eigenen Pandemiepolitik zu wenig bedacht.
  5. Es habe zu wenig finanzielle Unterstützung für ärmere Länder gegeben.
  6. Auch Schutzausrüstung, Impfstoff und andere wichtige Güter seien weltweit ungleich verteilt.
  7. Es gebe zu wenige aktuelle, korrekte und systematisch erfasste Daten über Infektionen, Todesfälle, Virusvarianten, Schutzmaßnahmen und deren Auswirkungen.
  8. Nach wie vor sei nicht klar, wie genau das Coronavirus entstanden ist. Dieses Wissen würde aber dabei helfen, zukünftigen Pandemien vorzubeugen.
  9. Es sei nicht gelungen, systematische Desinformation zu bekämpfen.
  10. Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen seien zu wenig geschützt.

Ich hab's ja gesagt: Das Kopfschütteln ist groß. Daneben gibt die Lancet-Kommission Empfehlungen, um die Corona-Pandemie zu beenden und möglichen zukünftigen Pandemien etwas entgegenzusetzen:

"[…] our most basic recommendation is the strengthening of multilateralism in all crucial dimensions: political, cultural, institutional, and financial."

"Die wesentlichste Empfehlung: Die Zusammenarbeit zwischen Staaten stärken"

Der Kommission zufolge sollten Staaten besser zusammenarbeiten – politisch, kulturell, institutionell und finanziell – und reiche Staaten sollten andere solidarisch unterstützen.

Jedes Land sollte sein Gesundheitssystem stärken und gerecht gestalten. Zunächst bräuchten Menschen überhaupt Zugang zu Versorgung. Und es gehe darum, ein Umfeld aufzubauen, das verhindert, dass Krankheiten sich ausbreiten. Darunter würden auch Gesundheitsinformationen fallen, die wiederum Desinformation vorbeugen könnten.

Zudem solle die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die laut Kommission bei Corona oft zu langsam und zu zaghaft reagiert hat, gestärkt werden. Und schließlich brauche es Geld, das all die genannten Maßnahmen möglich macht – ebenso wie schnelles Handeln, sollte eine neue Pandemie ausbrechen.

Das war ein Blick auf die ganze Welt. Mich interessiert jetzt: Was muss auf kleinerer Ebene, in Ihrem Bundesland, Ihrer Stadt oder Ihrer Gemeinde passieren, um der Pandemie zu begegnen? Schreiben Sie Ihre Antwort an corona-newsletter@mdr.de.

Auf einen Blick: die aktuellen Zahlen

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet am Mittwoch, den 28. September 2022, eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 379,6. Die höchste Inzidenz hat demnach das Saarland mit 628,3, gefolgt von Bayern mit 503,2 und Hessen mit 488,2.

Die niedrigste Inzidenz meldet das RKI in Hamburg mit 163,8 Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in einer Woche. In Sachsen (354,5), Sachsen-Anhalt (319,7) und Thüringen (362,1) liegt die 7-Tage-Inzidenz demnach bundesweit im mittleren Bereich.

Sachsen

  • Hospitalisierungsrate*: 8,14 (+5,07 zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 51, davon 10 beatmet, 58 freie COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 64,8 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 45,0 Prozent
  • 18-59 Jahre: 66,7 Prozent
  • 60+ Jahre: 84,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 50 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 16.027 (+5 zu gestern)

Thüringen

  • Hospitalisierungsrate*: 10,86 (+7,44 zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 22, davon 6 beatmet, 65 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 69,8 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 52,8 Prozent
  • 18-59 Jahre: 71,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 88,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 53,6 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 7.634 (+12 zu gestern)

Sachsen-Anhalt

  • Hospitalisierungsrate*: 7,42 (+2,03 zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 20, davon 8 beatmet, 40 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 73,6 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 54,0 Prozent
  • 18-59 Jahre: 76,7 Prozent
  • 60+ Jahre: 91,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 57,6 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 5.711 (+3 zu gestern)

* Die Hospitalisierungsrate beschreibt die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten COVID-19-Fälle. Durch Übermittlungsverzug wird die Rate in gewissem Maß unterschätzt, schreibt das RKI. Ein deutschlandweit gültiger Grenzwert dafür, welche Maßnahmen eine bestimmte Hospitalisierungsrate nach sich ziehen, wurde nicht festgelegt. Warum die Hospitalisierungsrate in der jetzigen Form als neue Corona-Kennzahl untauglich ist, erklärt MDR-Datenjournalist Manuel Mohr in diesem Artikel.

(Quellen: Hospitalisierungsrate, aktive Fälle: RKI | Intensivpatienten: Divi | Impfquote: RKI | Todesfälle: RKI)

Alle Grafiken und weiteren Zahlen finden Sie hier in den Übersichten der Kolleginnen und Kollegen.

Neue Corona-Regeln ab dem 1. Oktober

Ab dem 1. Oktober gilt in Deutschland das neue Infektionsschutzgesetz. Das Gesetz enthält sogenannte Basismaßnahmen, die bundesweit bis Anfang April gelten.

Darüber hinaus können die Länder eigene Regeln festlegen. Diese folgen einem Stufensystem: Je stärker die Pandemie das Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur bedroht, desto strengere Schutzmaßnahmen können gelten.

Zum Schluss

...kann man den Kopf nicht nur schütteln, sondern mit ihm zum Beispiel auch im Takt guter Musik nicken. Ob das im Herbst auf Konzerten möglich ist, erklärt der Infektiologe Stefan Moritz von der Uniklinik Halle im Interview mit MDR Kultur. Das Interview können Sie anhören oder hier nachlesen.

Herzliche Grüße

Maren Wilczek

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 08. September 2022 | 16:00 Uhr

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