"Mama ich Liebe Dich Liebe Mich auch" steht auf einem Schild einer Abtreibungsgegner-Demo.
Gehsteigbelästigung wird von Schwangeren sowie Personal von Beratungsstellen und Praxen als psychisch belastend empfunden. Bildrechte: IMAGO / IPON

Schwangerschaftsabbrüche Bundestag verbietet "Gehsteigbelästigung" durch Abtreibungsgegner

05. Juli 2024, 15:49 Uhr

Abtreibungsgegnern drohen künftig 5.000 Euro Bußgeld, wenn sie Schwangere vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken belästigen. Der Bundestag hat am Freitag über eine entsprechende Gesetzesreform abgestimmt. Kritik kommt von CDU und AfD.

Der Bundestag hat am Freitag über eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes abgestimmt, mit der Schwangere vor Belästigungen durch Abtreibungsgegner vor Beratungsstellen, Kliniken und Praxen für Schwangerschaftsabbrüche geschützt werden sollen.

Die Gesetzesänderung sieht vor, dass diese sogenannte "Gehsteigbelästigung" als Ordnungswidrigkeit klassifiziert wird und mit einem Bußgeld von bis 5.000 Euro belegt werden kann. So will die Bundesregierung nach eigener Aussage "die Rechte der Schwangeren sowie das Beratungs- und Schutzkonzept in seiner Gesamtheit stärken".

Vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken müssen wir schwangere Frauen wirksam vor Belästigungen und unzumutbaren Einflussnahmen schützen. Hier hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen.

Lisa Paus Bundesfamilienministerin

Das Bundesfamilienministerium war federführend bei der Erstellung des Gesetzesentwurfs. Nachdem dieser am 24. Januar 2024 vom Bundeskabinett beschlossen worden war, hatte Familienministerin Lisa Paus erklärt: "Vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken müssen wir schwangere Frauen wirksam vor Belästigungen und unzumutbaren Einflussnahmen schützen. Hier hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen – auch im Sinne des Schutzes des werdenden Lebens, der durch die ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung gewährleistet wird."

Was der Gesetzesentwurf zur Gehsteigbelästigung unter Strafe stellt

Als rechtswidrige Belästigungen zählt der Gesetzesentwurf unter anderem:

  • Schwangeren das Betreten der Einrichtung durch ein Hindernis absichtlich zu erschweren
  • Schwangeren entgegen ihrem erkennbaren Willen die eigene Meinung zu ihrer Entscheidung aufzudrängen
  • die Schwangere zu bedrängen oder einzuschüchtern
  • der Schwangeren gegenüber unwahre Tatsachenbehauptungen zu Schwangerschaft oder Schwangerschaftsabbruch zu äußern
  • das Personal von Beratungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, beim Betreten dieser zu bedrängen

Wir hoffen, dass die Bußgelder eine abschreckende Wirkung haben und die Situation sich bessert.

Regine Wlassitschau Pro Familia

Das Verbot derartiger Verhaltensweisen gilt im Umkreis von 100 Metern um die entsprechenden Einrichtungen. Diese Einschränkung habe man aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und mit Blick auf die potentiell betroffenen Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewählt, teilte das Bundesfamilienministerium auf Anfrage von MDR AKTUELL mit. Die Durchsetzung obliege den nach Landesrecht zuständigen Ordnungsbehörden vor Ort.

Das Gesetz enthält zudem eine zusätzliche statistische Erhebung zur regionalen Versorgungslage auf Kreisebene. Davon verspricht man sich zunächst eine bessere Übersicht über Angebote für Schwangerschaftsabbrüche und im nächsten Schritt eine Verbesserung der Versorgungslage.

Pro Familia begrüßt rechtliche Handhabe gegen Abtreibungsgegner

Pro Familia, ein Fachverband für Sexualberatung, Sexualpädagogik und Familienplanung, führt die vorgeschriebenen Beratungen vor einem Schwangerschaftsabbruch durch – und fordert schon seit Jahren ein entsprechendes Gesetz gegen Gehsteigbelästigung.

Verbandssprecherin Regine Wlassitschau erklärte MDR AKTUELL, man sei froh, nun eine rechtliche Handhabe im Umgang mit den Protesten von Abtreibungsgegnern vor den eigenen Beratungsstellen zu haben. "Wir hoffen, dass die Bußgelder eine abschreckende Wirkung haben und die Situation sich bessert."

Pro Familia: Protestaktionen von Abtreibungsgegnern nehmen zu

Wlassitschau zufolge nehmen die Protestaktionen seit Jahren zu. "Das ist absolut verstörend und unangenehm und wirklich eine psychische Belastung für die Ratsuchenden." Die ungewollt Schwangeren, die zu ihnen kämen, fühlten sich von den Abtreibungsgegnern verurteilt und gedemütigt. "Sie bringen das dann mit in die Beratung, was einen unvoreingenommenen Austausch enorm erschwert."

Auch die Beraterinnen bei Pro Familia litten unter der Belagerung durch Abtreibungsgegner, erklärte Wlassitschau. "Auch wenn die Fenster geschlossen sind, hört man die Gesänge und die Gebete. Das verschafft einem immer den Eindruck, dass es nicht richtig wäre, was man da tut." Dabei sei es sehr wichtig, die ungewollt Schwangeren zu unterstützen. "Wir sehen das wirklich als unsere große Aufgabe an. Und es ist schlicht auch unser gesetzlicher Auftrag."

Gemischte Reaktionen auf Gesetz

Kritik an dem Gesetz kam von der Union und der AfD. Eine solche Bannmeile sei unverhältnismäßig, erklärte die Unions-Abgeordnete Bettina Margarethe Wiesmann. Wenn es eine Belästigung durch Abtreibungsgegner gebe, könne dies vor Ort geregelt werden, dafür brauche es kein neues Bundesgesetz, sagt sie.

Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch bemängelte den Begriff "Gehsteigbelästigung". Es gehe nur darum, Grundrechte von Christen und Lebensschützern zu schleifen. Abgeordnete von SPD, Grünen, FDP und Abgeordnete aus der Gruppe der Linken bezeichneten den Schritt hingegen als notwendig.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 05. Juli 2024 | 09:10 Uhr

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