Nachhaltige Stadtentwicklung So passen sich Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an den Klimawandel an

19. Dezember 2022, 16:01 Uhr

Flimmernder Asphalt in den Stadtzentren, Betonbauten, die nachts die Hitze des Tages abstrahlen und Wohngebiete, in denen sich die heiße Luft staut. 2022 gab es vier mal so viele Hitzetage wie normal, etwa 4.500 Todesopfer haben die hohen Temperaturen deutschlandweit gefordert. Der Klimawandel ist auf dem besten Weg, das Leben in den Städten unerträglich zu machen. Zeit also sich anzupassen. Das hat sich 2022 in den mitteldeutschen Städten in Sachen Klimaresilienz getan:

"In Magdeburg wurde schon 2014 eine Karte erstellt, die Überhitzungsbereiche in der Stadt kennzeichnet. Und auf Basis dessen wurden Baubeschränkungsbereiche beschlossen, wo nicht oder nur sehr niedrig gebaut werden darf. So kann kühle Luft besser in die Stadt strömen und diese abkühlen", sagt Tobias Hartmann.

Er ist seit April 2022 Sachbearbeiter für Klimaanpassung im Stadtplanungsamt von Magdeburg. Damit hat er bei den Ämtern der Stadt den Hut auf, wenn es um Klimaresilienz geht. Das heißt, er ist zentraler Ansprechpartner für Maßnahmen zur Anpassung der Stadt an den Klimawandel und deren rechtliche Umsetzung.

Klimaresilienz oder Klimaanpassung "Klimaresilienz hat eine doppelte Bedeutung: Städte und Regionen sind robust gegenüber Klimafolgen, wie ⁠Starkregen⁠ und Hitzeperioden und sie sind lernfähig, um sich an ändernde Bedingungen anzupassen." Umweltbundesamt

Klimaanpassungsmanager für klare Zuständigkeiten

Menschen wie Tobias Hartmann, die sich in den Städten und Kommunen um Klimaanpassung kümmern, sind eher rar gesät. Wolfgang Socher, Leiter des Umweltamtes in Dresden, erzählt, dass in Dresden die Zuständigkeiten weit verteilt sind. Einen zentralen Anlaufpunkt für Klimaanpassung gebe es nicht. "Und wir vom Umweltamt können nur inhaltliche Vorschläge machen. Umsetzen müssen es dann andere", sagt Socher.

Hört man Hartmann und Socher zu, wird schnell klar, eine entscheidende Hürde in Sachen Klimawandelanpassung ist die Frage nach der Verantwortung in den Kommunen. In den Städten gebe es viele Ämter und Stellen, die alle nur "ein bisschen" verantwortlich seien, erklärt Hartmann. "Das führt zu Kompetenzgerangel. Die Leute in der kommunalen Verwaltung haben außerdem auch mit ihrem Tagesgeschäft zu tun. Da fallen solche 'Extra-Aufgaben' schnell mal hinten runter".

Das Problem hat auch die Bundesregierung erkannt. Deswegen gehört zu ihrem "Sofortprogramm Klimaanpassung", das im März diesen Jahres gestartet ist, auch die Förderung sogenannter "Klimaanpassungsmanager", die sich in den Kommunen um die Umsetzung von Maßnahmen für mehr Klimaresilienz kümmern sollen. Die ersten dieser Manager haben in diesem Jahr ihren Job angetreten - auch in kleineren Städten. So haben beispielsweise auch Jena und Plauen einen Klimaanpassungsmanager eingestellt.

Auswirkungen des Klimawandels 2022

2022 sind nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) etwa 4500 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben. Nach einer Studie von RKI, Umweltbundesamt und deutschem Wetterdienst kommt es besonders in höheren Altersgruppen infolge hoher Temperaturen regelmäßig zu einem Anstieg der Mortalität. Als besonders gefährdet gelten auch Schwangere, Kleinkinder und Säuglinge, chronisch Kranke, sowie Arme, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung.

Nach Angaben des deutschen Wetterdienstes (DWD) war 2022 der viertwärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Die Anzahl der Hitzetage habe laut DWD bei 16,6 gelegen - normal sind im Schnitt etwa vier Hitzetage pro Jahr. Dazu kommen "historische" Dürren: Im Schnitt fielen 2022 in Deutschland 40 Prozent weniger Niederschlag als in der Vergleichsperiode von 1961 bis 1990.

Maßnahmen des Bundes

Neben der Förderung von Klimaanpassungsmanagern hat das "Sofortprogramm Klimaanpassung" des Bundes 2022 noch einige andere Maßnahmen auf den Weg gebracht. So wurde das Förderprogramm "Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen" über Ende 2023 unbefristet verlängert. Damit werden Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und KiTas dabei unterstützt, sich gegen Folgen der Klimakrise wie Hitze, Starkregen oder Hochwasser zu wappnen.

Außerdem fand 2022 die erste bundesweite "Woche der Klimaanpassung" statt, die damit endete, dass fünf Projekte zur Vorsorge und Anpassung an die Folgen der Klimakrise mit dem Blauen Kompass ausgezeichnet wurden. Dieser war erstmals mit jeweils 25.000 Euro dotiert.

Darüber hinaus wurde viel Gewicht auf Wissensaufbau und Vernetzung in und zwischen den Kommunen gelegt. Über das Zentrum für Klimaanpassung (ZKA) sollen die relevanten Akteure in den Kommunen zum Thema Klimaresilienz weitergebildet und miteinander vernetzt werden - zum Beispiel um flächendeckend Hitzeaktionspläne zu erstellen.

Fassadenbegrünung, Frischluftbahnen: So geht Klimaresilienz

Um Städte klimaresilient zu machen, brauche es eine "grün-blaue Infrastruktur", die sich "netzartig" durch die Stadt zieht, sagt Andreas Vetter vom Umweltbundesamt. Gemeint sind damit Bäume und andere Bepflanzungen, die Schatten spenden und die Luft durch die Verdunstung von Wasser über ihre Blätter abkühlen. "Grün" ist dabei längst nicht mehr gleich "Park", denn auch Fassaden und Dächer lassen sich begrünen. "Pflanzen an den Hauswänden können dabei helfen, die Innenräume dahinter kühl zu halten. Wir reden da von Unterschieden von bis zu zehn Grad", erklärt Klimaanpassungsmanager Tobias Hartmann.

Die Fassadenbegrünung der Wohntürme vom WIR-Quartier. Dadurch soll ein besseres Mikroklima vor Ort erreicht, die Feinstaubbelastung gelindert und zur Biodiversität in der Stadt beigetragen werden.
Die Fassadenbegrünung der Wohntürme vom WIR-Quartier. Dadurch soll ein besseres Mikroklima vor Ort erreicht, die Feinstaubbelastung gelindert und zur Biodiversität in der Stadt beigetragen werden. Bildrechte: MDR/Robert Löwig

Der blaue Teil klimaresilienter Infrastruktur sind städtische Wasserläufe: "Das müssen nicht nur der städtische Teich oder See sein", sagt Vetter, "ich denke da auch an unterirdische Regenwasserspeicher, mit denen man in Trockenphasen zum Beispiel die Stadtbäume versorgen kann".

Auch den Städtebau könne man an das Klima anpassen: "Stadt und Umland sind über sogenannte Frischluftbahnen miteinander verbunden, über die in der Nacht kühle Luft vom Land in die Städte strömen kann", erklärt Vetter. Es sei wichtig, solche Bahnen nicht zu versperren, etwa durch den Bau neuer Wohnhäuser.

Klimaresilienz in Mitteldeutschland

In den mitteldeutschen Bundesländern hat man sich in den letzten Jahren vor allem auf den Wissensaufbau und die Vernetzung relevanter Akteure konzentriert. So besitzen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein gemeinsames "Klimainformationssystem", das ReKIS. Auf dieser regional und kommunal ausgerichteten Plattform finden sich Informationen zur klimatischen Entwicklung in der Region, Anpassungs- und Klimaschutzstrategien, Weiterbildungsangebote und Fördermöglichkeiten. Sie ist deutschlandweit einzigartig.

Alle drei Länder haben seit 2019 Strategieprogramme verabschiedet, in denen unter anderem festgeschrieben ist, dass Klimaanpassung beim Städtebau mitgedacht werden soll, zum Beispiel über die Integration von Grünflächen in Bauleitpläne. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen ist jedoch keine Pflicht. So wird in den Kommunen hauptsächlich konzeptionell zu Klimaanpassung gearbeitet. Die konkrete Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen geschieht derzeit vor allem in Einzel- und Modellprojekten.

Modellprojekte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

So zum Beispiel in Erfurt und Dresden: In Quartieren beider Städte wurde bis 2021 im Rahmen des Projektes HeatResilientCity untersucht, wie sich die sommerliche Wärmebelastung in Gebäuden und Freiräumen reduzieren lässt. "Davon war ich echt begeistert, weil es einen konkreten Nutzen hatte", sagt Wolfgang Socher vom Umweltamt Dresden.

Man habe die Ergebnisse des Forschungsprojektes genutzt, um in den Plattenbauten in Dresden Gorbitz die Gebäudesanierung anzupassen und Hitzeschutzmaßnahmen wie Fassadenbegrünung umzusetzen, erzählt Socher. In Erfurt soll indes in den kommenden Jahren der erste Hitzeaktionsplan in Mitteldeutschland entstehen.

Es gibt viele Vorreiter-Städte und sehr gute Einzelprojekte, aber bei flächendeckend klimaresilienten Städten sind wir noch lange nicht.

Andreas Vetter Umweltbundesamt

In Sachen Begrünung gibt es bereits einige Vorstöße. In Dresden ist es seit 2020 Pflicht, bei kommunalen Bauprojekten zu prüfen, ob sich Dach und Fassaden begrünen lassen. Außerdem entfernt man auf dem Promenadenring in Dresden gerade Parkplätze und pflanzt dort stattdessen Bäume.

In Magdeburg müssen alle Flachdächer begrünt werden. Außerdem hat man in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt gerade ein Konzept für Fassadenbegrünung erstellt, erzählt Tobias Hartmann.

Und in Leipzig sieht das Straßenbaumkonzept Leipzig 2030 eine Erweiterung des Straßenbaumbestands um jährlich 1.000 Bäume vor. Und auch die Wartehäuschen an Leipziger Bushaltestellen werden umgebaut und bekommen Solar- und Gründächer.

Zwickau ist Vorreiter

Doch nicht nur die Großstädte kümmern sich um Klimaresilienz. So ist Zwickau den meisten anderen Städten bei der Klimaanpassung mehrere Jahre voraus.

Schon 2012 leistete sich die Stadt einen Klimamanager, 2016 veröffentlichte sie ihr Klimaanpassungskonzept und 2020 startete das EU-geförderte Modellprojekt "Stadtgrün", bei dem klimaresiliente Bäume am Fahrbahnrand gepflanzt werden sollen, auch zu Lasten von Parkraum.

In Jena wird derzeit die Hitzebelastung in KiTas und Grundschulen untersucht und in der Delitzscher KiTa "Zauberhaus" wurden schon Hitzeschutz-Maßnahmen umgesetzt.

Viel Strategie, wenig Umsetzung

Sowohl in Sachsen als auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es Strategien für die Anpassung an den Klimawandel. Durch das Sofortprogramm des Bundes und das Zentrum für Klimaanpassung werden diese Strategien durch Förderungen vor allem aber durch Wissensvermittlung und Vernetzung der Kommunen unterstützt.

Nun bleibt abzuwarten, ob sich daraus in den kommenden Jahren flächendeckende, einheitliche und vor allem konkrete Maßnahmen der Klimaanpassung entwickeln. Denn im Moment geschieht Klimaanpassung in den Städten durch einen Flickenteppich von Einzelprojekten. "Es gibt viele Vorreiter-Städte und sehr gute Einzelprojekte, aber bei flächendeckend klimaresilienten Städten sind wir noch lange nicht", sagt Andreas Vetter vom Umweltbundesamt.

Wolfgang Socher vom Umweltamt in Dresden erklärt, dass Klimaanpassungsmaßnahmen in den Kommunen auch deswegen nur zögerlich umgesetzt würden, weil Förderprogramme für gewöhnlich nur Investitionen unterstützten, nicht aber die Pflege des Projektes. Es werde sozusagen das Pflanzen von Bäumen subventioniert, nicht aber das Gießen.

Und auch was die rechtlichen Grundlagen angeht, besteht an manchen Stellen noch Handlungsbedarf. Tobias Hartmann erzählt:

"Wir würden zum Beispiel gern eine Begrünungssatzung für Magdeburg erstellen. In Sachsen-Anhalt können solche Satzungen aber nur aufgestellt werden, wenn sie der Weiterentwicklung eines bestehenden Ortsbildes dienen. Wir dürfen also keine Gestaltungssatzung für Begrünungsmaßnahmen erlassen, wenn die Umgebung nicht durch Gebäudebegrünung geprägt ist", erzählt Hartmann.

Bei einem Punkt sind sich die Experten im Umweltbundesamt und in den kommunalen Ämtern alle einig: Die Anpassung an den Klimawandel ist eine Aufgabe, die überall von vornherein mitgedacht werden sollte - auch weil Städte nicht von heute auf morgen klimaresilient werden können. "Das ist eine Aufgabe von Jahrzenten", sagt Andreas Vetter vom Umweltbundesamt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 08. Dezember 2022 | 14:00 Uhr

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