Zu hohe Nachfrage Long-Covid-Patienten müssen auf Reha-Plätze warten
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Rund zehn Prozent derjenigen, die sich mit dem Coronavirus infizieren, haben lange mit ihrer Krankheit zu kämpfen. Denn sie entwickeln ein Long-Covid- oder Post-Covid-Syndrom. Das ist eine Multiorganerkrankung und die kann zahlreiche Symptome haben: von Konzentrationsstörungen, Herz- und Atemproblemen über Schmerzen bis hin zu neurologischen Problemen wie Erschöpfung – der Fatigue. Diese Menschen brauchen meist dringend einen Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Doch die Plätze dort sind Mangelware.

- Im ersten Halbjahr 2021 hat die Deutsche Rentenversicherung bundesweit bereits rund 4.000 Reha-Leistungen im Zusammenhang mit Covid-19 durchgeführt – viele Betroffene davon Long- oder Post-Covid-Patienten.
- Die Patienten benötigen ein spezielles und langwieriges Programm, weshalb sie nur eine begrenzte Zahl an Reha-Plätzen pro Einrichtung belegen dürfen.
- Die Infektionen liegen meist schon viele Monate zurück, wenn die Patienten mit der Reha beginnen – die meisten Einrichtungen sind mittlerweile voll ausgelastet.
Die hohen Corona-Zahlen machen dem Leiter der Post-Covid-Ambulanz am Universitätsklinikum Jena, Andreas Stallmach, Sorgen. Im November habe sie bereits die Schwelle von 700 Patienten überschritten, sagt er. Nur bei einem Fünftel davon seien die Beschwerden deutlich zurückgegangen. Rund 60 seiner Patienten hätten schon seit über einem Jahr Symptome.
Dabei sei es gerade für Post-Covid-Patienten wichtig, relativ schnell bei einer Reha von unterschiedlichen Experten parallel behandelt zu werden. "Ich kenne einige Patienten, die haben sich dann bei mir gemeldet und gesagt: Also toll, meinem Reha-Antrag ist jetzt stattgegeben worden und ich kann aber erst in fünf Monaten in die Reha. Und das ist natürlich für den Patienten tatsächlich ein Problem."
Long-Covid-Patienten benötigen aufwändiges Reha-Programm
Die Deutsche Rentenversicherung hat nach eigenen Angaben vergangenes Jahr bundesweit rund 1.300 und im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 4.000 Reha-Leistungen im Zusammenhang mit Covid-19 durchgeführt. Betroffene, denen ein Reha-Aufenthalt genehmigt wird, kommen zum Beispiel zu Axel Schlitt in die Paracelsus Harzklinik Bad Suderode.
Mehr als 600 Menschen mit der Indikation Post- oder Long-Covid habe die Einrichtung dieses Jahr schon behandelt. "Wir wollen ja, wenn wir Post-Covid-Patienten rehabilitieren eine gute Qualität anbieten. Und das heißt, die brauchen halt viel Programm und auch besonderes Programm, was wir in den letzten anderthalb Jahren erarbeitet haben. Deswegen sind die Kapazitäten halt nicht so, dass wir von unseren 260 Betten, die wir haben, 130 mit Post- oder Long-Covid-Patienten belegen können. Das geht einfach kapazitär nicht, weil die viele Dinge brauchen die die anderen Patienten nicht brauchen."
Schlitt rät Betroffenen, hartnäckig eine Reha einzufordern. Denn sie könne viel bringen: Bei der Fatigue – der chronischen Erschöpfung – etwa gehe es 95 Prozent der Betroffenen nach der Reha besser.
Reha-System nicht erst seit Corona stark ausgelastet
Auch Andreas Dösch von der Asklepios Parkklinik Bad Salzungen berichtet von Erfolgen. Zu ihm kommen vor allem Patienten mit Atemnot. Die Klinik sei voll ausgelastet, so Dösch. Die Wartezeit betrage bei einem Reha-Antrag etwa zwei bis drei Monate. "Also was wir beobachten können, dass wir durch ein interdisziplinäres und auf den Patienten abgestimmtes Angebot eine deutliche Verbesserung der Symptomlast erzielen können. Mittlerweile werden die Patienten ja immer jünger und da stehen auch Herausforderungen hinsichtlich der beruflichen und privaten Teilhabe im Vordergrund."
Auch im MEDICLIN Reha-Zentrum in Bad Düben ist das Ziel, Patienten wieder fit für ein Alltagsleben zu machen. Chefarzt Guido Waldmann behandelt Betroffene mit neurologischen Problemen. Die Klinik mitten im sächsischen Hochinzidenzgebiet habe dieses Jahr 170 Anfragen gehabt, rund 60 Personen habe man therapieren können. "Die meisten Patienten, die zu uns kommen, haben ihre Infektion bereits ein halbes Jahr und länger hinter sich. Wir nehmen jetzt Rehabilitanten auf, die ein Jahr nach der Covid-Infektion sagen, sie kommen eigentlich nicht in den Beruf zurück."
Waldmann rechnet aufgrund der hohen Infektionszahlen damit, dass demnächst noch viel mehr Menschen einen Reha-Platz brauchen. Diese große Zahl überfordere das Reha-System. Denn das sei auch vor Corona schon zu 80 Prozent ausgelastet gewesen.
Quelle: MDR AKTUELL
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Dezember 2021 | 07:05 Uhr