Reporter und Journalisten
Mit seiner Studie zur Medien-Berichterstattung in der Corona-Zeit sorgte der Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer von der Uni Mainz für Aufsehen. Bildrechte: IMAGO / Jan Huebner

Corona, Krieg - und dann? Vielfalt oder Einseitigkeit: Kommunikationsforscher über Nachrichten in Krisenzeiten

20. August 2022, 05:00 Uhr

Vor einigen Monaten erschien die Forschungsstudie zur "Qualität der journalistischen Berichterstattung über die Corona-Pandemie". Einer der Autoren war Prof. Dr. Marcus Maurer, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Mainz. Im Interview mit MDR THÜRINGEN spricht er über Journalismus in Zeiten von Krisen, über einseitige Darstellung und über Themen, die monatelang die Nachrichten dominieren und darüber, warum Medien gern auf immer wieder die gleichen Interviewpartner zurückgreifen.

Es sei durchaus bemerkenswert, sagt Marcus Maurer. Die Menschen sterben in diesem Sommer an Corona, die Zahl der Toten sei höher als in den beiden vergangenen Jahren. Dominiert würden die Schlagzeilen der Medien aber vom Ukraine-Krieg und den Folgen. "Man hat jetzt das Gefühl, das Problem ist eigentlich weg."

Ein bisschen befürchte er, dass die Gesellschaft sich im Herbst erinnern werde, dass der Sommer eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen wäre, die Leute noch einmal zum Impfen zu bewegen. Er habe das Gefühl, es werde gerade Zeit verschenkt, wenn man so tut, als gäbe es das Corona-Thema gar nicht mehr so recht.

Einige Themen überwiegen

Seit 2014/15, so Maurer, gebe es in den Medien "extrem dominierende" Themen: Griechenlandkrise, dann die Flüchtlinge, dann Klimawandel, Corona und jetzt sei es der Ukraine-Krieg. Natürlich seien das alles sehr wichtige Themen. Nur:

Es ist natürlich schon eine komische Situation, wenn man das Gefühl hat, dass überhaupt nichts anderes mehr wichtig ist als dieses eine Thema.

Prof. Dr. Marcus Maurer, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Mainz

Mit seinem Team hat Maurer neben der Berichterstattung der Leitmedien über die Corona-Politik auch jene über die Flüchtlinge untersucht. Aktuell erforscht er, wie Medien den Ukraine-Krieg darstellen. Hier fehlten noch Daten, insofern sei er noch vorsichtig mit einem Fazit, sagt Maurer.

Aber dennoch glaubt er bereits, dass sich auch hier, wie bei den anderen untersuchten Krisen, Medien und Gesellschaft relativ schnell auf eine Position geeinigt hätten, eine Position, "die man fast schon vertreten muss oder die man als Mehrheitsmeinung zumindest sehr stark wahrnimmt."

Das heißt, Flüchtlinge sollten aufgenommen werden, die Gesellschaft brauche harte Corona-Maßnahmen und man solle sich auf die Seite der Ukraine stellen. Vieles davon könne man "absolut auch verstehen und erwarten, das geht natürlich nicht anders."

Berichten Medien in Krisen einseitig?

Die Frage, ob Medien in bestimmten Krisensituationen einseitig berichten sollten, halte er für schwierig. "Also natürlich erwarten wir eigentlich Vielfalt und wir erwarten Vielfalt in den Medien und wir sollten eigentlich auch vielfältige Diskussionen zulassen." Nur sei das "in Krisen manchmal so ein bisschen schwierig."

Die Menschen wünschten beispielsweise in der Corona-Zeit, dass auch jene zu Wort kämen, die gegen Impfen seien. Problematisch werde es jedoch, wenn Menschen zitiert würden, die objektiv Falsches verbreiteten - also etwa Theorien, dass Impfen gefährlicher sei als Corona. Derartige Fragen, ob Medien sozusagen Seite an Seite mit der Regierung gegen Corona kämpfen sollten, damit am Ende möglichst wenig Schlimmes passiere, habe er in seiner Forschungsgruppe diskutiert.

Eine Antwort sei schwierig. Eine Krise sei, so denke er, etwas anderes als bekannte Situationen im Alltag, zum Beispiel in Wahlkämpfen, wo Medien natürlich Einseitigkeit vermeiden und Ausgewogenheit schaffen müssten.

Wir können sehr froh sein, dass wir klassischen Nachrichtenjournalismus haben.

Prof. Dr. Marcus Maurer, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Mainz

Die Frage der Ausgewogenheit

Das sei jedoch zu unterscheiden von Vorwürfen wie Manipulation durch Medien oder angeblicher Lügenpresse. "Wir können sehr froh sein, dass wir klassischen Nachrichtenjournalismus haben." Das würde die meisten Menschen am glaubwürdigsten halten. Es gehe eher um die Frage einer Ausgewogenheit, also welche Nachrichten von Journalisten dargestellt werden.

"Es geht hier bestimmt nicht um Meinungsmache und da muss man wirklich ganz vorsichtig sein." Auch Journalisten würden gerade hinsichtlich der Ausgewogenheit Fehler machen, "aber ihnen sozusagen Meinungsmache und Böswilligkeit zu unterstellen, das wäre schon sehr fahrlässig, weil, wir haben sonst niemanden, der uns dermaßen gut informieren kann."

MDR (thk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Samstagmorgen | 20. August 2022 | 06:10 Uhr

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