Frauen in der DDR "Die Unbeugsamen 2": Gleichberechtigung im Arbeiter- und Bauernstaat?
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29. August 2024, 03:11 Uhr
In seinem Dokumentarfilm "Die Unbeugsamen" von 2021 porträtierte Regisseur Torsten Körner Frauen im Bonner Parlamentsbetrieb – eine Geschichte über hart erkämpfte Teilhabe. Körner hat nun nachgelegt und mit "Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!" den Blick auf die andere Seite der deutsch-deutschen Grenze geworfen. Er verbindet eine Vielzahl von Portraits zu einem großen gesellschaftlichen Gesamtbild der DDR. Es geht um die Wirklichkeit von Frauen im Arbeiter- und Bauernstaat.
- Ein neuer Dokumentarfilm beleuchtet die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der DDR.
- Dafür wurden 15 sehr unterschiedliche Frauen mit Ost-Biografie interviewt.
- Der Film blickt kritisch auf die Diskrepanz zwischen dem Selbstbild der Frauen und der trotz offiziellen Emanzipation patriachalischen Gesellschaft.
Stolz vermeldeten die staatlich gelenkten Medien der DDR am 27. September 1950 den Frauen der Republik einen durchaus historischen Schritt: "Ministerpräsident Otto Grotewohl verkündete vor der Volkskammer das Gesetz über ihre volle Gleichberechtigung im Öffentlichen und Privaten. Aus dem vielstimmigen Dank der Frauen sprach die Freude über das Ende einer jahrhundertlangen Benachteiligung."
Staatliche Agenda trifft gesellschaftliche Realität
Aber die Freude hatte Grenzen, auch wenn die offizielle Gleichstellung von Frauen und Männern in der DDR ein bedeutender Schritt war. Frauen an der Werkbank oder auf dem Mähdrescher waren bald die Norm und passten ins Bild einer progressiven Gesellschaft. Außerdem wurden sie gebraucht.
"Meine Mutter war die erste, die aus dem Haus ging und war die letzte, die zurück kam", erinnert sich Tina Powileit, Schlagzeugerin in der Band "Mona Lisa". Und doch erkämpften sich die Frauen mit der Zeit ihre Rechte und füllten sie mit Wirklichkeit. Wer sie waren? Das untersucht Torsten Körner in "Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen Ihr Schönen". Während er sich im ersten Teil über die westdeutschen Frauen und auf das Bonner Parlament konzentrierte, weitet er nun im Fall der DDR den Blick auf alle gesellschaftlichen Felder.
Künstlerinnen, Oppositionelle, SED-Politikerinnen
"Die Unbeugsamen 2" versammelt einen vielstimmigen Chor von Arbeiterinnen, Politikerinnen, Frauenrechtlerinnen – 15 ganz unterschiedliche Frauen. Ein gesamtgesellschaftliches und historisches Panorama. Die Interviews sind in thematische Kapitel aufgeteilt. Sie heißen "Heldinnen der Arbeit", "Wenn die Oma nicht wär" oder "Frauen und Frieden."
Besonders der Kontrast zwischen Brunhilde Hanke und Frauen wie Ulrike Poppe und Gabrielle Stötzer sticht ins Auge. Auf der einen Seite eine langjährige SED-Politikerin, die über zwei Jahrzehnte Potsdams Oberbürgermeisterin war, auf der anderen Seite oppositionelle Frauen, Opfer von politischer Verfolgung.
Doris Ziegler zum Beispiel ist Malerin und porträtierte oft Arbeiterinnen in der DDR. "Die Frauen dort waren ungeheuer stolz auf die Arbeit, die sie geleistet haben. Die haben dafür Orden bekommen." Dennoch mussten sie sich in der Männerwelt durchsetzen – auch die Künstlerin selbst. Bei der Aufnahmeprüfung an der Leipziger Hochschule bekam sie zu hören, das sei kein Beruf für sie. Frauen in Führungspositionen waren auch nicht vorgesehen. Und dann noch die Doppelbelastung.
Die Frauen dort waren ungeheuer stolz auf die Arbeit, die sie geleistet haben. Die haben dafür Orden bekommen.
Inspiration durch Buch
Inspiriert wurde Regisseur Torsten Körner von Maxi Wanders Kultbuch "Guten Morgen, du Schöne". Das Buch, eine Sammlung von Portraits von Frauen, die sich selbst beschreiben, erschien 1977. Im Vorwort schrieb Wander: "Das alles müssen wir noch mühsam lernen. Dazu hat uns die Geschichte nie zuvor Gelegenheit gegeben".
"Ich wollte einfach immer was anderes. Ich wollte: arbeite mit, plane mit, regiere mit. Ja, ich wollte immer mit regieren. Ich dachte ich bin hier geboren, da mach ich mit", schildert Gabrielle Stötzer auch heute noch voller Elan. Ihr politisches Engagement hat die Künstlerin und Dissidentin mit Freiheitsentzug bezahlt. Im Gefängnis erfuhr sie die Solidarität von Frauen, die sie nur hören konnte. Aber sie waren laut.
Ich wollte: arbeite mit, plane mit, regiere mit.
Emanzipation mit Hürden
Ein weiteres Beispiel ist Katja Lange-Müller. In ihrem Sessel sitzend verkündet sie in der Dokumentation: "Der internationale Frauentag war jetzt nicht das Schlimmste an der DDR. Wirklich nicht." Für den Zuschauer sind es imposante Begegnungen. Auch wenn es zuweilen ein Ungleichgewicht gibt. Die Schauspielerin Katrin Sass etwa erscheint als bloße Stichwortgeberin. Immer im Blick hat der Dokumentarfilm dafür die Kluft zwischen Fremdbild und Selbstbild der Frauen. Wie sie sein sollten, zeigen die vielen Wand-Mosaiken, die sich als roter Faden durch den Film ziehen.
Wovon sie träumten, hören wir in Schlagern. Und wie sie sich – vielleicht – sehen wollten, zeigen Ausschnitte aus DEFA-Filmen. Die Metallurgin Katrin Sejfarth war Protagonistin im dokumentarischen "Maxhütten-Zyklus" von Joachim Tschirner.
Heute reflektiert sie ihr damaliges Bild von der DDR. "Dieses Bild, was ich von der DDR hatte, war wie ein großer, starker Baum. Und 89' ist für mich dieser Baum umgefallen und ich hab gesehen, der hatte keine Wurzeln", so Sejfarth. Deutlich zeigt sich, dass das progressive Selbstbild der DDR für viele emanzipierte Frauen ein Bezugspunkt blieb, der dann fehlte. 1990 begann für die "Unbeugsamen" aus der DDR ein neuer Kampf.
Mehr Informationen
"Die Unbeugsamen 2 - Guten Morgen, ihr Schönen!"
Kinostart: 29. August
Regie: Torsten Körner
eine Produktion von Broadview Pictures in Koproduktion mit ZDF/3sat
Quellen: MDR KULTUR (Lars Meyer)
Redaktionelle Bearbeitung: tis, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. August 2024 | 17:40 Uhr