Geheimdienst Iran "Die Spionage sollte dazu dienen, mich zu entführen"

25. März 2023, 05:00 Uhr

Der SPD-Politiker Reinhold Robbe geriet ins Visier des iranischen Geheimdienstes der Revolutionsgarden. Im Gespräch erzählt der ehemalige Wehrbeauftragte, was ihm passiert ist und was er von der Bundesregierung hinsichtlich der Iran-Politik erwartet.

Frage: Herr Robbe, Sie wurden 2015 vom iranischen Geheimdienst ausspioniert. Was ist damals passiert?

Antwort Reinhold Robbe: "Ich wurde über einen längeren Zeitraum hinweg ausgespäht von pakistanisch-stämmigen Agenten des iranischen Geheimdienstes, speziell der Revolutionsgarden, die einen eigenen Geheimdienst haben und die auch seit vielen Jahren hier sehr aktiv in der Bundesrepublik unterwegs sind."

Einer der beiden Männer, die Sie ausspioniert haben, war ein Student aus Bremen. Wie genau wurden Sie ausspioniert?

"Sie spähten Arbeitsstätten von mir aus. Insbesondere ging es um meine damalige ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Da stand dann naturgemäß die Geschäftsstelle der DIG im Fokus dieses Agenten, aber auch andere Arbeitsstätten, wie zum Beispiel mein ehemaliges Bundestagsbüro."

Einige Dinge, die der Mann über Sie herausgefunden haben will, waren frei erfunden.

"Es gab auch Spionage-Ergebnisse, die nicht der Wahrheit entsprachen, wie zum Beispiel, dass ich ein Büro beim Zentralrat der Juden oder in der Redaktion der Jüdischen Allgemeinen hätte. Ich war zwar schon auch immer mal wieder an diesen Orten. Aber ich hatte keine Büros dort. Also, es ist eine Melange aus richtigen Feststellungen, aber auch Behauptungen, die einfach nicht stimmten."

Trotz vieler Falschinformationen eine sehr akribische Tätigkeit.

"Es konnten seitens der Sicherheitsbehörden diverse Festplatten sichergestellt werden. Und ein Experte hat mir erklärt, dass umgerechnet 10.000 DIN-A-4-Seiten gefüllt wurden, die dann an den Auftraggeber, also an den iranischen Geheimdienst, geschickt wurden. Und offensichtlich dienten diese ganzen Aufzeichnungen und Berichte dazu, insbesondere meine Wege zu Arbeitsstätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dokumentieren. Aber ebenso wurden dann andere alternative Wege ausgekundschaftet, die ich mit meinem Pkw zurückgelegt habe. Und zwar immer von der Wohnung zu den jeweiligen Arbeitsstätten."

Was denken Sie über das Ziel dieser Ausspionierung?

"Also ich will da gar nicht groß meine eigene Erklärung zum Besten geben, sondern einfach das zitieren, was der Richter festgestellt hat. Diese ganzen Spionageaktionen dienten dazu, mich entweder zu entführen oder im schlimmsten Fall zu liquidieren. Das wurde auch im Urteil so festgehalten."

Also wollte der iranische Geheimdienst einen hochrangigen deutschen Politiker auf deutschem Staatsgebiet entführen oder sogar hinrichten?

"Ob ich jetzt zu den hochrangigen Politikern zähle, will ich mal dahingestellt sein lassen. Auf jeden Fall konnte nachgewiesen werden, dass der iranische Geheimdienst dahinter steckt und damit auch das Regime an sich. Das muss man ganz nüchtern sehen. Das Regime hat ein Interesse daran, Kritiker in der Bundesrepublik auszuschalten. Mit welchen Mitteln auch immer. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass dieses Regime menschenverachtend und für mich eine der schlimmsten Diktaturen überhaupt ist." 

Das Regime hat ein Interesse daran, Kritiker in der Bundesrepublik auszuschalten.

Reinhold Robbe

Sie haben über einen Journalisten erfahren, dass Sie ausspioniert wurden.

"Ich weiß noch ziemlich genau, wie das war. Ich war gerade dabei, meinen Wagen zu Hause einzuparken. Und dann bekam ich einen Anruf und wurde gefragt: 'Was sagen Sie denn dazu?' Und ich wusste nicht, was der Anrufer meinte, worauf er sich bezog. Ich habe ihn dann gebeten, mich doch mal aufzuklären, um was es geht. Und dann berichtete der Journalist, dass es eine Pressemitteilung des Generalbundesanwalts gäbe, dass ein Agent festgenommen worden sei und dass dieser Agent offensichtlich die Aufgabe hatte, mich auszuspähen. Das war der Ausgangspunkt der ganzen Geschichte."

Zur Person Reinhold Robbe war von 1994 bis 2005 Bundestagsabgeordneter der SPD. Von 2005 bis 2010 arbeitete er als Wehrbeauftragter der Bundesregierung. In den Jahren 2010 bis 2015 hatte er das Amt des Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft inne. 2015 geriet Robbe ins Visier des iranischen Geheimdienstes, um ihn als mögliches Anschlagsziel auszuspähen. Als der Fall 2017 bekannt wurde, kam es zum einem Prozess, bei dem ein damals 31-jähriger Agent wegen seiner Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde.

Was haben Sie in dem Moment gedacht?

"Es ist, als bekommt man einen Schlag auf den Hinterkopf, ohne zu wissen, von wem dieser Schlag ausgeht. Es war schon eine heftige Erfahrung, miterleben zu müssen, dass man nicht unmittelbar von den zuständigen Sicherheitsorganen informiert wird."

Sie durften den Prozess nicht als Nebenkläger auftreten, obwohl Sie ja der Hauptbetroffene waren. Wie fanden Sie das?

"Auch das war eine grenzwertige Erfahrung. Ich will mich nicht wichtiger machen, als ich bin. Aber ich war nun mal das Ziel, auf das sich der Geheimdienst damals gestürzt hatte, und auch derjenige, der eigentlich als Opfer in dieser ganzen Situation anzusehen war. Aber ich konnte in dem Verfahren nur als Zeuge auftreten, weil der Agent wegen seiner Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland angeklagt war. Aber nicht wegen des Umstandes, dass mir irgendetwas hätte passieren können oder in meine Privatsphäre eingedrungen wurde."

Sie hatten danach einen Brief an das Auswärtige Amt geschrieben und gefragt, welche Konsequenzen Ihr Fall nach sich ziehen wird. Wie zufrieden waren Sie mit der Antwort?

"Als der Richter seinen Urteilsspruch gefällt hatte und als feststand, dass einer der Agenten für mehr als vier Jahre hinter Gittern verschwinden musste, wollte ich natürlich schon wissen, wie die Bundesregierung mit diesem Sachverhalt umgeht, und habe dann einige Wochen gewartet. Und als da nichts kam, habe ich den zuständigen Staatsminister im Auswärtigen Amt angesprochen und habe ihn gefragt, was man zu tun gedenke. Und erst dann bekam ich aufgrund meiner ausdrücklichen Nachfrage die Information, dass der Botschafter einbestellt worden sei und dass ihm eine Verbalnote, wie die Diplomaten zu sagen pflegen, überreicht worden sei. Also ein Protestschreiben, was der Botschafter dann doch seiner Regierung übermitteln möge. Die Antwort habe ich öffentlich gemacht. Sie wäre aber nie öffentlich geworden, wenn ich nicht selbst aktiv darauf gedrungen hätte."

Wie schätzen Sie die aktuelle Iran-Politik der Bundesregierung sechs Jahre später ein?

Es braucht mehr und härtere Sanktionen, und es braucht vor allen endlich eine konkrete Aussage mit Blick auf eine Ächtung der Revolutionsgarden.

Reinhold Robbe

"Leider hat sich überhaupt nichts geändert an dieser Appeasement-Politik gegenüber dem iranischen Regime. Auch Frau Baerbock vermeidet es, bei jeder sich bietenden Gelegenheit klare und deutliche Worte zu finden. Aber Reden kann man viel, das Regime lässt sich jedoch nicht beeindrucken durch irgendwelche mündlichen Verwarnungen. Da müssen schon entsprechende Maßnahmen folgen. Und diese Maßnahmen können nur bedeuten, dass das Regime noch weiter eingeschränkt wird in seinen Handlungsmöglichkeiten, insbesondere mit Hilfe von wirtschaftlichen Sanktionen. Das heißt, es braucht mehr und härtere Sanktionen, und es braucht vor allen endlich eine konkrete Aussage mit Blick auf eine Ächtung der Revolutionsgarden."

Was stellen Sie sich da vor?

"Die Revolutionsgarden sind eine Terrororganisation, die jetzt nicht erst seit heute, sondern seit Jahrzehnten jeden Tag Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausüben und auch in meinem Fall aktiv wurden. Es ist für mich inakzeptabel, dass die Bundesregierung nicht endlich die Revolutionsgarden als terroristische und kriminelle Organisation behandelt. Auch der Verweis auf die Europäische Union in diesem Zusammenhang ist nicht länger hinnehmbar. Wer hindert eigentlich die Bundesregierung daran, in diesem Fall ein deutliches Zeichen zu setzen? Und ich bin überzeugt davon, dass andere europäische Staaten sofort nachziehen würden."

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 15. März 2023 | 20:15 Uhr

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