Demonstrierende halten ein Transparent mit einem durchgestichenen Emblem eines Gesichts das eine Maske trägt hoch.
Teilnehmer einer "Querdenker"-Demo vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Bildrechte: IMAGO / IPON

Corona-Demonstrationen Kommentar: Sozial-Protest ist kein Bürgerkrieg

09. August 2022, 05:00 Uhr

Inflation, Energiekrise und Corona: Es gibt viele Themen, die Unmut in der Bevölkerung auslösen und zu Protesten führen. Doch nicht jeder belässt es bei einer friedlichen Demo. Verfassungsschützer warnen seit Wochen, dass Rechtextreme versuchen könnten, die für den Herbst erwarteten Sozial-Proteste für ihre Zwecke zu kapern. Auch Bürgerinnen und Bürger selbst trügen hier eine Verantwortung, kommentiert Torben Lehning.

Torben Lehning
Bildrechte: MDR/Tanja Schnitzler

Inflation, Energiekrise, Rohstoffkrise, Lohnkrise – es mangelt derzeit nicht an Gründen, um auf die Straße zu gehen. Ein "heißer Herbst" mit Protesten und Demonstrationen, wie ihn Gewerkschaften, Parteien und Verbände ankündigen, ist nichts Falsches, sondern vielmehr verständlich.

Wer sich mit einem Schild auf die Straße stellt, sollte aber auch gucken, wer neben ihm läuft. Rechtsextreme und Verschwörungsmythiker bieten ein Sammelbecken der Skurrilitäten an – Lösungen sucht man bei ihnen vergebens.

Breites Themenspektrum: Corona-Protest reicht nicht mehr aus

Ein Montag im August in Berlin. Lautstark zieht die von den Veranstaltern als "Medienmarsch" betitelte Demonstration durch die Straßen des Regierungsviertels. Organisiert wurde der Aufzug von "Querdenkern", "Eltern stehen auf" und der "Freedom Parade". Das Virus allein treibt nicht mehr genügend Menschen auf die Straße, so wurde offenbar das Themenspektrum erweitert. Laut Veranstaltern protestiert man gegen Corona-Politik, Krieg, Inflation und die Energiekrise. Ein buntes Potpourri, für alle was dabei.

Während der Aufzug mit knapp 2.000 Teilnehmern nicht sonderlich radikal wirkt, mobilisieren auf Nachrichtendiensten wie Telegram zeitgleich Rechtsextremisten für Demos zum gleichen Anlass. "Um 10 Uhr Revolte, um 14 Uhr Aufstand, um 18 Uhr Bürgerkrieg, Treffpunkt Bundestag", fordert ein Aufruf. Umsturzfantasien direkt aufs Smartphone.

Rechtsextreme mobilisieren auf reichweitenstarken Kommunikationskanälen

Verfassungsschützer warnen seit Wochen, dass Rechtsextreme versuchen könnten, die für den Herbst erwarteten Sozial-Proteste für ihre Zwecke zu kapern. In der Corona-Pandemie hätten sich viele radikale Netzwerke gebildet, die über Reichweitenstarke Kommunikationskanäle verfügten. Dort teilten sie jetzt zunehmend auch Inhalte, die die Energiekrise und Inflation beträfen. Und tatsächlich, das Netz ist voll davon.

Knapp 150.000 Mitglieder zählt der Telegram-Kanal der rechtsextremen Splitterpartei Freie Sachsen. Liest man sich die Beiträge der öffentlichen Gruppe durch, findet man viel Panikmache, aber keine Lösungen. Da warnen Endzeit-Youtuber vor dem Blackout. Sie schwadronieren darüber, wie lange der Mensch ohne Trinkwasser überleben könne und empfehlen dem geneigten Mitleser sich Nahrungsvorräte anzulegen. Die Beiträge hetzen gegen Landes- und Bundesregierung, Politikerinnen und Politiker. Eigene Vorschläge sucht man vergebens. Panikmache statt Politik.

Streit darf auch auf die Straße getragen werden

Dabei sind so viele Lösungen auf dem Markt. Ob Gaspreisdeckel, Übergewinnsteuer, Erbschaftssteuer oder ein Aussetzen der Schuldenbremse. Auf dem Markt der Ideen und Möglichkeiten gibt es viele zur Verfügung stehende Optionen. Man mag und kann von ihnen halten was man will. Sie klingen mehr oder weniger reizvoll. Entweder höhere Steuern für Besserverdienende und Unternehmen oder weitere Schulden aufnehmen. Man kann darüber diskutieren und streiten und diesen Streit auch auf die Straße tragen.

Klar ist: Der Staat hat die Pflicht mit Hilfspaketen, Bürgerinnen und Bürgern zu helfen. Vor allem denjenigen die teilweise nicht wissen, wie sie ihre Gasrechnungen und Lebensmittel bezahlen sollen. Die Pflicht eines jeden und einer jeden Einzelnen ist es, darauf zu schauen, mit wem man zusammen auf die Straße geht. An Demonstrationsangeboten dürfte es im Herbst nicht mangeln. Es wird also genügend Alternativen zu rechtsextremen Aufmärschen geben. 

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. August 2022 | 05:00 Uhr

147 Kommentare

Fakt am 10.08.2022

@Soldaten Norbert:

Auf die Idee, dass der Ablauf auch bezüglich eventueller Straßensperren, Demo-Route, Begleitung durch die Polizei etc.pp. organisiert werden muss kommen Sie in Ihrem blinden Hass nicht, sttimmt's?
Wenn Sie meinen, dass Sie in diesem Land nur einen "Scheiß" dürfen, steht es Ihnen doch frei auszuwandern - ich empfehle Ihnen beispielsweise Russland, China oder Nordkorea.

Eulenspiegel am 10.08.2022

Hallo Norbert
Aber natürlich muss jede Demo angemeldet werden.
Das heißt aber noch lange nicht das ihr Satz "Einen Scheiss darf man diesem Land !" richtig ist. sondern das heißt nur das auch eine freiheitlich, demokratisch Grundordnung ihre Regeln hat.

Frank L. am 10.08.2022

Tja Saxe zu Punkt eins haben sie zwar Recht , aber wie bei vielen Dingen hier im Land klaffen zwischen Theorie und Praxis gigantische Lücken. Und zu zweitens, es geht um die Sache wer da was anmeldet ist mir völlig egal. Im Gegenteil ,wenn 10000 zur NPD Demo kommen erzeugt das mehr Druck und Aufregung in Politik und Medien als wenn Max Mustermann irgendwo eine Demo abhält. Und genau darum geht es, Druck, da unterstütze ich doch gerne.

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