Kommentar Wir müssen unsere Umwelt stärker schützen als die "Sixtinische Madonna"

24. August 2022, 10:25 Uhr

In Dresden haben sich Mitglieder der Initiative "Letzte Generation" an die "Sixtinische Madonna" geklebt. So überschaubar der Schaden in der Galerie ist, so viel gravierender sind die Schäden, auf die das aktivistische Duo hingewiesen hat, findet unsere Autorin. Ein Kommentar.

Stell dir vor, es ist Vernissage und niemand geht hin. Aber das liegt nicht daran, dass die Künstlerin zu unbekannt ist, eine Pandemie zum zwischenzeitlichen Stopp aller Veranstaltungen führt oder die Galerie nach der letzten Gasrechnung pleite gegangen ist. Nein, diesmal liegt es daran, dass es gar keine Menschen mehr gibt.

Ja, richtig gelesen: Die Menschheit ist ausgestorben. Auf dieses Katastrophenszenario weist nicht nur das aktivistische Bündnis "Letzte Generation" schon im Namen hin. Auch ein Forschungsteam warnte kürzlich, beim Klimawandel habe die Wissenschaft bisher zu wenig auf Worst-Case-Szenarien geschaut.

Protestanten bei einer Sitzblockade 5 min
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Routinen durchbrechen, um wachzurütteln

Natürlich ist das "nur" eins von vielen Szenarien - auch Hoffnung hat die Klimaforschung zum Glück immer wieder zu bieten. Kernbotschaft: Wir sind noch handlungsfähig. Noch können wir umsteuern. Und vor allem müssen wir etwas tun.

Zugegeben: Die eigene Hand an den nicht einmal historischen Rahmen der "Sixtinischen Madonna" von Raffael kleben, hält den Klimawandel nicht auf. Den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist ein Sachschaden entstanden, Kunstinteressierte mussten ihre Tagesplanung an die kurzfristige Schließung anpassen.

Wie bei anderen Aktionen der Initiative "Letzte Generation" ist der Schaden überschaubar - auch ein mögliches juristisches Nachspiel wäre wohl schnell abgehandelt. Doch möglicherweise müssen wir gerade aus unseren Routinen herausgerissen werden, um die Dringlichkeit der Klimakrise zu begreifen. Denn obwohl seit Jahrzehnten viel Wissen zum Klimawandel bekannt ist und weiter vertieft wurde, ist erstaunlich wenig passiert - was die aktuelle Abhängigkeit von russischem Gas schmerzhaft vor Augen führt.

Kunst ist nicht heiliger als unsere Lebensgrundlagen

So können wir die Aktion auch als Anlass nutzen, um über drängende aktuelle Fragen zu diskutieren. Wie sieht es etwa mit der juristischen Ahndung von Klimaverbrechen aus? So viel größer der Schaden hier ist, so komplex sind die Fragestellungen. Eine Überflutung wie im Ahrtal lässt sich nicht in einfacher Kausalität auf einen Akteur zurückführen. Bei Waldbränden mag man noch einen Brandstifter ausfindig machen - dass die Brände so verheerend sind, hängt aber mit vielen Faktoren zusammen.

Müssten wir also nicht gerade hier möglichst viele Ressourcen reinstecken, um den derzeitigen und künftigen Klima-Herausforderungen gerecht zu werden? Um an Lösungen zu arbeiten, statt jahrzehntelang runterzuleiern, was angeblich nicht geht? Müssen wir nicht viel dringender daran arbeiten, unsere Umwelt zu erhalten, statt vor Kunstgemälden die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken?


Banksy hätte seine Hand auf Madonnas Gesicht geklebt

Vielleicht hätte der Klimaprotest in der Dresdner Gemäldegalerie sogar noch radikaler sein können. Ich wage zu behaupten: Banksy hätte seine Hand auf das Gesicht der Madonna geklebt. Gut, wahrscheinlich würde er die Geheimhaltung seiner Identität nicht ganz so schnell preisgeben. Vielleicht wäre am nächsten Morgen nur der Abdruck seiner Hand auf dem Gemälde zu sehen.

Aber eins ist sicher: Der Wert des Gemäldes wäre danach um ein Vielfaches gestiegen. Und der Abdruck könnte noch in vielen hundert Jahren von einem kreativen Protest zeugen - und daran erinnern, wie das Umsteuern in der Klimapolitik doch noch geglückt ist.

MDR (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. August 2022 | 16:00 Uhr

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