Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Ruf nach RettungsschirmViele Krankenhäuser in akuter Existenznot

18. Oktober 2022, 14:27 Uhr

Neben Corona und Personalmangel sehen sich viele Krankenhäuser vor allem durch ihre finanzielle Lage in existenzieller Gefahr. Mit der geplanten Gaspreis-Bremse im kommenden März sei vielen Häusern nicht geholfen, sie stünden jetzt schon vor dem Zusammenbruch, warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Sie fordert vom Spitzentreffen des Bundesgesundheitsministers und des Bundesfinanzministers am Dienstag schnelle Rettung.

Personalmangel, drohende Energiekrise – und dazu die saisonbedingt steigenden Coronazahlen. Mitteldeutsche Krankenhäuser kommen nicht aus dem Krisenmodus heraus. Viele melden oftmals schon am Mittag volle Notaufnahmen. Dann müssen die zentralen Leitstellen der Feuerwehren andere Krankenhäuser anfahren – in der Hoffnung, dass die Akutpatienten dort aufgenommen werden. Betten müssen gesperrt, Operationssäle zeitweise geschlossen werden. Wieder werden, wie zu Beginn der Pandemie, geplante Operationen verschoben.

Kliniken sehen sich in Existenz bedroht

Im Nachrichtenmagazin "Spiegel" beschreibt Grünen-Politiker Janosch Dahmen die Lage so: "Vielerorts sind insbesondere die Notaufnahmen und der Rettungsdienst völlig überlastet. Sie können ihre Patienten im Notfall nur noch schwer einer geeigneten Klinik zuweisen oder auf weiterversorgende Stationen verlegen."

Für kommunale Krankenhäuser ist das existenzbedrohend. Denn gerade mit komplexen Eingriffen verdienen sie Geld. Die absehbar weiter steigenden Preise für Medizinprodukte und für Strom verschärfen die Lage zusätzlich.

Anfang vergangener Woche warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor bevorstehenden Schließungen zahlreicher Krankenhäuser wegen wirtschaftlicher Notlagen. Der von der Bundesregierung geplante Gaspreisdeckel im März komme für die bedrohten Einrichtungen zu spät. Insgesamt sehe man eine Finanzlücke von 15 Milliarden Euro in diesem und im kommenden Jahr.

100-Milliarden-Forderung vom Expertenrat der Bundesregierung

"Während andere Unternehmen zumindest einen Teil der Kostensteigerungen über Preisanhebungen ausgleichen können, ist dies für Krankenhäuser unmöglich. Wir können auch nicht zeitweise unseren Betrieb einstellen oder Temperaturen absenken, um Kosten einzusparen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß.

Auch Prof. Christian Karagiannidis sieht eine Pleitewelle auf deutsche Krankenhäuser zukommen. Er ist der Berater der Bundesregierung in der Krankenhauskommission. Karagiannidis forderte im aktuellen "Bericht aus Berlin" der ARD einen Rettungsschirm für Krankenhäuser: "Wir sollten nicht darauf warten, dass die ersten Kliniken wirklich zahlungsunfähig werden, sondern wir müssen jetzt wirklich einen Rettungsschirm für die Krankenhäuser spannen."

Karagiannidis empfiehlt, "dass man sogar so weit geht, dass man ein Sondervermögen einrichtet. Zum Beispiel auch 100 Milliarden, und dieses Sondervermögen ganz klar an tiefgreifende Reformen im Gesundheitswesen koppelt." Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine solche Summe von Bundesfinanzminister Christian Lindner bewilligt bekommt, scheint allerdings kaum vorstellbar.

Rettungsschirmchen statt Rettungsschirm?

Auch Lauterbach selbst dämpft die Erwartungen, will aber nichts unversucht lassen und, wie er vergangene Woche im Bundestag erklärte, "rechtzeitig" Unterstützung für die Krankenhäuser organisieren.

"Rechtzeitig" bedeutet für die finanziell angeschlagenen Einrichtungen "sofort" – so sieht es auch die Opposition im Bundestag. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge sagte MDR AKTUELL: "Was die Kliniken jetzt brauchen, ist Planungssicherheit. Die Ampel muss morgen konkret sagen, wieviel Geld sie den Kliniken als Soforthilfe zur Verfügung stellt – und vor allem, wann."

Lindner und Lauterbach wollen über Hilfszusagen sprechen

Auf eine schnelle Hilfszusage will offenbar auch der SPD-Gesundheitsminister den Fokus legen, wenn er sich am Dienstag mit FDP-Finanzminister Lindner trifft. Für einige der 1.900 Krankenhäuser in Deutschland mit etwa 490.000 aufgestellten Betten gehe es bereits jetzt um Reanimation in letzter Sekunde, macht die Deutsche Krankenhausgesellschaft klar.

Sollte sich allerdings der nach vier verlorenen Landtagswahlen angeschlagene Bundesfinanzminister Lindner zur Bereitstellung einer Geldsumme aus dem Staatshaushalt für Deutschlands Krankenhäuser bereitfinden, dürfte der Umfang die Erwartungen kaum erfüllen. Die möglichen Staatshilfen für Krankenhäuser, über die beide Minister morgen verhandeln wollen, werden wohl eher für ein Rettungsschirmchen als für einen echten Rettungsschirm ausreichen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Oktober 2022 | 10:00 Uhr