Eine Ärztin ueberreicht in einer Arztpraxis in Hamburg dem Patienten ein Rezept (gestellte Szene)
Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose

Gesundheitssystem CDU-Gesundheitspolitiker: Deutsche gehen zu häufig zum Arzt

09. März 2023, 10:23 Uhr

Die Deutschen gehen zu häufig zu Fachärzten. Das sagt der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Um die Kosten des deutschen Gesundheitssystems in den Griff bekommen zu können, müsse das Kostenbewusstsein der Versicherten geschärft werden. Die Privaten Versicherer wiederum schlagen Modelle mit Eigenbeteiligung auch für die gesetzlichen Krankenkassen vor.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, hat sich für weniger Arztbesuche ausgesprochen, um die Krankenversicherung zu sanieren. Der Bundestagsabgeordnete aus Magdeburg sagte MDR AKTUELL, er wolle niemandem den Arztbesuch verwehren. Jedoch gingen die Deutschen im europäischen Vergleich sehr häufig zum Arzt. Jeder sollte überlegen, ob es jedes Mal notwendig sei. Mehr Kostenbewusstsein beim Patienten müsse dann auch belohnt werden, etwa durch Boni.

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Sorge kann sich aber auch andere Anreizsysteme vorstellen wie etwa das Hausarzt-Modell. Der Versicherte könne sich für einen niedrigeren Beitrag entscheiden. Dafür müsse er aber erst den Hausarzt konsultieren und erst mit einer Überweisung zum Facharzt gehen. 

Die gesetzliche Krankenversicherung erwartet in diesem Jahr ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Der CDU-Politiker sagte, das sei Aufgabe von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, "die Mittel … beim Bundesfinanzminister zu holen". Dazu gehörten beispielsweise fast zehn Milliarden Euro für ALG-II-Bezieher, für die bisher die Beiträge "nicht in der richtigen Höhe“ abgeführt würden. Erst wenn das erledigt sei, sollte man sich über mögliche Kürzungen und Einsparmaßnahmen unterhalten.

Wahltarife: Ungerechte Kostenersparnis?

Auch der Wirtschaftsweise Martin Werding sprach sich im "Handelsblatt" beispielsweise für GKV-Wahltarife aus, die mit einem niedrigeren Zusatzbeitrag verbunden wären. "Wer bereit ist, einen Facharzt nur mit einer Überweisung vom Hausarzt zu besuchen, könnte im Gegenzug geringere Beiträge zahlen", sagte er. Möglich seien auch ein Selbstbehalt für gesetzlich Versicherte oder eine Kopfpauschale für die Beiträge.

Eine solche Pauschale war vor Jahren von FDP und Teilen der CDU/CSU gefordert worden. Kritiker lehnten sie als sozial ungerecht ab.

Private Krankenversicherer: Eigenvorsorge auch bei gesetzlichen Beiträgen einberechnen

Nach Ansicht des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) sollten die gesetzlichen Krankenkassen ebenfalls Selbstbehalte oder ähnliche Modelle der Eigenbeteiligung einführen. PKV-Verbandschef Florian Reuther sagte der "Ärzte Zeitung" : "In der privaten Krankenversicherung gibt es Tarife, bei deren Beitragsgestaltung berücksichtigt wird, ob sich jemand gesund verhält und Eigenvorsorge betreibt. Für die Gesetzliche Krankenversicherung wäre das ebenfalls ein Modell." Die gesetzliche Krankenversicherung sei ein Solidarsystem, das nicht "jedes gesundheitsschädliche Verhalten mittragen soll".

Angesichts der finanziellen Lage der Krankenkassen sei zu diskutieren, in welchem Verhältnis die Eigenvorsorge des Versicherten zu dem stehe, was der Solidargemeinschaft aufgebürdet werden könne, sagte Reuther weiter. Ideen, private und gesetzliche Krankenversicherung zusammenzufassen, bezeichnete er als die falsche Antwort auf die demografische Herausforderung.

Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen hatte unlängst gefordert, dass Kassenpatienten bis zu 2.000 Euro Selbstbeteiligung pro Jahr zahlen sollen. Versicherte sollten aus seiner Sicht auch Kosten durch Verletzungen nach selbst gewählten Risiken komplett selbst übernehmen. Konkret nannte er hier unter anderem Skifahren.

MDR, AFP, KNA (nvm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. März 2023 | 07:45 Uhr

85 Kommentare

THOMAS H am 10.03.2023

"Es geht um Menschen, die den Arzt über Gebühr wegen simplen Befindlichkeitsstörungen aufsuchen, ..."

In der Statistik wird aber bestimmt nicht nach diesen Menschen

"... explizit nicht um Menschen mit behandlungsbedürftigen Akut- oder chronischen Erkrankungen."

und diesen Menschen unterschieden, so daß m. M. n. keiner sagen kann, wie viele zur ersten Gruppe gehören.

Oder können Sie das, beleghaft, nachweisen?

In Bezug "Menschen stellen halt ihr eigenes Handeln ungern in Frage, ...", liegt es in der ersten Gruppe, m. M. n. auch ein bisschen an den Ärzten, wie weit sie es zulassen, daß diese "Patienten" immer wieder beim Arzt auftauchen. Manchmal hilft vielleicht auch eine klare Ansage?!

Es ist eben eine komplexe Sache, die aber in finanzieller Sicht (Einnahmen/Ausgaben), nicht nur den Patienten angelastet werden kann.
Zu möglichen Einsparungen und mehr Einnahmen habe ich ja schon geschrieben. Sie müssten nur umgesetzt werden und der "Reiseweg" wäre gar nicht so holprig.

AlexLeipzig am 10.03.2023

Grundsätzlich zählt jeder Gang zum Arzt als Arztbesuch. Das war aber vor 10 Jahren auch nicht anders. Andererseits kann aufgrund der Fallpauschalen nicht jeder dieser Besuche abgerechnet werden ("sog. Arzt-Patientenkontakt ohne abrechenbare Leistung"). Es geht um Menschen, die den Arzt über Gebühr wegen simplen Befindlichkeitsstörungen aufsuchen, explizit nicht um Menschen mit behandlungsbedürftigen Akut- oder chronischen Erkrankungen. Aber ich weiß: ich beiße auf Granit. Es ist meine Meinung aus meiner Erfahrung heraus, wenn sich nichts ändert, wer weiß, wohin die Reise geht. Menschen stellen halt ihr eigenes Handeln ungern in Frage, es ist leichter, die Probleme an anderen festzumachen. Auch damit muß man umgehen. Ich habe trotzdem einen guten Job und meine Kritik richtet sich definitiv nicht an Sie, Thomas.

THOMAS H am 10.03.2023

AlexLeipzig: "Aktuell sehe ich leider Tendenzen zur Ausplünderung des Systems."

Zu diesem Satz, sollte zuerst geklärt werden: Was zählt alles zu den Arztbesuchen?

Beispiel: Am 05.04. (2. Quartal) muss ein Patient zu einem Facharzt und benötigt dazu eine Überweisung. Er muss somit am 03. oder 04.04. zu seinem Hausarzt, um sich diesen ausstellen zu lassen, da ja ein neues Quartal begonnen hat und somit die Versichertenkarte, beim Hausarzt neu eingelesen werden muss, um diesen zu erhalten.

Zählt diese Ausstellung schon als Arztbesuch? Wenn ja sollten diese Handlungen aus den tatsächlichen Arztkontakten herausgerechnet werden und die tatsächlichen Arztkontakte würden sich relativieren.

Ebenso stellt sich die Frage: Zählt die Verabreichung einer vierwöchentlich notwendigen intramuskulären Injektion auch als Arztbesuch?
Wenn ja, würden meine 13-14 Mal im Jahr als Arztbesuche gezählt, obwohl ich den Arzt persönlich gar nicht kontaktiere.

Fragen über Fragen zur europäischen Handhabung.

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