Lebensmittelkontrolle Schmutzige Küche im Restaurant: Hilft ein Smiley an der Tür?
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Lauwarme Speisereste, falsch gelagerte Lebensmittel, unpassende Arbeitskleidung: Immer wieder werden bei Kontrollen in Restaurants Mängel festgestellt – in jedem vierten Betrieb, sagt Foodwatch. Die Verbraucherorganisation will ändern, dass die Verbraucher nur selten etwas von den Mängeln erfahren – oder auch, wenn nichts beanstandet wurde.
Weißer Kittel, weiße Haube, Handschuhe und eine Atemschutzmaske. Die Dienstkleidung von Sibylle Bießmann sah schon vor Corona so aus. Die Lebensmittelkontrolleurin hat einen Termin auf dem Erfurter Markt. Unangekündigt inspiziert sie die Küche des Restaurants.
Die neue Köchin ist mit den unregelmäßigen Besuchen von Frau Bießmann noch nicht vertraut. Die Kontrolleurin findet gleich mehrere Mängel: Die Köchin trägt nur ein dünnes Top. "Sie müssen wenigstens ein kurzärmliges T-Shirt anziehen, die Achseln dürfen nicht frei sein", sagt Bießmann, die seit 17 Jahren Kontrollen durchführt. "Weil der Schweiß, der kann ja auf das Lebensmittel tropfen, das wäre nicht so ästhetisch." Außerdem dürften keine Ringe und Ketten beim Kochen getragen werden und die Fingernägel sollten kurz und ohne Nagellack sein.
Sibylle Bießmann läuft weiter zu den Wärmeplatten. Sie nimmt den Deckel eines Wärmebehälters hoch, senkt den Kopf und wirft einen Blick hinein: "Von wann ist denn das?" Die Köchin schnappt sich die Schale, dreht ab und antwortet: "Von gestern." Die Kontrolleurin interveniert und sagt, das gehe so nicht und dürfe nicht mehr verkauft werden. Denn es hätte in einem anderen Behälter ordentlich gekühlt werden müssen. Sonst sei das ein "Schlaraffenland für jegliche lebensmittelbedenklichen Keime".
Was passiert in der Küche?
Damit solche Mängel aufgedeckt werden können, sind unangemeldete Kontrollen wichtig. Es geht um die richtige Schutzkleidung. Wie sind die Lebensmittel gelagert? Funktionieren Kühlung und Heißhaltung? Gibt es Seife und Desinfektionsmittel für die Hände? Wie werden Abfälle organisiert?
Die Köchin erhält zunächst ein Verwarngeld von 55 Euro. Sybille Bießmann hat mit ihrem Kugelschreiber alle Verstöße im Bericht auf ihrem Klemmbrett notiert. Bis zur Nachkontrolle müssen alle Mängel beseitigt sein. Sonst droht ein Bußgeldverfahren – und somit eine höhere Strafe.
Doch von den beanstandeten Mängeln erfahren die Besucher des Restaurants und die Verbraucher nur schwer etwas. Der Bericht ist ausschließlich für das Gesundheitsamt gedacht. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten jeweils einzelne Daten bei den zuständigen Behörden abfragen.
Foodwatch: Jeder vierte Betrieb wird beanstandet
Damit sich dies ändert, hat die Verbraucherorganisation Foodwatch zusammen mit dem Portal für Informationsfreiheit "FragDenStaat" bereits vor drei Jahren die Plattform "Topf Secret" ins Leben gerufen. Auf der Website können Interessierte Anträge stellen und so die Daten der letzten zwei Lebensmittelkontrollen erfragen. Die Ergebnisse werden auf einer Karte eingetragen und können öffentlich eingesehen werden.
Bisher habe es 50.000 Anfragen gegeben, sagt Rauna Bindewald von Foodwatch. Der Hintergrund: Durch mehr Berichte komme auch mehr Transparenz in die Arbeit der Restaurants und der Gesundheitsämter: "Wir haben in Deutschland seit Jahren die Situation, dass jeder vierte Betrieb beanstandet wird und die Bürger davon nichts erfahren. Denn die allermeisten Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen bleiben geheim."
Betriebe fürchten Online-Pranger
Was für die Restaurantbesucher interessant ist, sorgt auf Seiten der Gastronomen zum Teil für Ärger. Die Betreiberinnen und Betreiber fürchten, dass es durch die Veröffentlichung zu Pauschalurteilen kommen könne, weil Laien die Berichte nicht korrekt interpretieren könnten. Udo Lehmann, Betreiber der Alten Mensa an der TU Dresden, erzählt, dass in den Berichten auch bauliche Mängel beanstandet würden. Eine lose Fliese, eine kaputte Fuge: All das ließe sich leicht beheben, hätte aber kaum einen Einfluss auf die Essensqualität.
Deshalb hat er, wie auch 60 andere gastronomische Betriebe in Deutschland, gegen die Herausgabe der Kontrollberichte geklagt. Wer sich ein Bild von der Küche machen wolle, könne sie sich auch anschauen: "Wir sind generell offen für unsere Gäste, Studierende und Mitarbeiter an der Hochschule. Wir machen auch außerhalb der Pandemie Besichtigungen in den Küchen. Da kann man dann sehen, wir ordentlich und sauber die Küchen im Normalfall aussehen."
Dänemark, Wales und Norwegen mit anderem System
In den Nachbarländern von Deutschland wird es anders gehandhabt: In Dänemark und Norwegen gibt es etwa das sogenannte Smiley-System. In Wales eine Skala von null bis fünf. Die Behörden bewerten gastronomische Einrichtungen nach häufig stattfindenden Kontrollen. In Dänemark hängen die Smileys direkt an der Eingangstür der gastronomischen Betriebe. Für Gäste ist so auf den ersten Blick zu erkennen, wie die letzte Kontrolle ausgefallen ist.
Auch Foodwatch wünscht sich letztendlich so ein System. "Topf Secret" sei nur ein Mittel zum Zweck, erklärt Rauna Bindewald: "Wir haben die Plattform geschaffen, um sie eigentlich wieder abzuschaffen."
Wir wollen, dass die Behörde die Berichte von sich aus veröffentlichen muss – im Internet und an der Ladentür, so dass der Verbraucher viel leichter weiß, wie es im Laden aussieht.
Doch dafür bräuchte es mehr Kontrollen als ein bis zwei Mal pro Jahr wie derzeit üblich. Und dafür reiche das Personal in den Behörden nicht aus, befürchtet Ingrid Hartges, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga): "Die Zahl der Kontrolleure in unserem Land ist ausbaufähig. Wir können mit diesen Kapazitäten nicht im Ansatz ein solches System wie in Dänemark gewährleisten."
Lebensmittelkontrolleurin Sibylle Bießmann unterstützt das Smiley-System dennoch. Auch wenn es für sie deutlich mehr Arbeit bedeutet: "Ich denke, wenn der Gewerbetreibende weiß was passiert, wenn er ein ordentliches Objekt hat und sich damit auszeichnen kann, dann empfinde ich das als etwas Positives." Ein positiver Kontrollbericht könne so auch zum Aushängeschild für die Gastronomen werden.
Quelle: MDR exakt/mpö
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 19. Januar 2022 | 20:15 Uhr