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Engagement für die UmweltWie MDRfragt-Mitglieder den Klimaschutz leben

31. Oktober 2021, 05:00 Uhr

Das Stimmungsbild ist eindeutig: Drei Viertel der Teilnehmenden der aktuellen MDRfragt-Befragung wünschen sich einen stärkeren Einsatz gegen den Klimawandel. Viele der Befragten haben dafür den eigenen Lebensstil geändert. Hier erzählen sie wie.

von MDRfragt-Redaktionsteam

Zahlreiche Bewohner in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen leisten einen eigenen kleinen oder großen Beitrag zum Klimaschutz. Sie verzichten zum Beispiel auf Flugreisen, kaufen weniger ein oder bauen eigenes Obst und Gemüse an. Acht Geschichten über Menschen, die Klimaschutz schon heute leben:

Vom Wurstfan zum Veganer

Vor Jahren hat Leonhard Schwager viel Fleisch gegessen: "Kein Wunder. Ich bin Thüringer!" Inzwischen studiert er Medizin in Dresden – und das mit der Wurst, das war einmal. Und zwar nicht, weil ihm Fleisch nicht mehr schmecken würde. Die Massentierhaltung und alle damit verbundenen Folgen für Umwelt und Klima sind die Gründe für seinen Verzicht. Angefangen hat alles mit dem Vorschlag seiner Freundin, "vegan" einmal auszuprobieren. "Ich war anfangs skeptisch, weil ich, egal wie viel ich esse, sehr dünn bin und Angst hatte, im wahrsten Sinne des Wortes vom Fleisch zu fallen." Doch dann stieß Leonhard Schwager auf eine Liste von Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern, die sich vegan ernähren. "Und da war mir klar: Wenn die das können, kann ich das auch."

Inzwischen lebt der Thüringer ohne Fleisch, ohne Eier, ohne Milch. Schwer falle ihm das nicht. "Ich habe festgestellt, dass Gemüse nicht nur fade Beilage ist; dass Möhre nach Möhre schmeckt und Brokkoli nach Brokkoli." Oft muss er sich für seine Ernährung rechtfertigen. "Ich drehe den Spieß dann einfach um und sage: Rechtfertige du dich doch mal dafür, dass du Fleisch aus Massentierhaltung isst. Dann ist meistens Ruhe." Übrigens hofft der 24-Jährige, nicht ewig Veganer bleiben zu müssen. "Wenn die Politik die Rahmenbedingungen so ändert, dass Tierhaltung klimaschonend möglich ist, würde ich auch wieder tierische Produkte essen."     

Schritt für Schritt weniger Verpackungsmüll

Als Dagny Seliger vor ein paar Monaten eine Dokumentation über die verschmutzten Weltmeere sieht, trifft sie eine Entscheidung: "Schicht im Schacht, da mache ich nicht mehr mit!" Doch leichter gesagt als getan. Die 46-Jährige lebt nicht in Leipzig oder einer anderen Großstadt, in der es verpackungslose Läden gibt, sondern: in der Börde. "Der nächste Unverpacktladen ist in Magdeburg und zwar von meinem Wohnort aus gesehen genau am anderen Ende der Stadt. Da stellt sich natürlich die Frage, wie ökologisch sinnvoll es ist, diesen Weg auf sich zu nehmen." Die Lösung für Dagny Seliger: selbst machen!

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"Ich habe mir ein Buch mit Anleitungen bestellt. Das ist total klasse. Mit Kernseife, Natron, Essig und Zitronensäure lassen sich sämtliche Reinigungsmittel herstellen." Statt Deospray nimmt sie nun Deocremes, statt Flüssigseife und Shampoo feste Seife, beziehungsweise Haarseife. Ein Hindernis: die Familie von ihren Plastik-frei-Plänen zu begeistern. "Ich habe eine pubertierende Tochter. Fridays for Future findet sie zwar cool, aber ob das von den Jugendlichen dann auch immer so gelebt wird… Da habe ich meine Zweifel." Noch zu oft setze sich die Bequemlichkeit durch - werde die Zahnpastatube den neuen "Dentatabs" - Zahnpasta in Tablettenform zum Zerkauen – vorgezogen. Doch Seliger ist überzeugt, dass sie ihre Tochter auch noch dazu bekommt. Spätestens, wenn die letzte Zahnpastatube aufgebraucht ist. "Ich kaufe dann eben nichts anderes mehr. Da bin ich rigoros!" 

Gas in den Tank und Gemüse aus dem eigenen Garten

Gerade haben Christine Milde und ihr Mann die letzten beiden Gurken für dieses Jahr aus dem Gewächshaus geholt. In der Gefriertruhe lagern Beeren aus dem Garten. Die selbstangebauten Kartoffeln werden wohl noch bis Ende des Jahres reichen. Natürlich kaufen die Mildes auch Obst und Gemüse dazu, wenn die Vorräte aufgebraucht sind. Doch zu einem beträchtlichen Teil versorgen sie sich selbst. Das ist ihr Beitrag zum Klimaschutz. Auch beim Autokauf haben sie auf die Klimabilanz geschaut. "Ein E-Auto war zu teuer. Daher sind wir auf Gas umgestiegen." Denn ganz verzichten können die Mildes auf ein Auto nicht. "Wir wohnen etwa 15 Kilometer von Ilmenau entfernt auf dem Land. In unserem Dorf wohnen 700 Einwohner. Besorgungen und Arzttermine müssen wir in der Stadt erledigen. Mit dem Bus wären wir zu unflexibel." Und so verbinden sie ihre Wege nach Ilmenau meist mit einem Stopp an der Gastankstelle.

Wie beim Autokauf denkt das Ehepaar auch vor anderen Anschaffung genau nach - sei es bei Möbeln oder Kleidung: Brauchen wir das wirklich? "Ich denke, dieses Verhalten gehört in unserer Generation irgendwie noch dazu", sagt Christine Milde. Der Klimagedanke spielt für die 70-Jährige aber dabei eine immer größere Rolle. "Wenn man sieht, was die Menschheit mit der Welt macht und welche unmittelbaren Folgen der Klimawandel jetzt schon hat. Ich finde das einfach beängstigend." Besonders Unwetter machen der Rentnerin Angst. "Früher hörte man so etwas aus Australien. Aber immer häufiger sind wir jetzt auch in Deutschland betroffen." Christine Milde spielt auf die Flut im Ahrtal an. Richtig hart getroffen habe es sie im nördlichen Thüringer Wald zwar bislang nicht, "aber wer weiß, wie lang das noch so bleibt."

Nur noch mit dem Fahrrad in den Urlaub

Wir erreichen Johannes Meusel auf dem Fahrrad. Wo sonst? Der 67-Jährige ist passionierter Radler. Gerade ist er unterwegs von Münster nach Bremen. Allein in diesem Jahr war der pensionierte Lehrer zwölf Wochen mit seinem Rad unterwegs durch Europa – bis Spanien. Für den Dresdner die schönste und klimaschonendste Art des Reisens. Angefangen hat seine Leidenschaft dafür kurz nach der Wende, erzählt er: "Wir wollten Urlaub in den Niederlanden machen. Da ich nie ein Auto besessen habe, stellte sich die Frage, wie wir dort hinkommen." Die Wahl fiel auf Zug und Fahrrad. So konnte jedes der drei Kinder auch selbst Gepäck transportieren. "Das hat prima funktioniert." Als Einschränkung seiner Lebensqualität, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln und ohne Flugzeug unterwegs zu sein, empfindet Johannes Meusel es nicht.

Manchmal sei man mit Bus und Bahn innerhalb Europas auch nicht viel später am Ziel. "Flugreisende vergessen gern die Anreise zum Flughafen, die Wartezeiten und dass Maschinen oft zu ungünstigen Zeiten früh morgens abheben." Aber natürlich müsse noch einiges für bessere Bahnverbindungen getan werden. "Zuletzt sind ja etwa Nachtzugverbindungen eher gestrichen worden. Auch wird es immer schwerer, im Fernverkehr ein Fahrrad mitzunehmen." Meusel ärgert das. "Für die, die umweltbewusst reisen wollen, muss die Politik auch die Möglichkeit dafür schaffen."

Während anfangs vor allem der Spaß an seinen Radtouren im Vordergrund stand, habe sich später der Gedanke verfestigt, dass die Verkehrswende – weg von fossilen Antrieben – für den Klimaschutz unabdingbar ist. "Die Erkenntnis hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren bei mir durchgesetzt. Mit jedem sogenannten Jahrhunderthochwasser im Elbtal mehr."

"Ich brauche diesen ganzen Konsum nicht mehr"

Noch vor zwei Jahren gehörten unüberlegte "Impulskäufe" zum Alltag von Anja Hense. "Es hat mir einfach Spaß gemacht, in möglichst großen Läden durch die Regale zu streifen, auch Bummeln zu gehen. Das war einmal." Die Wende hing nicht etwa damit zusammen, dass sich Hense kritisch mit ihrem Konsumverhalten auseinandergesetzt hätte. Das kam später. Ausgangspunkt dafür war die Coronapandemie. "Wir leben auf dem Land in Thüringen. Während der Pandemie war ich mit den Kindern viel zu Hause. Da haben sich einfach nicht so viele Gelegenheiten zum Einkaufen ergeben." Dadurch habe sie gemerkt: "Ich brauche diesen ganzen Konsum nicht mehr." Früher habe sie auch mit Begeisterung Werbeprospekte angeschaut. "Das war wie ein Ritual, immer sonntags. Das hat in mir das Gefühl geweckt, dass ich vieles von dem, was ich da sehe, unbedingt brauche, weil es mein Leben erleichtert: das eine Werkzeug, diese Schuhe. Doch das wird einem nur vorgegaukelt."

Heute mache sie es umgekehrt. "Ich stelle in meinem Alltag fest, was ich brauche und sehe mich dann danach um." Dafür geht sie heute lieber in kleinere Läden und kauft gezielter – nach Bedarf. Erst nach und nach hat sich bei Anja Hense der Gedanke durchgesetzt, dass sie jetzt einen kleineren biologischen Fußabdruck hat. Auch auf den Bereich Lebensmittel hat sich das inzwischen ausgewirkt. "Ich kaufe keine Wurst mehr aus konventioneller Massentierhaltung. Auch wenn sie viel günstiger ist. Darüber hätte ich früher gar nicht nachgedacht." Für die 35-Jährige ist eines dabei aber ganz wichtig: "Dass ich diese Schritte selbst und in meinem Tempo gegangen bin. Wenn mir jemand von außen gesagt hätte: Kauf dies, kauf jenes nicht, dann wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Man muss es selbst verstehen und die Erfahrung machen, wo die Unterschiede liegen. Das braucht Zeit."      

"Ökologische Investitionen zahlen sich aus"

Petra und Ralph-Robert Lichterfeld aus Wittenberg haben sich für einen umweltschonenden Lebenswandel entschieden. "Und das hat sich in vielerlei Hinsicht ausgezahlt", erklärt Ralph-Robert Lichterfeld: "Wir haben kleinere Autos mit Elektroantrieb angeschafft, um nicht unnötig Ballast durch die Gegend zu fahren. Unsere Photovoltaikanlage reicht in der Regel aus, um sie zu laden. Selbst an grauen Tagen."

Außerdem hat sich das Ehepaar für eine Wärmepumpe entschieden. "Dadurch sparen wir Heizkosten. Zugegebenermaßen investieren wir nicht nur aus ökologischen Gründen, es muss sich auch finanziell lohnen." Das Ehepaar spürt das besonders, wenn die Energiepreise wie jetzt stark steigen. Auch in anderen Bereichen achten die Lichterfelds auf die Umwelt – ebenfalls mit positiven Nebeneffekten: "Wir kaufen regionale Lebensmittel und essen kein rotes Fleisch mehr. Wir fühlen uns dadurch einfach gesünder."         

Mit dem Einmachglas in den Laden

Wenn Johannes Werner einkaufen geht, ist der Rucksack schon halb voll, bevor er den Laden überhaupt betreten hat. Der Grund: Der 26-Jährige kauft gern unverpackt ein. "Da muss ich natürlich Einmachgläser und andere Behältnisse mitbringen, die ich vor Ort auffülle." Die meisten Unverpacktläden führen verschiedene Nudelsorten, Hülsenfrüchte, Gewürze, Öle und Essige, aber auch Reinigungsmittel und Kosmetika. Was ihm aber immer noch schwer falle, verpackungslos zu kaufen ist Käse. Dabei gibt es an vielen Frischetheken inzwischen auch die Möglichkeit, eigene Boxen mitzubringen. "Da will ich in Zukunft dran denken."

Ein weiterer Bereich, in dem der Jenaer sein Konsumverhalten geändert hat: im Onlinehandel. "Das habe ich deutlich eingeschränkt. Und wenn ich im Netz bestelle, dann achte ich darauf, kleinere Händler auszusuchen, auch wenn es teurer ist." Ein Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz hat sich bei Johannes Werner erst während des Studiums eingestellt. "In den ersten drei Jahren habe ich in einer WG der christlichen Studentengemeinde gewohnt. Seit dem denke ich gemeinschaftlicher. Ich achte nicht nur auf mich, sondern auch darauf, was mein Verhalten für Folgen für andere und die Umwelt hat."

"Wir müssen bei den Kindern anfangen"

Die meisten Kinder lieben es, mit Wasser zu spielen. Wenn der Hahn läuft, pressen sie ihre Hände darunter, spritzen herum. Mandy Friedel kennt das nur zu gut. Sie arbeitet seit 1986 als Erzieherin. Doch je mehr der Klimawandel voranschreitet, je mehr die Folgen auch in ihrer Heimat, dem Erzgebirge, sichtbar werden, desto mehr Unbehagen, macht sich breit, wenn sie beobachtet, dass Wasser verschwendet wird. "Ich versuche den Kindern dann zu erklären, dass Wasser ein kostbares Gut ist." Die trockenen Sommer, Hitzetage mit 35 Grad Celsius selbst im Erzgebirge, heftiger Sturm, der jüngst ihren Standkorb fünf Meter weiter in ein Beet pustete – all das macht ihr Angst. "Das Wetter ist aus meiner Sicht extremer geworden. Besonders wenn ich an die Winter denke. Es schneit kaum noch und wenn, kommt alles an zwei Tagen runter. Das war doch früher nicht so."

Die 51-Jährige möchte ihren Teil dazu beitragen, damit das nicht noch schlimmer wird. In der Kita mahnt sie, sparsam mit den Ressourcen umzugehen, achtet auf Mülltrennung und schiebt Projekte in den Bereichen Natur und Umwelt an. "Wir haben zum Beispiel Igelhäuser aufgestellt und Kartoffeln angebaut. Daraus haben wir alle möglichen Gerichte gemacht, auch Pommes, damit die Kinder mal sehen, dass die nicht aus der Tüte kommen." Im Kollegium werde sie dafür oft belächelt. "Dann heißt es: Du allein wirst die Welt nicht retten. Das ist mir auch klar, aber wenn wir es schaffen, die Kinder für die Natur zu interessieren, dann werden sie vielleicht mehr auf Umweltschutz achten." Ihre Hoffnung ist, dass die Kinder ihre Eltern dann im Alltag darauf aufmerksam machen, dass sie etwa den Wasserhahn nicht so lang laufen lassen sollten. "Ich denke, wenn selbst die eigenen Kinder das zu Hause sagen, hat das eine große Wirkung."      

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 28. Oktober 2021 | 14:00 Uhr