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MDRfragt - Das Meinungsbarometer für MitteldeutschlandMDRfragt: Mehrheit fordert mehr Investitionen in ländliche Regionen

07. November 2021, 16:30 Uhr

Das Dorf ist für die MDRfragt-Mitglieder der Sehnsuchtsort schlechthin - die meisten würden gern hier leben, wenn sie es sich aussuchen könnten. Aber: Es gibt auf dem Land für die Politik noch viel zu tun, findet die deutliche Mehrheit. Sie wünschen sich mehr Investitionen und mehr Fokus auf die Probleme der ländlichen Regionen. Das zeigt die aktuelle Befragung von MDRfragt. 23.300 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich daran beteiligt.

von MDRfragt-Redaktionsteam

Die deutliche Mehrheit findet, dass die ländlichen Regionen in Deutschland mehr Investitionen (93 %) und mehr Beachtung durch die Politik (89 %) erhalten sollten. Rund drei Viertel (74 %) sind der Ansicht, die Menschen auf dem Land und der ländliche Raum insgesamt sind abgehängt.

Landbevölkerung fehlt es an guter Infrastruktur

Die MDRfragt-Mitglieder, die selbst in ländlichen Regionen leben, sehen vor allem Probleme bei der Anbindung ihrer Wohnorte: Sie vermissen die gute Verkehrs-Infrastruktur der Städte (61 %), Ärzte in der Nähe (59 %), viele Einkaufsmöglichkeiten (43 %) und Kultur- und Freizeitangebote (43 %). Ebenso häufig genannt wurde die gute Netzabdeckung bzw. das schnelle Internet in der Stadt (43 %). Letzteres fehlt besonders stark den jüngsten Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmern (56 %).

Hier einige Beispiele, die uns MDRfragt-Mitglieder aus dem ländlichen Raum geschrieben haben:

Ärzte, die in Ruhestand gegangen sind, konnten keinen Nachfolger finden. Der Ärztemangel ist sehr hoch.

19-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Bautzen

Ein Geschäft nach dem anderen macht zu. Morgen schließt das Kaufhaus hier für immer.

67-jähriger Teilnehmer aus dem Altenburger Land

Früher gab es einen Haltepunkt der Deutschen Bahn. Der wurde geschlossen. Heute gibt es nur noch den Schulbus. In den Ferien gar nichts. Um pünktlich zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen, müsste ich immer einen Tag vorher los fahren. Ohne Auto undenkbar.

60-jähriger Teilnehmer aus der Nähe von Halle

Politik und Dorfbewohner haben gemeinsame Verantwortung

Um das Landleben attraktiver zu machen, sind sowohl Politik als auch die Menschen vor Ort in der Pflicht, finden drei Viertel der Dorfbewohner, die an unserer Befragung teilgenommen haben (75 %). Dass allein die Politik aktiv werden muss, finden 19 Prozent, dass nur die Menschen vor Ort mehr tun müssen vier Prozent.

Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns geschrieben, was die Politik in ihren Augen tun sollte:

Dorf und Stadt werden gleichgestellt. Der Bus muss genauso oft (alle 20 Minuten in alle Richtungen) fahren wie in der Stadt. Egal ob es sich lohnt, das hinterfragt in der Stadt doch auch keiner, ob der Bus leer fährt. Oder Fachärzte auf dem Land ansiedeln und die Städter müssten dann aufs Land fahren, um zu einem bestimmten Facharzt zu kommen. Da können die Ärzte sich nicht rausreden, dass es im Dorf nicht genügend Patienten gibt.

19-jährige Teilnehmerin aus Nordsachsen

Die Politiker müssten erst einmal begreifen, was es heißt, auf dem Land zu leben. Wenn sie das Landleben kennenlernen, lernen sie auch hoffentlich die Bedürfnisse kennen.

62-jährige Teilnehmerin aus dem Salzlandkreis

Die Politik scheint davon auszugehen, dass der Großteil der Menschen, für die Politik gemacht wird, in der Stadt lebt. Es muss ein Umdenken geschehen. Maßnahmen, z.B. für den Klimaschutz, müssen so konzipiert werden, dass sie auch für Menschen auf dem Land Sinn machen und sie nicht in Unkosten stürzen.

22-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Meißen

41 Prozent engagieren sich selbst, um das Leben in ihrem Ort zu verbessern. Hier einige Beispiele, wie sich Dorfbewohner einbringen:

Ich bin Mitglied in vielen der Vereine in meinem Ort, die gemeinsam Veranstaltungen und Arbeitseinsätze organisieren, um das Dorf(leben) attraktiv zu gestalten/präsentieren.

21-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Bautzen

Ich habe einen Anlaufpunkt für ältere Bürger geschaffen in der Vereinsgaststätte eines Kleingartenvereins. Einmal wöchentlich wird Kaffee und Kuchen gereicht.

60-jährige Teilnehmerin aus dem Kreis Stendal

Bei Bedarf übersetze ich für Nachbarn ins Tschechische (bin zweisprachig aufgewachsen), bin im Heimatbund tätig und organisiere öfter Ausflüge nach Tschechien.

86-jähriger Teilnehmer aus dem Landkreis Görlitz

Sehnsuchtsort Dorf: Die meisten möchten hier leben

Trotz all der Probleme, die die MDRfragt-Mitglieder in der ländlichen Region sehen: Wenn sie es sich aussuchen könnten, würden die meisten am liebsten auf dem Dorf leben (36 %). Auch das Leben am Stadtrand (24 %) oder in einer Kleinstadt (20 %) finden viele attraktiv. Für eine Großstadt würden sich jedoch nur zehn Prozent entscheiden.

Vor allem für ländliche Bevölkerung ist das Dorfleben attraktiv

Vor allem diejenigen, die schon in einer ländlichen Region leben, finden das Dorf ideal als Lebensraum (43 %). Bei den Stadtbewohnern sind dies lediglich 26 Prozent. Hier steht der Stadtrand an erster Stelle der Lieblingswohnorte (30 %).

Viele haben uns auch geschrieben, was sie an ihrem Dorf so schätzen:

Jeder kennt jeden, jeder hilft jedem, jeder grüßt jeden, einfach nur schön. Wohnen wo andere Urlaub machen. Nie würde ich tauschen. Kein Stau am Nachmittag. Frische Luft selbst im Sommer.

47-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Bautzen

In meinem Alter sehe ich in der Stadt keinen Vorteil gegenüber dem Land. Im Gegenteil, ich lebe da gesünder und habe viel mehr Bewegung in der Natur.

74-jähriger Teilnehmer aus dem Thüringer Wald

Sicher ist ein Stadtleben teilweise viel einfacher, aber um das Gleiche wie hier auf dem Land zu haben, reicht bei den Allerwenigsten der Geldbeutel, denn ein Stadtleben verführt auch zur Geldausgabe. Das Ende ist dann oft die Schuldenfalle und ein Arbeiterschließfach in einem Wohnblock ohne Garten, Garage, Freiraum und Selbstbestimmung.

60-jähriger Teilnehmer aus dem Saale-Orla-Kreis

Dorf vor allem bei Jüngeren und Mittelalten beliebt

Interessant sind hier die Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Das Dorf ist besonders beliebt bei den Befragten unter 50 Jahre, aber deutlich unbeliebter bei den Über-65-Jährigen. Dagegen gewinnen bei den Älteren der Stadtrand und die Kleinstadt an Beliebtheit. Die Großstadt ist im Vergleich der Altersgruppen bei den Unter-30-Jährigen am beliebtesten (16 % im Vergleich zu 9-10 % bei den Älteren).

Natur, Ruhe, Platz als wichtigste Vorteile vom Dorf

Gegenüber dem Leben in der Stadt gibt es einige Vorteile beim Landleben – allen voran viel Natur: Das finden 91 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben. Auch Ruhe (84 %), mehr Platz (70 %) und den Gemeinschaftssinn (65 %) erachten viele als positiver.

Gute Infrastruktur größter Vorteil der Stadt

Die wichtigsten Vorteile der Stadt dagegen sind für die Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor allem im Infrastruktur-Bereich angesiedelt: viele Einkaufsmöglichkeiten (82 %), die medizinische Versorgung (80 %), die Verkehrsinfrastruktur (77 %) und die Kultur- und Freizeitangebote werden als größte Vorteile angesehen. Interessanterweise ist das Nachtleben nur für eine Minderheit ein Vorteil der Stadt (34 %). Selbst bei der jüngsten Altersgruppe (16 bis 29 Jahre) ist dieser Punkt derjenige, den die wenigsten als Vorteil gegenüber dem Leben auf dem Land ansehen (43 %).

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Die Befragungsergebnisse zum Herunterladen

Über diese BefragungDie Befragung vom 22.10.- 25.10.2021 stand unter der Überschrift:
Stadt oder Land - wo lebt sich's schöner?

Insgesamt sind bei MDRfragt 48.993 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 25.10.2021, 15 Uhr).

23.296 Menschen aus Mitteldeutschland haben online an dieser Befragung teilgenommen. Davon leben 46 Prozent in ländlichen Regionen, 54 Prozent in Städten (Definition nach BMVI).

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 432 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.892 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 9.740 Teilnehmende
65+: 9.232 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 11.750 (50 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.897 (25 Prozent)
Thüringen: 5.649 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 54 Prozent
Weiblich: 46 Prozent
Divers: 0,2 Prozent

Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.

Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.

Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 08. November 2021 | 22:10 Uhr