Neue StatistikMigranten und Ältere besonders von Wohnungslosigkeit betroffen
Laut einer neuen Statistik gibt es immer mehr wohnungslose Menschen. Das kann vieles bedeuten: Ohne Mietvertrag bei Freunden unterkommen, in einer Unterkunft für Geflüchtete leben oder auch ganz ohne Obdach auf der Straße. Nach einer neuen Statistik sind viele Menschen ohne Wohnung Geflüchtete, Migranten aus Südosteuropa und auch Ältere.
- Zu den untergebrachten Wohnungslosen in Deutschland zählen viele Geflüchtete, die in Flüchtlingsunterkünften wohnen
- Migrantinnen und Migranten aus Südosteuropa sind in Deutschland stärker von Obdachlosigkeit betroffen
- Wohnungslosigkeit bei Älteren nimmt zu
Die Statistik zu untergebrachten Wohnungslosen ist noch recht neu. Erst die dritte Ausgabe erschien dieses Jahr. In Sachsen wurden zum Stichtag Ende Januar rund 4.500 wohnungslose Menschen gezählt – über ein Drittel mehr als im Vorjahr. Bundesweit gab es ein Plus von 18 Prozent.
Den Anstieg erklärt Katharina Brüchmann von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung damit, dass die Erhebung selbst noch wachse. Es gebe eine bessere Datenqualität, weil die Daten durch die zuständigen Stellen besser gemeldet würden.
Untergebracht, aber ohne eigene Wohnung
Es gebe aber noch einen anderen Grund, sagt Brüchmann: "Es ist darauf zurückzuführen, dass die Zahlen der Geflüchteten auch steigen. Vor allem Menschen aus der Ukraine sind in den letzten Jahren gekommen und das spiegelt sich in den Zahlen der Untergebrachten wider."
Konkret: Bundesweit sind knapp ein Drittel der Wohnungslosen Ukrainerinnen und Ukrainer. In Sachsen stehen sie auf Platz zwei nach Menschen aus Syrien.
Trifft Wohnungslosigkeit also vor allem Geflüchtete? Dieser Schluss greife zu kurz, sagt Brüchmann: "Man muss das nach Unterbringungsform oder nach Wohnungslosigkeit auch unterscheiden." Denn in diese Erhebung werden Geflüchtete eingerechnet, die in Unterkünften leben, deren Asylantrag bewilligt wurde und die in diesem Moment zu Wohnungslosen werden.
Migranten aus Südosteuropa oft ohne Wohnung
Von Obdachlosigkeit zum Beispiel seien andere stärker betroffen: "Unter den Menschen, die auf der Straße leben, ist auch ein sehr hoher Anteil aus Migrantinnen aus anderen Ländern, vor allem aus Südosteuropa, aus Polen, Rumänien und Bulgarien. Da haben wir viele Menschen, die auf der Straße leben, weil sie nach Deutschland kommen und eine Arbeit suchen und bei der Arbeitssuche scheitern und dementsprechend auch keine Mittel haben, um eine Wohnung zu finanzieren", erklärt Brüchmann.
Viele Ältere von Wohnungslosigkeit betroffen
Alexandra Hänsel von der Wohnungsnotfallhilfe Radebeuler Sozialprojekte in Dresden berichtet, dass Wohnungslosigkeit inzwischen auch immer öfter Ältere trifft, die schon Rente und Sozialleistungen bekämen und trotzdem Geldnot hätten. "Teilweise sträuben sie sich auch sehr stark, sich an die entsprechenden Hilfestrukturen zu wenden, weil es sich da um eine Generation handelt, die wirklich ihr Leben lang arbeiten gewesen ist, einen großen Wert auf staatliche Unabhängigkeit legt und ganz große Probleme hat, rechtzeitig in diese Hilfestrukturen zu kommen, um gar nicht erst wohnungslos zu werden", sagt Hänsel.
Ähnliches berichtet Marcus Nieher, der in Chemnitz die Wohnungsloseneinrichtung der Stadt leitet. Er kümmert sich um teils über 80-Jährige, deren Wohnung geräumt wird. "Das ist früher eher ein Gentlemen's Agreement gewesen, dass das nicht passiert. Das ist jetzt häufiger der Fall und man dann auch eher ein Pflegeheim sucht als eine neue Wohnung." Im Schnitt dauere es etwa ein Dreivierteljahr, bis eine neue Bleibe gefunden sei, sagt Nieher. Früher war es nur ein halbes.
Die größten Sorgen macht ihm die Versorgung: "Da es leider so ist in unserem Staat, wenn jemand keine Leistungen hat und in so eine Einrichtung wie bei uns kommt, sind wir rein auf Spenden angewiesen, denjenigen bis zum Leistungsbezug durchzufüttern, dem Kleidung zu geben und Hygieneprodukte." Vor allem mit solchen Sachspenden wäre seinem Projekt akut geholfen, sagt Nieher: Kleidung, Lebensmittel. Und nicht nur als Welle an Weihnachten – er würde gerne mal nicht bis August Lebkuchen austeilen.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. September 2024 | 06:12 Uhr