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Der Instant-Malzkaffee "im nu" kam in der DDR 1958 auf den Markt. Bildrechte: imago stock&people

Vom Notnagel zur gesunden AlternativeWarum der "Muckefuck" weiterlebt

von Annekathrin Queck, MDR SACHSEN-ANHALT

14. August 2022, 16:18 Uhr

Muckefuck kennen die meisten von früher. Er ist in einer Zeit entstanden, in der echter Kaffee Mangelware war. Im Laufe der Jahre haben sich immer neue Varianten entwickelt, die heute eine eigene Nische für sich erobert haben. So konnte der Muckefuck sein Image als schlechter Kaffeeersatz ablegen und präsentiert sich heute als echte Alternative.

Der herb-süßliche Geschmack von Malzkaffee, den man im Osten als "im nu" und im Westen als "Caro-Kaffee" kannte, ist wahrscheinlich noch vielen in Erinnerung. Als Kind gab es ihn oft zum Kuchen dazu oder einfach mal zwischendurch, wenn man Lust darauf hatte. Der sogenannte Muckefuck ist eines der Produkte, die ohne Krise vielleicht gar nicht entstanden wären. Denn ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass immer dann neue Ersatzkaffee-Sorten entstanden, wenn echter Bohnenkaffee nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar war.

Geschichte des Muckefucks

Als Friedrich der Große Kaffee Mitte des 18. Jahrhunderts mit einer Luxussteuer belegte, konnten ihn sich die meisten Leute nicht mehr leisten. Grund für diesen Beschluss war wohl, dass die deutsche Bevölkerung den Bohnenkaffee der einheimischen Biersuppe vorzog. Biersuppe ist eine süße Flüssigkeit aus Bier, Milch, Mehl, Eigelb und Zucker, die man warm zum Frühstück servierte. Als Kaffee immer populärer wurde, machte er der Biersuppe als morgendliches Getränk ordentlich Konkurrenz. Die neue Kaffeesteuer konnte den Deutschen die Biersuppe aber nicht wieder schmackhaft machen. Auf dem Schwarzmarkt wurde Rohkaffee verkauft und die erste Zichorien-Kaffee-Fabrik gegründet.

Neben der Luxussteuer gab es auch einen "Brennzwang", der nur staatlichen Röstereien erlaubte, Kaffee zu rösten. Weil viele Bürgerinnen und Bürger versuchten, dieses Röstmonopol zu umgehen, heuerte Friedrich der Große sogenannte "Kaffeeschnüffler" an, die dem Duft des frisch gerösteten Kaffees folgten und so diejenigen entlarvten, die heimlich selbst Kaffee rösteten. Der Kaffee-Konsum konnte letztlich nicht eingedämmt werden und als das Kaffeemonopol des Staates 1780 mit dem Tod Friedrichs endete, konnten die staatlichen Einnahmen aus der Kaffeesteuer den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Schwarzmarkt-Geschäfte entstanden war, nicht ausgleichen.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Entwicklung von Kaffee-Alternativen erneut begünstigt, als der Bohnenkaffee durch Napoleons Kontinentalsperre plötzlich rar und teuer wurde. "Kaffee-Surrogat-Fabriken" schossen wie Pilze aus dem Boden und versorgten die deutsche Bevölkerung mit Ersatzgetränken. Besonders der Zichorienkaffee war beliebt, weil er durch die Zichorienwurzel ebenfalls Bitterstoffe enthielt und man ihn gut mit Bohnenkaffee mischen und strecken konnte. Erst im 20. Jahrhundert kamen dann die beiden Muckefuck-Sorten auf den Markt, die wir bis heute kennen: Ab 1954 steht Néstles Caro-Kaffee in den Supermarktregalen. Vier Jahre später folgt die ostdeutsche Variante "im nu".

Wie man aus anderen Pflanzen ein kaffeeähnliches Getränk herstellen kann, das äußerlich wie geschmacklich überzeugt, hat die Menschen auf verschiedene Ideen gebracht. Die meisten Ersatzkaffees bestehen aus Getreide und Malz, andere aus den Wurzeln der Wegwarte, auch als Zichorie bekannt. Experimentiert wurde aber auch mit Bucheckern, Kastanien und Feigen. Heutzutage gibt wieder neue Sorten, die zum Beispiel aus Lupinen oder Soja hergestellt werden.

Muckefuck kann man zum Beispiel aus den Wurzeln der Wegwarte herstellen. Bildrechte: imago/blickwinkel

Von (N)ostalgie und Kinderkaffee

Im geteilten Deutschland bewährten sich vor allem zwei Sorten: "im nu" und "Caro-Kaffee". Beide bestehen aus Gerste, Roggen und Malz. Im "Caro-Kaffee" ist außerdem noch Zichorie drin. Auch diese Instant-Malzkaffees waren in den 1950er-Jahren ein aus der Not geborenes Produkt, denn Bohnenkaffee stand nicht so selbstverständlich in den Supermarktregalen wie heute. In der DDR wurde er immer wieder knapp und war vergleichsweise teuer. Die meisten DDR-Bürger kauften aber trotzdem Kaffee. Ersatzprodukte wie "Kaffee Mix", im Volksmund auch "Erichs Krönung" genannt, kamen nicht gut an. Der Muckefuck fand dagegen in viele Haushalte seinen Weg. So wurde er in einigen Familien zum Beispiel nur unter der Woche getrunken, am Wochenende gabs dann Bohnenkaffee.

Dass nicht jeder von Muckefuck begeistert war, lässt sich schon vom Wort ableiten. Ein Blick in den Duden verrät, dass man unter "Muckefuck" gemeinhin einen dünnen, schlechten Kaffee oder Kaffee-Ersatz versteht. Der Begriff setzt sich aus den rheinischen Wörtern "mucken" und "fuck" zusammen, wobei "mucken" braune Stauberde oder verwestes Holz und "fuck" faul bedeutet. Appetitlich klingt anders.

Aber ob man ihn nun gerne getrunken hat oder nicht, der Muckefuck ist nicht mehr wegzudenken. Obwohl die Tage, an denen Bohnenkaffee Mangelware war, schon lange zurückliegen, bekommt man ihn noch immer in jedem Supermarkt. Ein Verkaufsschlager ist er nicht, gekauft wird er aber weiterhin. Einerseits aus Nostalgie, denn wahrscheinlich verbindet jeder, der in der DDR aufgewachsen ist, seine ganz eigenen Erinnerungen mit dem Getränk. Andererseits hat der Muckefuck als "Kinderkaffee" und gesunde Alternative zum Bohnenkaffee zum Beispiel für Menschen mit hohem Blutdruck eine eigene Nische gefunden und damit sein Überleben gesichert. Neue Varianten präsentieren sich heute nicht mehr als notdürftiger Kaffeeersatz, sondern als magenschonende, koffeinfreie und regionale Alternative.

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MDR (Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. August 2022 | 13:10 Uhr

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