
Logistikbranche Verdi kritisiert Arbeitsbedingungen von Paketzustellern
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01. Februar 2024, 15:21 Uhr
Dass Paketzusteller ein anstrengender Beruf ist, wird schon länger diskutiert. Geändert hat sich jedoch daran noch nichts. Die Gewerkschaft Verdi sieht strukturelle Gründe. Sieben von zehn Paketzustellern seien in Deutschland bei Subunternehmen beschäftigt, was viele Probleme mit sich bringe. Die Arbeitgeberverbände sehen das Problem bei Fehltritten einzelner.
- Die Arbeitsbedinungen von Paketzustellern sind nach wie vor sehr schlecht.
- Verdi kritisiert strukturelle Probleme wie kleine Subunternehmen und das Ausnutzen von Migration.
- Arbeitgeberverbände sehen kein strukturelles Problem sondern sprechen von "schwarzen Schafen".
Wer bei ebay Kleinanzeigen einen Job als Paketzusteller sucht, für den klingt es erstmal verlockend: "Gut bezahlter Job als Paketzusteller, bis zu 2400 Euro netto pro Monat. Wir sind ein Logistik-Unternehmen, welches überwiegend im Auftrag von Amazon Pakete ausliefert. Wir suchen ab sofort zuverlässige und motivierte Fahrer, denen wir langfristig einen sicheren und krisenfreien Job anbieten möchten." Nach den ersten Schichten folgt oft die harte Realität. Immer wieder berichten Zustellerinnen und Zusteller von 16-Stunden-Schichten, mehr als 200 Paketen am Tag – oder dass sie keinen beziehungsweise zu wenig Lohn bekämen.
Subunternehmen erschweren Wahrnehmung der Arbeitnehmerrechte durch Paketzusteller
Stefan Thyroke arbeitet bei Verdi. Sein Hauptkritikpunkt: Ein Großteil der Subunternehmen habe nur wenig Beschäftigte - also zwischen zehn und 20 Angestellten. "Das heißt, wir reden hier von mehr als 80 Prozent der 4.000 Unternehmen, die teilweise nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Das heißt, da kann der Arbeitgeber einfach kündigen. Es gilt die Regel: Je kleiner ein Betrieb ist, desto schwieriger ist es, einen Betriebsrat zu wählen. Desto eher auch die Wahrscheinlichkeit, dass keine Tarifbindung vorliegt. Das heißt, die Beschäftigten werden hier strukturell davon abgehalten, ihr Grundrecht wahrzunehmen."
Und: Viele Angestellte seien Menschen mit Migrationshintergrund, sagt Thyroke. "Auch gerade erst zu uns gekommen, häufig als Geflüchtete. Das heißt, da besteht nochmal eine zusätzliche Abhängigkeit, dadurch, dass nämlich auch Aufenthaltstitel daran geknüpft sind und es für die Beschäftigten dann nochmal schwieriger ist, gegen den Arbeitgeber aufzubegehren."
Arbeitgeberverbände sehen kein strukturelles Problem
Thyroke betont, dass die Kritik auch nicht neu sei. Aber die Lage habe sich seit Jahren nicht verbessert. Andreas Schumann ist der Vorsitzende des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste und vertritt etwa 5.000 Kurierdienste. Schumann findet: "Die von Verdi angeprangerte Verantwortungslosigkeit im Markt ist völlig übertrieben. Wir haben einen übergroßen Anteil von Unternehmen, die ordnungsmäßig arbeiten. Es gibt allerdings auch nicht ordnungsgemäß arbeitende Unternehmen und die müssen mit anderen Mitteln als mit einem Verbot aus dem Markt gedrängt werden." Schumann schätzt, dass das etwa fünf bis zehn Prozent der Subunternehmen betreffe. Diese solle man auch regelmäßig kontrollieren.
Ein strukturelles Problem sieht aber auch Marten Bosselmann nicht, der Vorsitzende des Bundesverbandes Paket-und Expresslogistik: "Wir dulden keine Verstöße, wir dulden keine schwarzen Schafe. Und diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Das passiert durch Gütesiegel, Auditierungsprogramme. Und letztlich hat der Staat das Gewaltmonopol. Allerdings, und das ist mir wichtig zu betonen, gibt es bei uns keine strukturellen Defizite. Es gibt keine strukturellen Probleme in unserer Branche."
Die Gewerkschaft Verdi bezweifelt das stark. Sprecher Stefan Thyroke betont, es gehe eben nicht nur um die schwarzen Schafe. Sondern man wolle den Grundzustand komplett verändern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Januar 2024 | 08:09 Uhr
Eddi58 am 30.01.2024
@Il Sassone
Ver.di ist die zuständige Gewerkschaft, allerdings müssten sich die Fahrer organisieren. Das ist schon wegen der Sprachbarrieren schwieriger als in anderen Branchen. Das es der Gewerkschaft nicht egal ist, wie die Arbeitsbedingungen aussehen, beschreibt der Beitrag recht gut…
Ihr Vorschlag mit den Fahrtenschreibern hat mindestens einen Haken: auch diese müssten kontrolliert werden! Für Schwarzarbeit und die Einhaltung des Mindestlohn ist aber der Zoll zuständig.🤔
Micha R am 30.01.2024
@ kleinerfrontkaempfer
"Da scheint die Soße ja ganz schön am kochen zu sein wenn sogar außerhalb der Saisonzeiten (Weihnacht, Schwarzer Freitag) über die mißliche Lage berichtet wird..."
Konkreter Anlaß ist wohl der Entwurf des neuen Postgesetzes!
Dort war bislang keine Rede von einem Subunternehmer-Verbot in der Paketbranche. Das Bundesland Niedersachsen will sich damit offensichtlich nicht abfinden und bringt jetzt zusammen mit anderen Bundesländern einen Änderungsantrag fürs Postgesetz auf den Weg. Im Bundesrat soll nun am 2. Februar 2024 über diesen Änderungsantrag abgestimmt werden. Chancen für eine Annahme dieses Änderungsantrages durch den Bundesrat stehen sehr gut, denn eine ähnliche Abstimmung verlief bereits am 12.05.2023 erfolgreich, auch wenn das Ergebnis bislang von der Bundesregierung jedoch ignoriert wurde:
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Paketdienste-Niedersachsen-will-Subunternehmen-verbieten,paketboten134.html
Il Sassone am 30.01.2024
"Gut bezahlter Job als Paketzusteller, bis zu 2400 Euro netto pro Monat."
Das sind eher Lockangebote in Regionen wo ein neues Paketzentrum eröffnet wird und Fahrer gesucht werden. Das pegelt sich früher oder später auf max. 1800 € ein.
Da die wenigsten Fahrer in der Gewerkschaft sind hat Verdi gar kein Interesse und Mittel hier aktiv einzugreifen. Da gibt man halt aller paar Monate so ein Statement raus wo es eher um den Betriebsrat geht als um andere Verbesserungen.
Eine Lösung des Problems wäre die Verpflichtung zu Fahrtenschreibern, denn diese sind in diesem Bereich aktuell gar nicht vorgeschrieben. Solange können täglich 12h Schichten angeordnet werden.