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Patienten aus der UkraineProbleme bei der Versorgung von Kriegsverletzten

15. September 2022, 15:34 Uhr

Einige Kriegsverletzte aus der Ukraine werden zur Behandlung ins Ausland gebracht – unter anderem auch nach Deutschland. Der Bundesärztekammerpräsident hat schon im Frühjahr beklagt, dass die Versorgung hier nicht optimal laufe. Auch jetzt gibt es noch einige Hürden bei der Versorgung.

Ukrainische Patientinnen und Patienten gebe es viele am Leipziger Universitätsklinikum, aber echte Kriegsverletzte seien es bisher nur fünf gewesen, sagt Unfallchirurg Christian Kleber. Davon sei aktuell noch eine Patientin in Behandlung: "Das ist eine junge Patientin und sie hat leider eine Granatverletzung erlitten, also klassische Explosionsverletzungen. Sie hat dort leider schon ein Bein verloren und das andere Bein hat auch einen schweren, infizierten Bruch, der sehr schwierig zu behandeln ist", erzählt Kleber.

Da es eine tiefe Infektion sei, könnten die Bakterien nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden. Infektionen mit multiresistenten Keimen seien typisch, die Menschen müssten deshalb in Isolation, sagt Kleber.

Behandlung von 600 Kriegsverletzten in Deutschland

Infekte treffen bei Kriegsverletzten auf Defekte, sagt Benedikt Friemert vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Er kennt sich aus mit Kriegsverletzungen, war bereits zwölf Mal im Auslandseinsatz. Die Betroffenen hätten regelrecht Löcher im Körper, sagt er. Häufig fehlten Körperteile wie Knochen, Muskeln oder Nerven.

In Deutschland kämen deshalb keine akuten Fälle an. Die müssten sofort behandelt werden, damit sie nicht verbluten, erklärt Friemert. Hier gehe es dann meist um die Rekonstruktion von Körperteilen. "Das sind keine Patienten, die in zwei Tagen wieder weg sind, sondern die sind Monate bei uns bis hin zu einem Jahr", erzählt Friemert. Deutschland habe bisher die Behandlung von rund 600 Kriegsverletzten zugesagt, sagt Friemert. Davon seien erst etwa zwei Drittel angekommen – rund 30 von ihnen in Mitteldeutschland.

Das Problem sei, dass die Ukraine die Schwerverletzten zunächst nach Polen bringen müsse, von wo sie dann ausgeflogen werden, erläutert Friemert. Das sei aufwendig und gefährlich. Es gebe Patienten, die organisiert kämen, indem die Ukraine einen Antrag an den europäischen Verteilungsmechanismus stellt. Von denen seien alle wichtigen Daten vorhanden. Aber: "Es gibt eine zweite Gruppe, nämlich die, die einen kennen, die wieder einen kennen und dann plötzlich in Deutschland vor der Krankenhaustür stehen", erzählt Friemert.

Krankenhäuser gehen für Behandlung in Vorleistung

Auch die Patientin in Leipzig ist nicht über den offiziellen Weg, sondern mit einer Hilfsorganisation gekommen. Doch die kümmere sich weiterhin um die junge Frau – bei anderen Kriegsverletzten sei das schwieriger. Viele bräuchten eine Nachsorge oder Prothesen und ein Zuhause, in das man sie entlassen könnte, gebe es auch nicht, erzählt Kleber.

In der Zusammenarbeit mit den Behörden gebe es Probleme bezüglich der Finanzierung: "Die Patienten sind bei uns, wir kümmern uns um die, aber wir sind finanziell auch gerade schon sehr in Vorleistung gegangen und haben die Patienten eben versorgt. Was die letztendliche Bezahlung betrifft, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und es gibt keine einheitlichen Regelungen. Das steht meistens auch in Konflikt mit der Entlassung oder auch Verlegung der Patienten in rehabilitative Einrichtungen", erklärt Kleber.

An der Universitätsklinik habe man inzwischen spezialisierte Therapien und eine tägliche, interdisziplinäre Visite für die Betroffenen entwickelt, sagt Kleber. Außerdem helfen Dolmetscher bei der psychologischen Betreuung der schwer verletzten Patientinnen und Patienten.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. August 2022 | 06:56 Uhr