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Viele Menschen unterschätzen noch immer die Gefahr von Alkohol im Straßenverkehr. Bildrechte: dpa/Imago/MDR

recap Kann die Null-Promillegrenze im Straßenverkehr schwere Unfälle verhindern?

10. Juni 2023, 12:35 Uhr

April 2023 – ein Mann fährt auf der B247 bei Bad Langensalza in Thüringen in den Gegenverkehr. Insgesamt sieben Menschen sterben, darunter fünf 19-Jährige. Der 34-jährige Unfallfahrer überlebt. Später wird klar: Der Mann hatte 1,3 Promille im Blut. Hätte ein generelles Alkoholverbot am Steuer den Unfall verhindern können? Polizei und Wissenschaftler sind da skeptisch.

Es handelt sich um den schwersten Verkehrsunfall in Thüringen seit 30 Jahren. Am 1. April 2022 reißt ein 34-Jähriger betrunken sieben Menschen in den Tod. Er überlebt schwer verletzt. Später gibt die Staatsanwaltschaft Mühlhausen bekannt, der Fahrer habe zum Unfallzeitpunkt 1,3 Promille Alkohol im Blut gehabt. Thüringens Innenminister Georg Maier forderte in der "Thüringer Allgemeinen" daraufhin ein komplettes Alkoholverbot im Straßenverkehr.  

Alkohol ist immer wieder die Ursache für besonders schwere Unfälle. Ich spreche mich deshalb für eine Absenkung der Promillegrenze auf 0,0 aus.

Georg Maier (SPD) Innenminister Thüringen  

Zahl der Alkoholunfälle gesunken 

Tatsächlich ist die Zahl der Unfälle, bei denen Alkohol die Ursache war, in den letzten Jahren deutlich gesunken. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. 1995 registrierte die Polizei in Deutschland noch rund 92.000 Unfälle unter Alkoholeinfluss. Bis zum Jahr 2021 ging diese Zahl um zwei Drittel zurück. Gut 32.500 Alkoholunfälle wurden erfasst.  

Und eine weitere gute Nachricht: Auch die Zahl der Todesopfer nach Alkoholunfällen ist in der gleichen Zeit deutlich gesunken. Von mehr als 1.700 auf 165. 

Ein Grund könnte die Absenkung der Promillegrenze im Jahr 2001 sein. Damals wurde der Wert von 0,8 Promille, bei denen eine Autofahrt straffrei bleibt, auf 0,5 Promille abgesenkt. Heißt: Wer seitdem mit mindestens 0,5 Promille am Steuer erwischt wird, muss mit Bußgeld und Führerscheinentzug rechnen.  

Alkohol am Steuer gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert 

Doch die Verschärfung der Promillegrenze allein ist nicht der Hauptgrund für sinkende Unfallzahlen, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann. Es habe mehr damit zu tun, dass es gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert ist, sich betrunken ans Steuer zu setzen. 

Und das hat auch sicherlich was damit zu tun, dass es gesellschaftlich nicht mehr so akzeptiert ist, betrunken Auto zu fahren wie es mal war.

Siegfried Brockmann Unfallforscher 

Brockmann zufolge geht die eigentliche Gefahr inzwischen von Menschen aus, die trotz der geltenden Promillegrenzen regelmäßig und in großen Mengen Alkohol konsumieren und sich dann noch ans Steuer setzen. Das zeigten die hohen Alkoholisierungsgrade weit über ein Promille, erklärt der Forscher. "Das bedeutet in aller Regel, dass man Alkohol gewohnt ist, ich könnte auch sagen alkoholabhängig."

Siegfried Brockmann
Unfallforscher Siegfried Brockmann Bildrechte: Unfallforschung der Versicherer (UDV)

Diejenigen, die erwischt werden und die auch in Unfälle verwickelt werden, haben zunehmend sehr hohe Alkoholisierungsgrade, also weit über ein Promille.

Siegfried Brockmann Unfallforscher 

Und auch die Statistik zeigt: Die meisten Unfälle passieren weit jenseits der 0,5 Promillegrenze.

Null-Promillegrenze wird Unfälle nicht verhindern  

Mandy Koch, GdP Thüringen
Mandy Koch, GdP Thüringen Bildrechte: GdP Thüringen

Und trotzdem spricht sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) klar für ein generelles Alkoholverbot im Straßenverkehr aus. Mandy Koch ist Landesvorsitzende der GdP Thüringen. Sie sagt, eine Null-Promillegrenze wäre die praktikabelste und konsequenteste Lösung.  

Lassen sich schwere Verkehrsunfälle wie bei Bad Langensalza durch ein Alkoholverbot also verhindern? Ganz so einfach sei es leider nicht, sagt Mandy Koch. "Man wird so schwerwiegende Unfälle dadurch leider nicht verhindern können. Also das ist definitiv Fakt. Das wird nicht möglich sein."

Wenn man sagt, bei 0,0, dann ist es 0,0. Da gibt es dann kein Wenn und kein Aber.

Mandy Koch Landesvorsitzende GdP Thüringen 

Auch Unfallforscher Siegfried Brockmann sieht das Problem. Menschen, die Alkohol gewohnt seien, würden sich auch bei einer Null-Promillegrenze weiter ans Steuer setzen, schätzt er. Dennoch plädiert auch er für ein Alkoholverbot: "Also ganz klar ist, dass doch etliche meinen, man könnte zwei, drei Bier trinken, da ist man noch knapp darunter." Denn: Die Versuchung, sich an die Grenze heranzutrinken sei relativ hoch, sagt Brockmann. Diese Versuchung hätte man nicht, wenn es ein striktes Alkoholverbot gebe. "Kein Alkohol am Steuer, fertig, aus." 

Also die Versuchung, sich an diese Grenze heranzutrinken, ist relativ hoch.

Siegfried Brockmann Unfallforscher 

Warum die Null-Promillegrenze gerade im ländlichen Raum schwierig werden könnte und welche Erfahrungen ein Notfallsanitäter mit Alkoholunfällen gemacht hat, das erfahren Sie in der aktuellen Folge recap.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 11. Juni 2023 | 21:45 Uhr

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