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Dem Rassismusmonitor zufolge sind immerhin knapp zwei Drittel der Menschen in Deutschland bereit dazu, Rassismus entgegenzutreten – etwa rassistischen Aussagen im Alltag. Bildrechte: dpa

Neue StudieRassismus in Deutschland weit verbreitet

von MDR AKTUELL

Stand: 05. Mai 2022, 13:25 Uhr

In Deutschland gibt es einer Studie zufolge ein breites Bewusstsein für Rassismus. 90 Prozent der Menschen erkennen an, dass es das Problem gibt. Zugleich gibt es hohe Zustimmungswerte für rassistische Einstellungen.

In Deutschland gibt es viele Erfahrungen mit Rassismus. So haben etwa rund 45 Prozent der Bürgerinnen und Bürger schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet; etwa ein Fünftel (22 Prozent) der Menschen gibt an, selbst schon von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Das geht aus dem ersten "Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor" des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hervor, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Naika Foroutan, Direktorin Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) Bildrechte: IMAGO / Metodi Popow

Die Direktorin des DeZIM-Instituts, Naika Foroutan, erklärte dazu, Rassismus betreffe die gesamte Gesellschaft. Das Thema beschäftigte Menschen emotional, "wühlt sie auf und lässt sie über lange Zeit nicht mehr los". Besonders häufig würden rassistische Benachteiligungen in den Lebensbereichen Schule, Arbeit und Wohnen erkannt. Sie rief die Politik dazu auf, das Thema "offensiv und langfristig" anzugehen.

Den Ergebnissen zufolge gibt es trotz eines hohen Bewusstseins für Rassismus auch eine hohe Zustimmung zu rassistischen Einstellungen. Fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) glaubt demnach an menschliche "Rassen", darunter überproportional Ältere. Dass bestimmte ethnische Gruppen, beziehungsweise Völker intelligenter als andere sind, glauben laut Studie zwar lediglich neun Prozent der Bevölkerung. Der Aussage, dass gewisse ethnische Gruppen oder Völker "von Natur aus fleißiger sind als andere", stimmte allerdings rund ein Drittel der Befragten zu.

Problembewusstsein bei Jüngeren

Die Forscher nahmen auch gezielt Angehörige von sechs "rassifizierten Minderheiten" in den Blick: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und Osteuropäer. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehenden einer dieser Gruppen zugeordnet werden. Von ihnen gaben insgesamt 58 Prozent an, schon einmal selbst Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein.

Was ist Rassismus?"Rassismus" wird in der Studie definiert als Ideologie sowie als diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per "Abstammung" verallgemeinerte, unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden.

Der Wert lag bei den Angehörigen der sechs Minderheiten in der Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren bei rund 73 Prozent, bei den über 65-Jährigen dagegen mit rund 24 Prozent deutlich niedriger. Das mag mit einem geschärften Problembewusstsein bei den Jüngeren, womöglich aber auch mit mehr Kontakten junger Betroffener zu Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft zusammenhängen.

Für die repräsentative Studie wurden den Angaben zufolge von April bis August 2021 rund 5.000 Menschen telefonisch befragt.

Paus erinnert an Halle und Hanau

Bundesfamilienministerin Lisa Paus Bildrechte: IMAGO/Metodi Popow

Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte, spätestens die Anschläge von Halle und Hanau hätten klar gemacht, dass Rassismus in Deutschland Menschen das Leben koste. Die Grünen-Politikerin nannte das Programm "Demokratie Leben!" als eine Maßnahme, um gegen Rassismus vorzugehen. Dadurch würden bundesweit mehr als 600 entsprechende Projekte und Initiativen gefördert. Zudem solle das geplante Demokratiefördergesetz den Bund gesetzlich verpflichten, Strukturen für das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Extremismus und Rassismus dauerhafter zu machen.

Der Kampf gegen Rassismus geht nicht nur die Betroffenen an, denn Rassismus zersetzt das Fundament unserer Demokratie: Würde, Freiheit und Gleichheit aller 83 Millionen Menschen in unserem Land.

Reem Alabali-Radovan, SPD | Integrationsbeauftragte der Bundesregierung

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, mahnte mehr Anstrengungen an. "Deutschland weiß um sein Rassismusproblem", sagte die Sozialdemokratin. "Jahrzehntelang wurde Rassismus in Deutschland verschwiegen oder gar bestritten, das wirkt bis heute nach."

Alle Ergebnisse der Befragung stehen online unter: www.rassismusmonitor.de

dpa/AFP/KNA/epd/MDR (ala)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 05. Mai 2022 | 19:30 Uhr