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recapJung und Ostdeutsch – wie wichtig Herkunft ist

30. September 2022, 16:13 Uhr

Ostdeutsche Nachwendekinder haben die DDR nicht miterlebt. Trotzdem spielt ihre Herkunft eine wichtige Rolle für sie. Nach 32 Jahren Wiedervereinigung machen wir den Recap: Sind Ost und West in dieser Zeit wirklich zusammengewachsen? Einerseits boomt in Ostdeutschland die Wirtschaft und es gibt viel Zuzug aus dem Westen. Andererseits fühlen sich viele Ostdeutsche noch immer als "Bürger zweiter Klasse". War die Deutsche Einheit also ein Erfolg?

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In Ostdeutschland hat sich in den 32 Jahren nach der Wiedervereinigung viel bewegt. Besonders in der Wirtschaft. Immer mehr internationale Unternehmen ziehen aktuell in den Osten und investieren Milliarden. Um nur einige Beispiele zu nennen: Intel baut in Magdeburg die größte Chip-Fabrik Europas, CATL hat das größte Batteriezellenwerk Europas am Erfurter Kreuz angesiedelt und Elon Musk hat Tesla nach Brandenburg geholt. So lag das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2022 in den ostdeutschen Bundesländern (3,5 %) deutlich über dem im Westen (2,7 %). Ein Grund mehr, hierzubleiben. Jahrelang hatte der Osten mit Abwanderung zu kämpfen.

Meine ganze Generation, jeder hier kennt die Frage schon, in Dauerschleifen diese Zeilen: Gehen oder bleiben!

Feine Sahne Fischfilet, "Für diese eine Nacht"

Doch auch das hat sich gedreht. Seit 2017 sind jährlich mehr Leute vom Westen in den Osten gezogen als andersrum. Im letzten Jahr haben bis auf Thüringen alle Ostländer davon profitiert. Mitteldeutsche Großstädte wie Leipzig, Halle und Jena sind mittlerweile deutschlandweit sehr beliebt.

Die Einheit ist noch nicht erreicht

In vielen Bereichen allerdings sind Ost- und Westdeutschland noch immer nicht gleichauf. Bestes Beispiel: Geld. In Ostdeutschland gibt es viel weniger Vermögen und das hat Folgen. Ostdeutsche erben deutlich weniger als Westdeutsche. Nicht nur deswegen ist es für sie viel schwieriger, sich ein eigenes Vermögen aufzubauen. Auch, weil die Löhne noch immer niedriger sind.

Diese Ungerechtigkeiten führen zu Frust. Laut einer neuen Studie des Ostbeauftragten der Bundesregierung fühlen sich immer noch knapp zwei Drittel der Ostdeutschen als "Bürger zweiter Klasse". Nur 39 Prozent der Ostdeutschen sind mit der deutschen Demokratie zufrieden. Tendenz sinkend.

Hat die Einheit noch eine Chance?

Ja! Und die Hoffnung liegt ausgerechnet auf der Generation, die die DDR gar nicht miterlebt hat, für die ihre Herkunft aber trotzdem eine große Rolle spielt: Ostdeutsche Nachwendekinder. Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung von 2019 identifiziert sich jeder Fünfte von ihnen explizit als "ostdeutsch". Doch woher kommt das? Journalistin und Autorin Valerie Schönian sieht den Ursprung dieses "Ostbewusstseins" im Jahr 2014, als Pegida hier anfing zu marschieren und die AfD politische Kraft erhielt.

Was da passiert ist bei vielen jungen Leuten, ist so ein Gefühl von: Die reden jetzt pauschal von ‚dem Osten‘, aber das meint für die nur: komische Dialekte, Runenschriftpullis und die AfD. Aber ich bin ja aus dem Osten und der ist noch viel mehr als das.

Valerie Schönian, Journalistin und Autorin

Valerie Schönian hat mit "Ostbewusstsein” ein Buch darüber geschrieben. Und damit ist sie nicht allein. In den letzten Jahren haben immer mehr junge Ostdeutsche angefangen, über ihre Herkunft zu schreiben, zu sprechen und zu singen. So wird auch deutlich, dass ostdeutsche Identität vielfältiger ist als sie meist wahrgenommen wird. Die Journalistin Nhi Le zum Beispiel sieht sich als deutsch, aber auch als vietdeutsch, als ostdeutsch und vor allem auch als vietostdeutsch. All diese Identitäten existieren für sie nebeneinander.

Vietnamesische Vertragsarbeiter:innen kamen damals in die DDR, meine Eltern auch, und das ist etwas sehr spezifisch ostdeutsches. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich realisiert habe, wie viele Facetten da eigentlich miteinander verbunden sind. Jetzt bin ich total zufrieden, das auch so benennen zu können.

Nhi Le, Journalistin

Ist die Deutsche Einheit eine Erfolgsgeschichte? Und was bedeutet sie heute für junge Menschen, die nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland aufgewachsen sind? Diesen Fragen gehen wir in der aktuellen Folge von Recap nach.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | recap – bei Youtube | 30. September 2022 | 17:00 Uhr