Prozess gegen LeipzigerWegen Mordes: Ex-Stasi-Offizier zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt
Am DDR-Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße in Berlin wird ein Mann im Auftrag der Stasi erschossen. Erst 50 Jahre später kommt der Fall vor Gericht. Nun haben die Richter am Berliner Landgericht den Mann aus Leipzig wegen Mordes verurteilt.
Rund 50 Jahre nach einem tödlichen Schuss am früheren DDR-Grenzübergang am Berliner Bahnhof Friedrichstraße ist ein ehemaliger Stasi-Offizier zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Landgericht Berlin sprach den 80-jährigen Mann aus Leipzig des Mordes an dem polnischen Opfer für schuldig.
Der Angeklagte hat demnach vor gut 50 Jahren - im März 1974 - am DDR-Grenzübergang "Bahnhof Friedrichstraße" einen Mann aus Polen aus zwei bis drei Metern Entfernung hinterrücks erschossen haben. Laut Staatsanwaltschaft waren die Ermittlungen zunächst viele Jahre lang nicht vorangekommen und erst 2016 habe es einen entscheidenden Hinweis aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv gegeben.
Anklage sieht Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt
Die Anklage hatte zwölf Jahre Haft gefordert, weil das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sei. Der Angeklagte soll einer Operativgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) angehört haben und mit der "Unschädlichmachung" von Czesław Kukuczka beauftragt worden sein. Zuvor soll dieser in der polnischen Botschaft versucht haben, seine Ausreise nach West-Berlin mit einer Bombenattrappe zu erzwingen.
Das MfS soll den 38-Jährigen mit einer fingierten Ausreise in eine Falle gelockt haben. Er habe Dokumente erhalten und sei von Stasi-Mitarbeitern zum Bahnhof Friedrichstraße begleitet worden. Als er dort jedoch den letzten Kontrollpunkt passiert hatte, fiel der Schuss.
Schülerinnen erlebten den Todesschuss
Westdeutsche Schülerinnen wurden damals Zeugen der Tat. "Hinter mir stand ein Mann mit einer Reisetasche", erinnerte sich eine 65-Jährige. Der Mann sei vorgezogen worden. Nachdem er seinen Pass zurückbekommen habe, sei er zielgerichtet auf die Unterführung zugegangen.
Plötzlich sei jedoch ein Mann in einem langen Mantel und mit Sonnenbrille von hinten vorgetreten - und der Schuss sei gefallen. Der Mann mit der Reisetasche sei zusammengesunken. "Das sehe ich noch bildlich vor mir", so die Zeugin. "Wir hatten unheimliche Angst."
Die Verteidigerin hatte sich hingegen für einen Freispruch ausgesprochen, weil nicht erwiesen sei, dass der angeklagte Leipziger der Schütze gewesen sei. Der Angeklagte hatte sich während des Prozesses nicht zu den Anschuldigungen geäußert.
Prozess wurde wegen historischer Bedeutung aufgezeichnet
Der Prozess wurde wegen seiner historischen Bedeutung aufgezeichnet. Die Angehörigen des Opfers - eine Tochter, zwei Söhne und eine Schwester - traten im Verfahren als Nebenkläger auf. Es sei ihren Mandanten nie um eine bestimmte Strafe oder Rache gegangen, betonten die Anwälte. "Die Nebenkläger sind dem Gericht, dem deutschen Staat dankbar, dass es dieses Verfahren gab", so Anwalt Rajmund Niwinski.
MDR (ama/lam)/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 14. Oktober 2024 | 12:00 Uhr