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Der ehemalige Bürgerrechlter Friedrich Schorlemmer ist tot. Bildrechte: picture alliance / zb | Kirsten Nijhof

TrauerTheologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer gestorben

10. September 2024, 13:06 Uhr

Der evangelische Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist tot. Schorlemmer starb nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren in einem Berliner Pflegeheim.

Der Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist gestorben. Das berichten die in Weimar erscheinende Mitteldeutsche Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" sowie der Evangelische Pressedienst (epd) unter Berufung auf Schorlemmers Familie. Demnach starb Schorlemmer am Sonntag in einem Berliner Pflegeheim.

Schorlemmer hatte sich den Angaben zufolge vor drei Jahren wegen einer fortschreitenden Demenzerkrankung aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und lebte zuletzt in der Nähe seiner Kinder in dem Pflegeheim. Er wurde 80 Jahre alt.

Persönlichkeit der friedlichen Revolution in der DDR

Schorlemmer wurde am 16. Mai 1944 im brandenburgischen Wittenberge geboren. Als Christ und Pazifist verweigerte er den Wehrdienst. Als Pfarrerskind musste er sein Abitur an einer Volkshochschule ablegen. Nach dem Theologiestudium in Halle war er in den Franckeschen Stiftungen und danach als Studentenpfarrer in Merseburg tätig. Später war er Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Wittenberger Schlosskirche in Sachsen-Anhalt.

Kerze mit dem Friedenssymbol "Schwerter zu Pflugscharen" Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In den 80er-Jahren wurde Schorlemmer einer der wichtigsten Protagonisten der friedlichen Revolution in der DDR. International bekannt wurde der Theologe 1983 mit der symbolträchtigen Umschmiedung eines Schwertes zur Pflugschar als Friedensaktion in Wittenberg. Etwa ein Jahr vor dem Mauerfall legte Schorlemmer gemeinsam mit seiner Friedensgruppe die "20 Wittenberger Thesen" zur Demokratisierung der DDR vor mit den Zielen: Freie Wahlen, unabhängige Gerichte, Reisefreiheit und der Forderung, dass "die Kommunisten auf das mit Macht ausgeübte Wahrheitsmonopol und auf den prinzipiellen gesellschaftlichen Überlegenheitsanspruch verzichten".

Bei der regierungskritischen DDR-Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz gehörte auch Schorlemmer zu den Rednern. Er war Mitbegründer der Partei Demokratischer Aufbruch (DA), wechselte aber noch 1990 in die SPD.

Streitbar auch nach der Wiedervereinigung

Auch nach der deutschen Wiedervereinigung blieb Schorlemmer ein kritischer Beobachter der politischen Verhältnisse. Frieden und soziale Gerechtigkeit spielten für ihn immer eine zentrale Rolle.

So setzte er sich nach 1990 rasch für eine Rehabilitierung der in PDS umbenannten SED ein. 1993 forderte er, die Stasi-Akten zu vernichten, was ihm deutliche Kritik anderer Bürgerrechtler einbrachte. 1999 schloss er sich der Forderung nach einer strafrechtlichen Amnestie für die DDR-Verantwortlichen an.

Politik würdigt Bürgerrechtler als Stimme des Ostens

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte am Dienstag den Einsatz des verstorbenen Bürgerrechtlers für die Demokratie. "Sein Engagement speiste sich aus seinem Glauben und klaren ethischen Überzeugungen", erklärte Steinmeier in Berlin. "Ohne Menschen wie ihn wäre die Friedliche Revolution, deren 35. Jahrestag wir in wenigen Wochen feiern, nicht möglich gewesen."

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff bezeichnete Schorlemmer als wichtige Stimme des Ostens und eine Symbolfigur der kirchlichen Friedensbewegung in der DDR. Er habe wortmächtig den Freiraum der Kirche genutzt. "Schorlemmer war Mitinitiator der Bürgerrechtsbewegung und eine Leitfigur der friedlichen Revolution", sagte Haseloff. Nach der Wiedervereinigung sei er ein kritischer Begleiter der deutschen Einheit gewesen. Er habe sich immer wieder eingemischt und den öffentlichen Diskurs beeinflusst.

epd,dpa(ans/nvm)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 10. September 2024 | 12:00 Uhr