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In Deutschland gilt bislang die sogenannte Entscheidungslösung. Demnach dürfen Organe nur entnommen werden, wenn die Person vor ihrem Tod zugestimmt hat. Bildrechte: IMAGO / Fotostand

MDRfragtOrganspende: Zwei Drittel für Widerspruchslösung

15. März 2023, 05:00 Uhr

Angesichts stark rückläufiger Zahlen bei Organspenden spricht sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für eine Neuregelung aus: Er plädiert für die sogenannte Widerspruchslösung. Beim Großteil der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer stößt das auf ein positives Echo, wie die aktuelle, nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung zeigt. Mehr als 24.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben dabei ihre Meinung eingebracht.

von MDRfragt-Redaktionsteam

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt Deutschland bei den Organspendezahlen weit hinten. Während bei uns auf eine Million Menschen etwa zehn Spenderinnen und Spender kommen, sind es etwa in Frankreich, Italien oder Österreich rund doppelt, in Spanien sogar rund viermal so viele.

Das könnte unter anderem daran liegen, dass in diesen Ländern die sogenannte Widerspruchslösung gilt: Menschen, die zu Lebzeiten einer Organspende nicht aktiv widersprechen, werden automatisch zu Spenderinnen und Spendern. Die Widerspruchslösung trifft in der MDRfragt-Gemeinschaft auf große Zustimmung: Zwei Drittel würden sie begrüßen, ein Drittel lehnt sie ab.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Warum sie sich für die Widerspruchslösung aussprechen, begründen die MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:

Ich fände es gut, wenn die neue Regelung käme, weil dadurch viele Leben gerettet oder lebenswerter gemacht werden könnten.

Katrin, 46 Jahre, Landkreis Leipzig

Dann würden sich mehr Bürger mit dem Thema befassen.

Rolf, 82 Jahre, Altmarkkreis

Bin zur Organspende bereit, habe aber aus Bequemlichkeit keinen Ausweis. Deshalb bin ich für die Widerspruchslösung.

Melanie, 50 Jahre, Erfurt

Es gibt aber auch MDRfragt-Mitglieder, die sich klar dagegen aussprechen:

Das Recht über den eigenen Körper liegt bei jedem selbst. Der Staat hat kein Recht, dieses Recht zu beschneiden.

Frank, 47 Jahre, Saale-Orla-Kreis

Gerade weil die Entscheidung für eine Organspende aus unterschiedlichen Gründen schwierig sein kann, sollte sie in meinen Augen aktiv von jedem selbst getroffen werden.

Nadine, 37 Jahre, Sömmerda

Mich stört daran, dass man mit der Bequemlichkeit, Unentschlossenheit und Vergesslichkeit eines Großteils der Menschen rechnet. Das halte ich für etwas unmoralisch.

Reinhard, 70 Jahre, Harz

Mehrheit hat kein Verständnis für niedrige Spendenbereitschaft

Die Zahl der Organspenderinnen und -spender in Deutschland ist im vergangenen Jahr um fast sieben Prozent zurückgegangen – das hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation jüngst gemeldet. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, hat für die vergleichsweise niedrige Spendenbereitschaft in Deutschland kein Verständnis. 40 Prozent können es verstehen.

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Gründe für eine Organspende

"Ich wäre selbst glücklich, bei Bedarf ein Spenderorgan zu erhalten" – das ist der am häufigsten genannte Grund, der in den Augen der MDRfragt-Teilnehmenden für eine Organspende spricht: 65 Prozent haben das angegeben. Auch, dass Organspenden dringend benötigt werden, wurde häufig genannt (55 Prozent). Und für jeden Zweiten ist ein wichtiges Argument, mit einer Organspende anderen helfen zu können. Elf Prozent haben hingegen angegeben, dass für sie kein Grund für eine Organspende spricht.

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In den Kommentaren, die uns die Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer geschickt haben, erklären sie, warum sie sich für eine Organspende entscheiden würden:

So wäre mein Tod doch für andere Menschen noch nützlich und irgendwie lebt man in anderen weiter und unterstützt diese Menschen, ein längeres Leben zu haben.

Monika, 45 Jahre, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Ich habe seit einigen Jahren einen Organspendeausweis. Der Grund war damals, dass eine enge Freundin auf ein Organ gewartet hat, leider zu lange.

Ingrid, 67 Jahre, Landkreis Greiz

Ich bin selbst lebertransplantiert, seit sechs Jahren, und nur so konnte ich überleben.

Henrik, 62 Jahre, Wartburgkreis

Ein Drittel hat Angst vor Missbrauch

Wir wollten von den MDRfragt-Teilnehmenden auch wissen, was in ihren Augen möglicherweise gegen eine Organspende sprechen könnte – unabhängig davon, wie sie für sich selbst entschieden haben. Dabei haben vier von zehn angegeben, dass es ihrer Meinung nach keinen Grund gegen eine Organspende gibt. Bei mehr als jedem Dritten besteht die Sorge vor Missbrauch, jeder Fünfte zweifelt zudem an, dass ein festgestellter Hirntod immer endgültig ist. 13 Prozent empfinden es als negativ, dass sie keinen Einfluss darauf haben, wer das Organ empfängt.

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Ihre Bedenken drücken die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer in den Kommentaren aus:

Es ist das Gefühl, sich wie ein Ersatzteillager vorzukommen und dass an dem eigenen Körper herumgeschnippelt wird.

Arne, 49 Jahre, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Ich würde hier eher ein intensives Vorantreiben der Stammzellforschung und die Generierung von Gewebe- und Organersatz daraus befürworten.

Gabriele, 70 Jahre, Landkreis Sömmerda

Ich habe keinen Einfluss darauf, wer das Organ bekommt, also z.B. ein Alkoholiker meine Leber, obwohl er selber mit seinem verantwortungslosen Alkoholkonsum zu seiner Krankheit beigetragen hat.

Anna, 40 Jahre, Erzgebirgskreis

Großteil hat für sich bereits eine Entscheidung getroffen

70 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, haben bereits für sich persönlich entschieden, ob sie einer Organspende zustimmen oder diese ablehnen. Bei einem Viertel ist diese Entscheidung noch nicht gefallen.

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Ein Viertel hat die Entscheidung bislang nicht schriftlich festgehalten

Drei Viertel derer, die bereits eine Entscheidung zum Thema Organspende getroffen haben, haben diese auch schriftlich festgehalten – die deutliche Mehrheit davon in einem Organspendeausweis (62 Prozent). Rund ein Viertel hat dies hingegen nicht getan.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Entscheidung fällt bei Angehörigen schwerer als bei sich selbst

Wenn der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt ist, müssen oftmals die Angehörigen entscheiden, ob sie einer Organspende zustimmen oder diese ablehnen. Das würde den MDRfragt-Teilnehmenden deutlich schwerer fallen, als für sich selbst zu entscheiden.

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Mehr zum Thema Organspende

Über diese BefragungDie Befragung vom 30.01. - 02.02.2023 stand unter der Überschrift:

Organspende – eine schwere Entscheidung?

Insgesamt sind bei MDRfragt 64.636 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 02.02.2023, 14.30 Uhr).

24.580 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 364 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.648 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.128 Teilnehmende
65+: 10.440 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.652 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.956 (24 Prozent)
Thüringen: 5.972 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.964 (49 Prozent)
Männlich: 12.557 (51 Prozent)
Divers: 59 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Exakt | 15. März 2023 | 20:15 Uhr